idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
28.07.2000 11:58

Neues Treibhausgas industriellen Ursprungs in der Atmosphäre gefunden

Dr. Peter Merlet Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Chemie

    Eine bisher in der Atmosphäre unbekannte chemische Substanz, das Trifluormethylschwefelpentafluorid (SF5CF3), hat eine internationale Forschergruppe entdeckt. SF5CF3 findet sich erst seit ca. fünfzig Jahren in nennenswerten Mengen in der Atmosphäre. Mit seiner extrem langen Lebensdauer und einem sehr hohen Absorptionsvermögen für Wärmestrahlung ist es ein weiteres, vom Menschen erzeugtes Treibhausgas. Der Anstieg dieses Gases in der Atmosphäre ist gekoppelt mit der Zunahme eines anderen, äußerst beständigen Gases, des Schwefelhexafluorids (SF6), was auf eine gemeinsame Quelle schließen lässt (Science, 28. Juli 2000). Die Entdeckung gelang Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz, der Universität East Anglia (Großbritannien), der Ford Motor Company (USA), der Universität Reading (Großbritannien), der Universität Frankfurt und vom British Antarctic Survey, Natural Environment Research Council in Cambridge (Großbritannien).
    Es gibt keinen Zweifel, dass das entdeckte Gas SF5CF3 industriellen Ursprungs ist oder in technischen Prozessen entsteht, bei denen industrielle Gase verwendet werden. Doch seine genaue Quelle ist bisher nicht bekannt. Fest steht nur, dass es chemisch eng verwandt mit Schwefelhexafluorid (SF6) ist. Die Wissenschaftler vermuten nun, dass das SF5CF3 bei Entladungen und Schaltvorgängen in Hochspannungsanlagen entsteht. SF6 findet Verwendung in elektrischen Schaltanlagen, um Funkenbildung zu unterdrücken, als Schutzgas bei Metallschmelzen, in Tennisbällen, Autoreifen oder sogar in Laufschuhen. Aufgrund seiner guten Isolierungseigenschaften wurde es auch in Schallschutzfenstern verwendet.
    Bei SF6 handelt es sich um ein starkes und sehr widerstandsfähiges Treibhausgas in der Atmosphäre. Die natürliche Selbstreinigungskraft der Lufthülle reicht nicht aus, um mit solchen "Supermolekülen" fertig zu werden. Deshalb wurde seine Produktion durch das Kyoto-Protokoll weltweit eingeschränkt. Doch das jetzt entdeckte Molekül SF5CF3 ist ein noch stärkeres Treibhausgas als SF6. Wegen seiner Größe absorbiert es Strahlung sehr effizient, noch dazu in einem bisher noch "offenen Fenster" des Strahlungsspektrums. So zeigt sein Infrarot-Absorptionsquerschnitt den größten Strahlungsantrieb an, der - auf das Molekül bezogen - bisher bei einem Molekül in der Atmosphäre gemessen wurde: 0.57 W/m2 ppb (parts per billion, ein Milliardstel Anteil).
    Trifluormethylschwefelpentafluorid (SF5CF3) hat, ähnlich wie Schwefelhexafluorid (SF6), eine außergewöhnlich lange Lebensdauer von mehr als tausend Jahren. Nur zum Vergleich: 1994 gab es allein von dem Fluorchlorkohlenwasserstoff CFK-12 mehr als 10 Millionen Tonnen in der Atmosphäre. Diese Menge geht inzwischen langsam zurück, nicht zuletzt, weil die Lebensdauer dieses Gases nur etwa 100 Jahre beträgt. Hingegen werden Trifluormethylschwefelpentafluorid (SF5CF3) und Schwefelhexafluorid (SF6) in absehbarer Zeit praktisch nicht aus der Atmosphäre verschwinden. Die Wissenschaftler wollen deshalb wissen, wie das Trifluormethylschwefelpentafluorid entsteht und welche Möglichkeiten es gibt, seine weitere Zunahme in der Atmosphäre zu stoppen.
    Entdeckt wurde das Trifluormethylschwefelpentafluorid bei der Feinanalyse von Luftproben, die aus dicken Firnschneeschichten in der Antarktis stammen. Diese Schneeschichten sind bis zu 100 Meter dick und enthalten Einschlüsse von Luft, die 50 und teilweise sogar 100 Jahre alt sind.Die Luftproben wurden im Max-Planck-Institut für Chemie und in Norwich (England) mit höchster Präzision analysiert. Dabei entdeckten die Forscher einen äußerst geringen Anteil des Gases SF5CF3. Sie stellten fest, dass seine Konzentration an der Schneeoberfläche dieselbe ist wie in der Atmosphäre. Sie beträgt dort etwa 0.1 ppt (parts per trillion; ein Billionstel Anteil). Hingegen lag das Trifluormethylschwefelpentafluorid in den Luftproben aus 100 Meter Schneetiefe nur in einer Konzentration nahe an der absoluten Messgrenze von 0.01 ppt vor, also fast bei Null. Der Anstieg der Konzentration dieses Gases erfolgte vor allem während der vergangenen fünfzig Jahre. Weil die Zunahme des neu entdeckten Gases ganz ähnlich der von Schwefelhexafluorid (SF6) verläuft, vermuten die Wissenschaftler eine Verbindung zwischen beiden Gasen.
    Carl Brenninkmeijer, Projektleiter vom Max-Planck-Institut für Chemie, erklärte dazu: "Die Entdeckung dieses bisher unbekannten Treibhausgases zeigt wieder einmal, dass wir vorsichtig mit unserer Atmosphäre umgehen müssen und dass weitere Forschung Not tut. Ohne es zu wissen, haben wir - zwar nur in kleinen Mengen - seit fast 50 Jahren ein starkes und sehr lang lebendes Treibhausgas freigesetzt. Wir müssen die Quelle dieses Gases finden und versuchen, seine Zunahme in der Atmosphäre zu bremsen. Wenn auch die Konzentrationen noch sehr gering sind und die Folgen für eine Klimabeeinflussung aus praktischen Gründen noch kein ernstes Problem darstellen, so ist doch diese weltweite Verschmutzung unerwünscht und sehr wahrscheinlich auch unnötig."
    Bisher konnte die genaue Quelle dieses Treibhausgases noch nicht bestimmt werden. Brenninkmeijer vermutet, andere, bisher noch unentdeckte Moleküle könnten an diesem Geschehen beteiligt sein. Nach seiner Meinung sollte sich die öffentliche Diskussion über die Entdeckung von Trifluormethylschwefelpentafluorid nicht nur auf dieses Treibhausgas konzentrieren: "Wir sollten das vielmehr auch als Warnung verstehen, dass menschliches Handeln in vielen Fällen globale Auswirkungen hat."

    Weiterführende Informationen erhalten Sie gern von
    Carl A.M. Brenninkmeijer
    Max-Planck-Institut für Chemie
    Postfach 3060
    55020 Mainz
    E-Mail: carlb@mpch-mainz.mpg.de
    Tel.: (+49 6131) 305 453
    Fax: (+49 6131) 371 436


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).