Um die Persönlichkeit Ludwigs II. von Bayern ranken sich zahlreiche Spekulationen. In diversen posthumen Untersuchungen wurden bei ihm verschiedene psychische Erkrankungen diagnostiziert - darunter besonders häufig die Schizophrenie. Der Direktor der Klinik für Psychiatrie am Klinikum rechts der Isar der TU München, Prof. Dr. Hans Förstl, hat nun gemeinsam mit Historikern bereits verfügbare Quellen und erstmals Dokumente des Geheimen (Wittelsbacher) Hausarchivs ausgewertet. In einer Veröffentlichung in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift zeigen sie, dass die Diagnose Schizophrenie nach aktuellen Kriterien nicht aufrechterhalten werden kann, wohl aber die einer schizotypen Persönlichkeitsstörung. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Verlauf in den letzten beiden Lebensjahren und aufgrund des Autopsiebefundes zusätzlich der Verdacht auf eine beginnende frontotemporale Degeneration (Morbus Pick).
Ludwig II. von Bayern war kein einfacher Mensch. Er zog sich weitgehend aus dem öffentlichen Leben zurück und zeigte Verhaltensweisen, die seiner Umgebung zunehmend bizarr erschienen. Bernhard von Gudden, der damalige Inhaber des Münchner Psychiatrie-Lehrstuhls, diagnostizierte in seinem Gutachten eine "Paranoia". Dies entspricht nach heutigen Maßstäben weitgehend einer Schizophrenie, und diese Diagnose lieferte die Rechtfertigung für die Absetzung Ludwigs II. Bei seiner Diagnose konnte sich von Gudden allerdings nur auf Zeugenaussagen und Akten stützen - eine persönliche Untersuchung des Königs war nicht möglich.
Da die damals für das Ferngutachten verwendeten Unterlagen auch heute noch existieren, konnte die Untersuchung der Münchner Forscher von den gleichen Voraussetzungen wie von Gudden ausgehen. Förstl: "Unser Anliegen war es, an die im Gutachten beschriebenen Symptome aktuelle diagnostische Konzepte anzulegen." Nach der derzeit gültigen Internationalen Krankheitsklassifikation (ICD-10) erfüllt Ludwig mit den im Aktenmaterial dokumentierten Symptomen Kriterien einer schizotypen Störung. Diese Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch dauerhafte Defizite im zwischenmenschlichen Bereich aus und zusätzlich Misstrauen, Grübeln, exzentrische Ideen und absonderliches Verhalten. Im Unterschied zur Schizophrenie schreitet sie jedoch nicht prozesshaft fort und führt zu keinen schwerwiegenden intellektuellen Veränderungen. Heute stehen zur Behandlung der Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis effektive pharmakologische und rehabilitative Interventionen zur Verfügung.
Die historischen Quellen legen noch eine weitere Vermutung nahe. Bei der Autopsie Ludwigs im Jahr 1886 wurde eine deutliche Schrumpfung des Frontalhirns festgestellt. Förstl erläutert: "Betroffene zeigen häufig einen Persönlichkeitswandel mit Verlust von Selbstkritik und Einsicht, geistige Rigidität und ungebremste Impulsivität, aber auch emotionale Abstumpfung und Rückzug." Diese Erkrankung könnte jedoch nicht die über mehr als 20 Jahre bestehenden Verhaltensauffälligkeiten Ludwigs erklären, sondern nur eine zusätzliche Akzentuierung in den letzten Lebensjahren.
Frontotemporale Degeneration:
- Seltener als die Alzheimer Demenz
- Bei unter 65-jährigen die zweithäufigste Ursache für eine Demenz
- Charakterisiert durch Veränderungen von Verhalten und Persönlichkeit
- Die Erkrankung wird wegen der ungewöhnlichen Symptome auch heute meist nicht erkannt
Kontakt:
Klinikum rechts der Isar der TU München
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tanja Schmidhofer
Tel.: 089/4140 2046
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E-mail: schmidhofer@lrz.tum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Medizin, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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