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07.08.2000 09:23

Eine neue Elfenbeinskulptur aus der Zeit vor 30.000 Jahren

Michael Seifert Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Aktuelle Grabungsergebnisse aus dem Hohle Fels bei Schelklingen

    Die fünfmonatigen Ausgrabungen des Jahres 1999 und die aktuellen Geländearbeiten am Hohle Fels unter der Leitung von Prof. Nicholas J. Conard und Prof. Hans-Peter Uerpmann am Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters, Abteilung Ältere Urgeschichte und Quartärökologie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen haben wie die Grabungskampagnen der zurückliegenden Jahre bedeutende Ergebnisse erbracht. Die Höhle liegt im Achtal bei Schelklingen. Ihre Erforschungsgeschichte reicht bis in das 19 Jh. zurück und ist eng mit der Universität Tübingen verknüpft.

    Aus den Schichten des frühen Jungpaläolithikums wurde ein Pferdekopf aus Elfenbein gebor-gen. Dieses fragmentarisch erhaltene Kunstwerk konnte mittels der 14C-Methode auf 30.000 Jahre vor heute datiert werden und gehört damit zum Fundkomplex der ältesten bekannten Kunst. Neben den Tübinger Grabungen am Vogelherd (1931 von Prof. Gustav Riek), Hohlen-stein-Stadel (1939 von Prof. Robert Wetzel und Otto Völzing) und Geißenklösterle (1970er und 1980er Jahre von Prof. Joachim Hahn) ist jetzt der Hohle Fels erst der vierte Fundplatz Südwestdeutschlands, der Skulpturen aus der Zeit des frühen Jungpaläolithikums geliefert hat. Diese Höhlenfundstellen legen ein einzigartiges Zeugnis aus der Zeit um 30.000 vor heute ab und belegen eine beinahe revolutionäre kreative Phase der Innovation auf der Schwäbischen Alb in einer Zeit, in der die ersten modernen Menschen (Homo sapiens sapiens) nach Europa kamen und in weiten Teilen Europas, z.B. in Portugal, Spanien, Kroatien, auf der Krim und im Kaukausus, noch Neandertaler lebten.

    Neben der Pferdeplastik wurden am Hohle Fels während der Grabungen der Jahre 1999 und 2000 annähernd 10.000 weitere Fundstücke entdeckt. Diese Grabungskampagnen erfassen vornehmlich die Gravettien-Besiedlung der Höhle (vor ca. 29.000 Jahren). Die Gravettien-schichten im Hohle Fels sind besonders gut erhalten und maximal 80 cm mächtig. Durch eine ca. 5 cm dicke Aschelage, dem Horizont 3cf, läßt sich das Gravettien in mindestens 3 stra-tigraphische Einheiten trennen, nämlich die Funde oberhalb, innerhalb und unterhalb der A-schelage. Steinartefafakte sind im Gravettien sehr häufig. Das Rohmaterialspektrum setzt sich aus verschiedenen Jurahornsteinvarietäten, Radiolarit, tertiärem Silex vom Randecker Maar und Keuperhornstein zusammen. Jaspis vom Oberrhein und Plattenhornstein aus Bayern belegen größere Fernverbindungen nach Westen und Osten. Im Werkzeugspektrum kommen mehrere Gravette-Spitzen und das Fragment einer Font-Robert-Spitze vor.

    Zusammen mit den Steinartefakten sind zahlreiche Faunenreste gefunden worden. Insgesamt ließen sich am Hohle Fels bislang 19 verschiedene eiszeitliche Tierarten nachweisen. In allen Fundschichten sind Reste des Höhlenbären wichtig, der die Höhle als Winterquartier nutzte. Während im Gravettien Reste von Pferd und Mammut besonders zahlreich sind, bleibt das Pferd im Magdalénien (vor ca. 13.000 Jahren) eine wichtige Jagdbeute. Demgegenüber geht das Ren in seiner Bedeutung zurück. Auch im Hinblick auf die jahreszeitliche Besiedlung des Hohle Fels gibt es bereits Ergebnisse. Sowohl im Gravettien, als auch im Magdalénien wurde die Höhle hauptsächlich im Winter aufgesucht, was an Knochen junger Mammute sowie an Pferdeföten und anhand von Analysen zu den Zahnaltern dieser Tierart erwiesen werden konnte.

    Neben Tierknochen und Steinartefakten fanden sich während der aktuellen Grabungen auch wieder besondere Objekte aus organischen Rohmaterialien, wie z.B. 2 Lochstäbe, ein verzierter Steinretuscheur und zahlreiche Schmuckobjekte, z.B. Perlen aus Elfenbein. Diese besonderen Funde unterstreichen die Bedeutung der Fundstelle Hohle Fels als einen zentralen und längerfristig besiedelten Höhlenfundplatz.

    In den kommenden Jahren ist es vorgesehen, die Grabungen am Hohle Fels fortzusetzen und in Schichten des frühen Jungpaläolithikums vorzudringen. Das frühe Jungpaläolithikum ist im Hohle Fels bislang nur in einer kleinen Sondage nachgewiesen. Von den zukünftigen Gra-bungen erwartet man einen wichtigen Beitrag zur näheren Charakterisierung dieser für die erste Besiedlung Europas durch den modernen Menschen so interessanten Phase. Es ist nicht auszuschließen, dass im Liegenden der Stratigraphie auch Fundschichten aus der Übergangsphase von Mittel- und Jungpaläolithikum aufgeschlossen werden können.

    Das Ausgrabungsteam dankt an dieser Stelle den Institutionen, die die Grabungen am Hohle Fels unterstützt haben: Deutsche Forschungsgemeinschaft, Sonderforschungsbereich 275 der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Fa. Heidelberger Zement, Stadt und Museumsgesell-schaft Schelklingen, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg sowie Gesellschaft für Urge-schichte (Blaubeuren).

    Nähere Informationen:
    Prof. Dr. Nicholas Conard
    Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters
    Tel: 07071/2972416
    nicholas.conard@uni-tuebingen.de

    Bildmaterial unter: http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/highlight.html


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-tuebingen.de/uni/qvo/highlight.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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