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25.07.2000 00:00

Wer schön sein will, muss nicht mehr leiden

Dipl. Biol. Barbara Ritzert Pressearbeit
Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften

    Tiefe Mimikfalten können mit dem Bakteriengift Botulinum-Toxin-A geglättet werden. Auch eine Überproduktion von Schweiß lässt sich per "Giftspritze" drosseln. Dies belegen aktuelle Studienergebnisse, präsentiert auf der 17. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München.

    In geringen Dosierungen setzen Ärzte schon seit Jahren das natürlich vorkommende Bakteriengift Botulinum-Toxin-A ein, um bestimmte Muskelerkrankungen wie etwa einen Schiefhals zu bekämpfen. Bei der Substanz handelt es sich um ein Nervengift, das Muskeln lähmen und damit entspannen kann.

    Eine klinische Studie an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie der Ludwig-Maximilians-Universität München zeigt nun einen messbaren Erfolg nach Botulinumtoxin-Injektion. Seit 1998 prüfen die Münchner Hautärzte die Wirksamkeit der kurz BT-A genannten Substanz zur Behandlung von Stirn- und Augenfalten. Für die Anwendung einschließlich kontrollierter Nachbeobachtung wurden unter zahlreichen Bewerbern insgesamt 38 Frauen und 12 Männer ausgewählt.

    Die kosmetischen Ergebnisse sind vielversprechend. Sie werden durch eine digitale Video- und Bildanalyse objektiv gemessen und von Patienten und Gutachtern beurteilt. Auffallend ist allerdings: Patienten geben tendenziell bessere Noten als die Gutachter, weibliche Gutachter sind von den Erfolgen stärker beeindruckt als ihre männlichen Kollegen. "Bei unseren Untersuchungen haben wir festgestellt, dass die Muskelaktivität zu mindestens 60 Prozent ruhig gestellt werden muss, um einen sichtbaren Effekt zu erzielen", erklärt Studienleiter PD Dr. Marc Heckmann.

    Gesichtsmuskeln werden lahmgelegt

    Der Eingriff per Injektion erfordert keine Narkose, nicht einmal eine örtliche Betäubung. BT-A wird - im Gegensatz zu sogenannten Füllmaterialien wie Kollagen oder Hyaloronsäure - nicht direkt in die Hautfalten gespritzt, sondern in jene Gesichtsmuskeln, die die Mimik in dem betroffenen Gesichtsbereich kontrollieren. Es können daher nicht bedenkenlos alle Muskeln behandelt werden, sondern nur solche, deren Lähmung den Patienten nicht beeinträchtigt. Würde dies von behandelnden Ärzten nicht beachtet, könnte den Patienten das Lachen im wortwörtlichen Sinn vergehen.

    Nach zwei bis fünf Tagen sind die behandelten Muskeln, deren Anspannung die Faltenbildung verursacht hat, gelähmt. Die Patienten können sie nicht mehr bewegen. Im oberen Gesichtsdrittel können Ärzte so gezielt spritzen, dass tatsächlich nur noch das Zusammenziehen der Augenbrauen oder das Stirnrunzeln verhindert werden. Besonders geeignet ist die Methode daher zur Linderung von "Zorn"- und "Sorgenfalten" sowie der gefürchteten "Krähenfüße" um die Augen. Auch und gerade bei jüngeren Patienten mit nur einzelnen markanten Furchen auf der Stirn scheint die Methode besonders geeignet, da sie auch die weitere Entstehung von Falten in der Zukunft vermindern kann.

    Ist der Muskel einmal entspannt, kommen zusätzliche Glättungseffekte hinzu, das Bindegewebe kann sich besser aufbauen. Nach drei Monaten werden die Muskeln wieder aktiv. Der Eingriff ist somit völlig reversibel, aber die Wirkung entsprechend nur auf etwa drei Monate begrenzt.

    Überraschende "Nebenwirkung": Spannungskopfschmerz wird gelindert

    Injektionsbedingt können kurzzeitig Brennen, blaue Flecken oder Kopfschmerzen auftreten. Bei der Münchner "Falten-Studie" beobachteten die Ärzte jedoch auch eine positive Nebenwirkung: 15 Prozent der Patienten wurden in Folge der Behandlung nicht nur ihre Falten, sondern auch ihren Spannungskopfschmerz los.

    Auch Schweißgeplagte profitieren

    "Die klinischen Erfahrungen sind auch bei Schweißpatienten sehr überzeugend", resümiert Heckmann. Da das Gift die Weiterleitung von Nervenreizen im vegetativen Nervensystem blockiert, ist es auch zur Kontrolle einer übermäßigen Schweißproduktion einsetzbar. Darum erproben die Ärzte der Münchner Klinik seit fünf Jahren die Wirkung von Botulinum-Toxin auch bei Schweißpatienten. Dazu wird das Gift in die Haut der Achselhöhle gespritzt. Auch extrem feuchte Hände können mit der Spritze behandelt werden.

    Im Rahmen einer großen bundesweiten Studie an 24 Universitätskliniken wurden 160 Schweißpatienten behandelt und über ein Jahr hinweg nachbeobachtet. "Bislang wurde kein einziger Therapieversager festgestellt", lobt Heckmann die Behandlungsergebnisse. "Die Behandlung hält zunächst über sechs bis neun Monate an, ist sehr gut verträglich und wird von den Patienten sehr gut angenommen, danach ist in der Regel eine Wiederholungsbehandlung erforderlich".

    Nervengift und "Allheilmittel"

    In über hundert medizinischen Anwendungen hat sich Botulinum-Toxin in den letzten Jahren als erfolgreich erwiesen. Das Repertoire der Behandlungserfolge reicht buchstäblich von A wie Analfissur bis Z wie Zähneknirschen. Gleichwohl ist es nur in zwei Indikationen zugelassen: Schiefhals und Lidkrampf. "Bei allen anderen bisher entdeckten Indikationen kann der Arzt jedoch auf der Grundlage der bisherigen Erkenntnisse das Gift im Rahmen eines individuellen Behandlungsversuches einsetzen, wenn er die Therapie begründen kann und diese medizinisch geboten ist", weiß Heckmann.

    Rückfragen an:
    PD Dr. med. Marc Heckmann
    Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie
    der Ludwig-Maximilians-Universität München
    Frauenlobstraße 9-11
    80337 München
    Tel.: 089-5160-6391
    Fax: 089-5160-6392
    Email Marc.Heckmann@derma.med.uni-muenchen.de

    Pressestelle: Barbara Ritzert; ProScientia GmbH,
    Andechser Weg 17, 82343 Pöcking
    Tel.: 08157/93 97-0; Fax: 08157/93 97-97; e-mail: proscientia@t-online.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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