Jenaer Juristin prüft Effektivität australischer Gleichstellungsbehörde
Jena (18.07.00) Für deutsche Frauen, die sich im Beruf ungleich behandelt fühlen, kann sich ein Blick nach Australien lohnen. In der Heimat der Aborigines wird das faktische Problem der Ungleichbehandlung mit einer eigens gegründeten Schlichtungsstelle gelöst, deren Effektivität die Jenaer Rechtswissenschaftlerin Prof. Dr. Monika Schlachter untersucht hat.
Die Arbeitsrechts-Expertin von der Friedrich-Schiller-Universität hat rechtsvergleichendes Neuland betreten, als sie jetzt erforscht hat, wie eine außergerichtliche Streitbeilegung in Benachteiligungsfällen in Australien vollzogen wird. In einer von der DFG mit rund 136.000 Mark unterstützten Studie, von der jetzt die ersten Zwischenergebnisse vorliegen, analysierte Prof. Schlachter "Die Durchsetzbarkeit bestehender Rechtspflichten zur Gleichbehandlung in der Bundesrepublik und Australien".
Auf dem fünften Kontinent wurde 1986 die staatliche Behörde "Human Rights and Equal Opportunity Commission" (HREOC) eingerichtet. Aufgaben der Schlichtungsstelle sind "die Überwachung und Steuerung von Benachteiligungsverboten", außerdem soll sie Informations- und Beratungsmöglichkeiten schaffen, um dem Problemfeld vorzubeugen. Die außergerichtliche Schlichtungsstelle arbeitet, v. a. bei Problemen des Arbeitslebens, sehr erfolgreich, hat Prof. Schlachter beobachtet. Das liegt zum einen daran, dass ein Verfahren vor dem HREOC nach australischem Recht obligatorisch ist, bevor ein Rechtsstreit geführt werden kann. In Deutschland sind vergleichbare Individualklagen selten, da die schützenswerten Personen meistens ohnehin wenig motiviert sind, den Klageweg zu beschreiten. Durch den australischen Weg sinkt die Schwellenangst vor dem Gericht und benachteiligte Personen schrecken weniger vor einer Auseinandersetzung zurück. Andererseits ermöglicht das Schlichtungsverfahren, das von neutralen, gut ausgebildeten Juristen oder Psychologen unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführt wird, beiden Streitparteien eine gemeinsame Zukunft nach Prozessende. Zudem sind die Schlichtungsverfahren deutlich schneller - im Durchschnitt dauern sie neun Monate - und billiger als übliche Gerichtsverhandlungen, hat Prof. Schlachter ermittelt. "Und in weit über 90 Prozent aller Fälle wird der Schlichterspruch von beiden Seiten akzeptiert". Denn obwohl kein gesetzlicher Anspruch auf Vollstreckung des Schlichterspruchs besteht, haben schließlich beide Seiten am Kompromiss mitgewirkt. Erst wenn Kompromisse im Schlichtungsverfahren nicht erreicht wurden, eröffnet die Behörde ein öffentliches Hearing-Verfahren - schließlich ist ein normaler Gerichtsprozess immer möglich.
"Eine Schlichtungsstelle hat eine Menge an Vorteilen", unterstreicht die Arbeitsrechts-Expertin ihre Sympathien für die australische Behörde und plädiert dafür, "in Benachteiligungsfällen auch im deutschen Recht das Element der außergerichtlichen Streitbeilegung verstärkt einzusetzen". Obwohl etwa das deutsche Familien-, Wirtschafts- und Arbeitsrecht in einigen Bereichen auch Schlichtungsverfahren kennt, hält sie eine Übertragung der Behörde nach Deutschland für unrealistisch. Einerseits entspricht die HREOC nicht der deutschen Rechtstradition und "außerdem passt eine Behördenlösung momentan nicht zum Trend der Rückführung staatlicher Zuständigkeiten", akzeptiert die Juristin. Zudem müsste v. a. zunächst geklärt werden, wie eine solche Stelle finanziert wird, vom Geldgeber unabhängig bleibt und eine hohe Qualität der Schlichter garantiert - Fragen, die in Australien geklärt sind.
Dennoch glaubt Monika Schlachter, dass einige Ansätze des australischen Modells sehr wohl Einzug ins europäische Recht finden können. Vor allem das Motto "Prävention statt Strafe" hält sie für nachahmenswert.
Wo im deutschen System Probleme der Rechtsdurchsetzung bei Gleichbehandlungsproblemen existieren, untersucht jetzt Schlachters Mitarbeiter Axel Heuchert. Er soll bis zum Sommer nächsten Jahres die Möglichkeiten und Schwierigkeiten aufzeigen. Dann wollen die Jenaer Juristen Empfehlungen abgeben, wie auch im deutschen Arbeitsrecht zunehmend Schlichter bei der Durchsetzung von Gleichbehandlungsrechten einvernehmliche Lösungen mitgestalten können.
Ansprechpartnerin:
Prof. Dr. Monika Schlachter
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena
Carl-Zeiß-Str. 3
07743 Jena
Tel.: 03641/942120
Fax: 03641/942122
E-Mail: mschlachter@recht.uni-jena.de
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Axel Burchardt M. A.
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931041
Fax: 03641/931042
E-Mail: hab@sokrates.verwaltung.uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Politik, Recht
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).