Gemeinsame Pressemitteilung des Forschungszentrums Karlsruhe in der
Helmholtz-Gemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft
Weltweit erstmals ist es Forschern aus Karlsruhe und Stuttgart gelungen, Moleküle bei der Selbstorganisation direkt zu beobachten
Wie verhalten sich die molekularen Bausteine des Lebens beim Übergang vom Chaos zur Ordnung? Neue Antworten auf diese Schlüsselfrage der Evolution gibt die gemeinsame Studie zweier Forschergruppen der Max-Planck-Gesellschaft und des Forschungszentrums Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft. In der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" zeigen die Wissenschaftler, wie sich aus chaotischen Mischungen von organischen Molekülen hoch geordnete Strukturen formieren. Erstmals konnten dabei Schlüsselmechanismen wie Selbsterkennung, aktive Selektion und Fehlerkorrektur direkt und im Detail beobachtet werden. Dieser Einblick in die Prozesse der molekularen Selbstorganisation gibt wichtige Impulse für das Verständnis der biologischen Evolution. Darüber hinaus lässt er sich für das nanotechnologische Design gänzlich neuartiger Materialien und Komponenten nutzbar machen.
Das spontane Entstehen von Ordnung aus zufälligen Gemischen unbelebter, meist molekularer Bausteine heraus ist ein Schlüsselschritt in der Evolution biologischer Materialien. Gesteuert wird diese Selbstorganisation der Materie von den spezifischen Eigenschaften der nur wenige Nanometer großen Moleküle (1 Nanometer = 1 Milliardstel Meter). In der "Kommunikation" der Moleküle wirken diese Eigenschaften wie elementare Algorithmen, die, ähnlich wie in einem Computerprogramm, "ausgelesen" werden können. "Die Fähigkeit von Molekülen, sich über Schlüsselprozesse wie aktive Selektion, Selbsterkennung und Fehlerkorrektur zu hoch organisierten Strukturen zu ordnen, ist eine grundlegende Voraussetzung für die Bildung molekularer Systeme bis hin zu biologischen Organismen wie Zellen oder Membranen", sagt Klaus Kern, Direktor der Abteilung für Nanowissenschaft am Max-Planck-Institut für Festkörperforschung in Stuttgart.
Die Gruppe um Klaus Kern platzierte die Moleküle auf hochreinen Kupferoberflächen und erhitzte die Mischung, um die Beweglichkeit der Bausteine sicherzustellen. "Die Molekülbewegung auf der Oberfläche hat den Vorteil, dass wir die nanoskaligen molekularen Anordnungen mithilfe modernster, höchstempfindlicher Mikroskopieverfahren direkt wahrnehmen können", erläutert Alexander Langner vom Stuttgarter Max-Planck-Institut die Versuchsanordnung. Die Erzeugung derart winziger Anordnungen, die zum Teil 50 000 mal kleiner sind als ein Haar, ist keine einfache Aufgabe: "Mit konventionellen Verfahren wäre die Fertigung außerordentlich teuer und aufwändig gewesen", sagt sein Kollege Steven Tait. "Unsere Strategie besteht darin, von uns 'programmierte' Bausteine zu verwenden, die sich dann in Eigenregie zu den gewünschten Strukturen anordnen."
Für die Planung dieses Selbstorganisationsprozesses war die Karlsruher Forschergruppe um Mario Ruben, Gruppenleiter am Institut für Nanotechnologie des Forschungszentrums Karlsruhe, verantwortlich. Durch gezieltes Design "programmierten" die Helmholtz-Wissenschaftler die Moleküle mit denjenigen Informationen, die im Selbstorganisationsprozess zum Zuge kommen sollten. "Eine gezielte, sich selbst organisierende Ordnung chaotischer Molekülgemische gelingt nur dann", so Mario Ruben, "wenn die in die Moleküle eingebauten Programme sorgfältig angelegt und überdies robust genug sind, um die Mechanismen der Selbstselektion, der Selbsterkennung und der aktiven Fehlerkorrektur in Gang zu setzen." Das in der Studie erfolgreich erprobte, der Natur abgeschaute Design von Molekülen gibt wichtige Impulse für das Verständnis der biologischen Evolution. Darüber hinaus eröffnet es vielversprechende Möglichkeiten einer programmierbaren Manipulation der Materie auf molekularer Ebene mitsamt der darauf aufbauenden Fertigung gänzlich neuartiger Materialien und Komponenten.
Die Online-Version der Studie von Alexander Langner, Steven Tait, Nian Lin, Klaus Kern (alle MPI für Festkörperforschung Stuttgart) sowie Chandrasekar Rajadurai und Mario Ruben (beide Forschungszentrum Karlsruhe) kann ab Dienstag, den 30. Oktober unter http://www.pnas.org/papbyrecent.shtml abgerufen werden.
Das Forschungszentrum Karlsruhe ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 26.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894). www.helmholtz.de
Justus Hartlieb 29. Oktober 2007
Weitere Informationen
Prof. Dr. Klaus Kern
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart
Tel.: +49 (0) 711 689-1660
E-Mail: k.kern@fkf.mpg.de
www.fkf.mpg.de/kern
Dr. Mario Ruben
Forschungszentrum Karlsruhe GmbH
Tel.: +49 (0) 7247 82-6781
E-Mail: mario.ruben@int.fzk.de
www.ruben-group.de
Dr. Steven Tait
Max-Planck-Institut für Festkörperforschung, Stuttgart
Tel.: +49 (0) 711 689-1617
E-Mail: tait@fkf.mpg.de
www.fkf.mpg.de/kern
Diese Presseinformation ist auch im Internet unter der Adresse des Forschungszentrums Karlsruhe abrufbar: www.fzk.de/presse
Dort können Sie auch das Farbfoto in guter Auflösung herunterladen.
Schnappschuss der Evolution: Die mit modernster Tunnelmikroskopie erstellte Aufnahme zeigt die Selbs ...
Bild: Forschungszentrum Karlsruhe und Max-Planck-Institut FKF Stuttgart
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Schnappschuss der Evolution: Die mit modernster Tunnelmikroskopie erstellte Aufnahme zeigt die Selbs ...
Bild: Forschungszentrum Karlsruhe und Max-Planck-Institut FKF Stuttgart
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