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02.10.2007 10:25

DJI Online Thema 2007/10: Integration - diskriminiert oder selbst ausgegrenzt?

Andrea Macion Öffentlichkeitsarbeit/Wissenschaftliches Referat beim Vorstand
Deutsches Jugendinstitut e.V.

    Viele Jugendliche mit Migrationshintergrund gehören zu den Verlierern in unserer Gesellschaft. Einige reagieren darauf mit einer kulturellen Abgrenzung, einer Betonung kultureller Unterschiede zwischen ihrer Gruppe und der Mehrheit. Ein Projekt des Deutschen Jugendinstituts stellt nun fest, dass diese kulturelle Distinktion nicht automatisch ein Zeichen von Integrationsunwilligkeit oder Desintegration sein muss. Entscheidend für eine gelingende Integration ist vielmehr der möglichst zeitnahe und reibungslose Übergang von der Schule in eine Ausbildung oder einen Beruf. Und dafür braucht es in erster Linie gute strukturelle Rahmenbedingungen.

    Jedes dritte Kind unter sechs Jahren stammt bereits heute aus einer Zuwandererfamilie, in einigen Großstädten sind es schon zwei Drittel. Im Jahr 2010 wird in den großen deutschen Städten jeder zweite Einwohner unter vierzig Jahren einen Migrationshintergrund haben.

    Viele dieser Migrantinnen und Migranten sind gut in unsere Gesellschaft integriert, aber gerade innerhalb der zweiten und dritten Generation bestehen zum Teil erhebliche Integrationsdefizite. Zahlreiche Jugendliche mit Migrationshintergrund (insbesondere der zweiten und dritten Generation) sprechen schlecht Deutsch, auch wenn sie hier geboren wurden. Ebenso beherrschen sie oftmals nur noch Abwandlungen ihrer Herkunftssprachen. Überdurchschnittlich viele junge Migrantinnen und Migranten haben keinen Schulabschluss, rund 40 Prozent keinen Berufsabschluss. 47 Prozent aller jungen erwachsenen Ausländer sind arbeitslos.

    Bei manchen der Jugendlichen wird nun eine verstärkte kulturelle Distinktion - eine sogenannte (Re)Ethnisierung festgestellt. Teile der Öffentlichkeit sehen darin eine Gefahr, weil sie den Weg in eine mögliche Radikalisierung ebne.

    Wie ein von der Jacobs-Foundation unterstütztes DJI-Projekt, dessen Ergebnisse wir in "Auf einen Blick" zusammenfassen, belegt, sind die Tendenzen einer Re(Ethnisierung) jedoch erst einmal kein Resultat einer Integrationsunwilligkeit, wie manchmal vorschnell behauptet wird. Vielmehr sind sie umgekehrt eine Reaktion auf enttäuschte Integrationshoffnungen. Deswegen ist ein erfolgreicher Übergang von der Schule in eine Ausbildung oder einen Beruf kurz nach Verlassen der Schule gerade für diese Gruppe immens wichtig. Je weniger erfolgreich diese Phase der Einmündung verläuft, desto eher fühlen sich betroffene Jugendliche individuell benachteiligt und desto eher reagieren sie mit einer (Re)Ethnisierung.

    Und außerdem bedeutet diese Distinktion, wie Projektleiter Dr. Jan Skrobanek (DJI) im Interview erklärt, nicht unbedingt eine Desintegration. Seine Forschungsergebnisse zeigen: selbst wenn Jugendliche mit Migrationshintergrund von sich aus kulturelle Unterscheidungen gegenüber Einheimischen betonen, hat dies nicht notwendigerweise einen negativen Effekt auf ihre weitere ausbildungsbezogene oder berufliche Integration in die Zielgesellschaft. Ihre Hinwendung zur Herkunftsgruppe, wo sie sich angenommen und gut aufgehoben fühlen, ist einfach eine Strategie der Verarbeitung, die Jugendliche nutzen, wenn sie sich diskriminiert fühlen. Kulturelle Distinktion wird so zu einer Ressource, mit negativen Anerkennungsbilanzen produktiv umzugehen.

    Wie verletzend Diskriminierungserfahrungen besonders für Kinder und Jugendliche sein können, macht der sehr persönliche "Blick von außen I" deutlich, den eine Gesamtschul-Lehrerin für uns geschrieben hat. Nurgül Altuntas, die als Vierjährige nach Deutschland kam, hat es trotzdem geschafft und fühlt sich heute zumindest "stückchenweise" integriert. Sie setzt sich dafür ein, besonders den Kindern aus Migrantenfamilien ein positives Selbstwertgefühl zu vermitteln, indem sie zum Beispiel die Geschichte der "Gastarbeiter" auch im Unterricht thematisiert und in verschiedenen Projekten das Potenzial der Kinder und Jugendlichen als Brückenbauer zwischen den Kulturen nutzt.

    Auch die Bundesregierung unternimmt derzeit große Anstrengungen, um in einer konzertierten Aktion Integrationsprozesse zu unterstützen. Im Juli hat sie der Öffentlichkeit ihren Nationalen Integrationsplan vorgestellt. Maria Böhmer beschreibt als Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration in ihrem "Blick von außen II" die politischen Implikationen, die der Maßnahmenkatalog für die Gruppe der Jugendlichen vorhält und betont, die vielfältigen Angebote seien eine Einladung, aber auch eine Verpflichtung für junge Menschen aus Zuwandererfamilien, die vielen Chancen, die Deutschland bietet, auch zu nutzen.

    Ergänzt wird das Schwerpunktthema durch ein Gespräch mit einer Stipendiatin des Deutschen Jugendinstituts. Die armenische Psychologin Sonya Saroyan hat in einem spannenden Experiment untersucht, wie bedeutsam das Kopftuch für die unterschiedlichen Ausprägungen der Selbstwahrnehmung muslimischer Frauen ist.


    Weitere Informationen:

    http://www.dji.de/thema/0710


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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