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31.07.2000 10:42

Georg Forster - Die Wiederentdeckung eines Genies

Ingrid Godenrath Stabsstelle Zentrale Kommunikation
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

    "Selbstaufklärung der Aufklärung" lautet seit Oktober 1998 ein Projekt, dem sich zur Zeit neun Mitarbeiter am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung (IZEA) an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg stellen. Dahinter verbirgt sich der Versuch, den tiefgreifenden Wandel zu erklären, den das Selbstverständnis der Aufklärung in der Mitte des 18. Jahrhunderts vollzogen hat. Eines seiner charakteristischen Entwicklungen ist die Fokussierung auf den Menschen und der kulturell geprägten Gesellschaft. Der Mensch und die Geschichte der Menschheit wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts erstmals umfassend vor der Schablone fremder Kulturen betrachtet. Umgekehrt wurde die Entwicklung fremder Völker vor dem Hintergrund der eigenen fortgeschrittenen Zivilisation analysiert. Die Geburtsstunde der Länder- und Völkerkunde hatte geschlagen.

    Als Begründer der modernen Völkerkunde, Ethnologie, gilt Georg Forster (1754 - 1794), der an der halleschen Alma mater 1785 über die Pflanzenwelt der Südsee promovierte. Sein bewegtes Leben, das im Zeichen der praxisbezogenen Aufklärung stand, ist eines der Forschungsgegenstände, dem sich Dr. Jörn Garber am IZEA widmet. Der Historiker, Germanist und Kunsthistoriker, stellte fest, dass die bisherige Forsterforschung erhebliche Lücken aufweise. "Die revolutionäre Betätigung Forsters verhinderte die umfassende Rezeption und angemessene Würdigung seines Lebenswerkes," so Garber. "Besonderes Interesse verdienen die Zusammenhänge zwischen seinen naturwissenschaftlichen Ansichten und Erkenntnissen und denen seiner Zeit sowie zu seinen philosophischen und gesellschaftspolitischen Gedanken."

    Durch zwei bedeutende Erlebnisse sind Forsters Weltbild und Erkenntnisweise geprägt. Der damals 18-Jährige begleitete seinen Vater, Johann Reinhold Forster, später hallescher Professor, auf der zweiten Weltreise von James Cook, 1772 bis 1775. Für die Forsters wurde die Reise um die Welt eine Reise in vergangene Zeiten. Sie sahen Völker, die auf unterschiedlichen Niveaus der menschlichen Entwicklung standen. Im Reisebericht des jungen Forsters schlugen sich diese Erfahrungen als humanistisch geprägte Gesellschaftstheorie von der Entwicklung der Menschheit wider. Gegen Rousseaus Idealisierung des Naturzustandes hält Forster die Kultur für einen wichtigen Bestandteil der harmonischen Ausbildung aller menschlichen Anlagen. Der äußere Kontakt mit den Völkern ist der Impuls für ihre innere, kulturelle Entwicklung.

    Interkulturelle Kommunikation führt zu einer Spirale der Entwicklung, ohne auf Unterwerfung oder Anpassung hinauszulaufen. Dieser Prozeß dient der Entfaltung der Menschheit.
    Über verschiedene Lebensstationen hinweg vollzog sich der Übergang vom Naturforscher zum politischen Theoretiker. Forster blieb nicht nur Gelehrter, sondern wurde aktiv, als 1790/ 91 die revolutionären Ereignisse in Frankreich ihre Schatten auf die benachbarte Kurstadt Mainz warfen. Seit 1778 lebte er in dieser Stadt, zu einer Zeit als man sie noch "Nabel der Welt" nannte. Für einen Augenblick der Geschichte wurde sie es, als Mainz den Aufstand probte und sich als Freie Republik konstituierte. Forster wurde 1792 eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Mainzer Republik und überbrachte Frankreich das Anschlußverlangen der linksrheinisch-deutschen Gebiete. Wenige Monate später war die Epoche des Rheinisch-Deutschen Freistaates so abrupt beendet, wie sie begonnen hatte. Forster mußte dem deutschen Territorium fern bleiben und starb wenige Jahre später, 1794, vereinsamt in Paris.
    Seinen Vorstellungen von einer menschenwürdigen Zukunft blieb er immer treu. Diese Zukunft, das Zeitalter der Humanität, könne nur durch eigenes Handeln herbeigeführt werden. Georg Forster erstrebte eine gesellschaftliche Ordnung glücklicher, tätiger und freier Menschen. Forsters Leben liest sich wie ein "Handbuch" der Aufklärung.
    Sein Werk zählt zu den bisher noch wenig erforschten, impulsgebenden Entwicklungen der europäischen Spätaufklärung, die im Mittelpunkt der Arbeit des IZEA in Halle stehen.

    Bianca Bast

    Nähere Auskünfte:
    Dr. Jörn Garber
    Interdisziplinäres Zentrum für die
    Erforschung der Europäischen Aufklärung
    Franckeplatz 1, Haus 54
    06110 Halle (Saale)
    Tel.: (03 45) 5 52 17 73
    Fax: (03 45) 5 52 72 52
    e-mail: gruen@izea.uni-halle.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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