Entzuendete Gelenke durch schlecht erzogene Immunzellen?
Rheumatische Erkrankungen der Gelenke belasten die Menschheit seit jeher. Weltweit sind etwa zwei bis fuenf Prozent der Bevoelkerung von diesen schwer heilbaren Leiden betroffen. Fast immer fuehrt eine rheumatoide Arthritis zur Zerstoerung des Gelenkes, so dass ein kuenstlicher Ersatz noetig wird. Die Ursache dieser Krankheit ist trotz intensiver Forschung bislang ungeklaert.
Seit etwa fuenf Jahren besteht an der Universitaet Wuerzburg eine Arbeitsgruppe aus Pathologen und Orthopaeden, die dem Geheimnis der rheumatoiden Arthritis auf der Spur ist: Die Wissenschaftler um Dr. Veit Krenn und Prof. Dr. Hans Konrad Mueller-Hermelink vom Pathologischen Institut sowie um Dr. Achim Koenig vom Lehrstuhl fuer Orthopaedie werden dabei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefoerdert.
Im Zentrum der rheumatoiden Arthritis steht ein entzuendlicher Befall der Gelenksinnenhaut. Diese stellt sich bei gesunden Menschen als zarter, glaenzender, membranartiger Belag dar, der den Gelenksknorpel umgibt und ernaehrt. Dagegen ist diese Haut bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zottig aufgetrieben und von duester roter Farbe. Eine solche Gelenksinnenhaut kann den Knorpel nicht mehr ernaehren - zudem greift sie ihn an und zerstoert ihn.
Was fuehrt zur Umwandlung der Innenhaut zu einem aggressiven Gewebe? Wie wird sie von einem ernaehrenden zu einem zerstoerenden Organ? Das sind die wichtigsten Fragen, welche die Wuerzburger Wissenschaftler beantworten wollen.
Dazu haben sie zuerst den feingeweblichen Aufbau der Gelenksinnenhaut untersucht: Bei Patienten mit rheumatoider Arthritis zeigen sich zahlreiche Entzuendungszellen in den Zotten der Gelenksinnenhaut. Oft liegen diese Entzuendungszellen in dicht gepackten Knoetchen vor. Es ist bekannt, dass in solchen Knoetchen die Erziehung von Immunzellen stattfindet. Genauer gesagt handelt es sich um Antikoerper produzierende B-Lymphozyten. Die Wuerzburger Forscher vergleichen diese Erziehungsstaetten fuer Lymphozyten mit einer sehr strengen Schule, in der aber manche Kandidaten nicht richtig erzogen werden. Das ist offenbar auch bei Patienten mit rheumatoider Arthritis der Fall, weil sich deren Lymphozyten ja gegen koerpereigenes Gewebe richten.
Die Wuerzburger Arbeitsgruppe versucht nun, diese falsch erzogenen, aggressiven B-Lymphozyten aus dem Gewebe auszugliedern und zu befragen: Welche Gene haben euch dazu veranlasst, koerpereigenes Gewebe anzugreifen? Gegen welche Bestandteile des koerpereigenen Gewebes richtet sich eure Aggression? Diese Befragung ist schwierig, weil die aggressiven B-Lymphozyten unter Kulturbedingungen nur begrenzt leben. Deshalb werden sie mit Zellen verschmolzen, die unsterblich sind - eine Eigenschaft, die von nun an auch die B-Lymphozyten besitzen.
Die Arthritis-Forscher untersuchen nun die Gene der unsterblich gemachten B-Lymphozyten, die fuer die Bildung von Antikoerpern verantwortlich sind. Antikoerper sind Eiweissstoffe, die bestimmte Fremdkoerper eindeutig erkennen koennen. An die Untersuchung der fuer die Antikoerperbildung wichtigen Gene schliesst sich die Untersuchung der Antikoerper selbst an. Das Ziel: Die Wissenschaftler wollen herausfinden, gegen welche Proteine sich diese Antikoerper richten.
Bis jetzt steht fest: In den aggressiven, schlecht erzogenen B-Lymphozyten sind nur bestimmte Gengruppen aktiv. Und was die Antikoerper angeht: Sie sind gegen Proteine gerichtet, die im koerpereigenen Gewebe, aber auch auf der Oberflaeche von Bakterien zu finden sind. Das koennte bedeuten, wie die Wuerzburger Forscher mutmassen, dass der Kontakt mit einem Bakterium beim Menschen eine immunologische Antwort ausgeloest hat, die sich nicht nur gegen die Bakterien, sondern gleichzeitig gegen koerpereigenes Gewebe richtet. Somit koennte die rheumatoide Arthritis als eine immunologische Unachtsamkeit schlecht erzogener B-Lymphozyten betrachtet werden.
Was bringen diese Erkenntnisse den Patienten? Falls es sich bewahrheiten sollte, dass die B-Lymphozyten von Patienten mit rheumatoider Arthritis nur bestimmte Gene fuer die Antikoerperproduktion verwenden, koennte dies als ein diagnostisches Kriterium fuer die Erkrankung herangezogen werden. Der Vorteil einer solchen Diagnose: Die Erkrankung koennte schon in fruehen Stadien erfasst und eine Therapie fruehzeitig eingeleitet werden, um der beginnenden Gelenkszerstoerung Einhalt zu gebieten.
Kontakt: Dr. Veit Krenn, Telefon (0931) 201-3792, Fax (0931) 201-3440, E-Mail: path045@mail.uni-wuerzburg.de oder Dr. Achim Koenig, Telefon (0931) 803-1, E-Mail: okkl054@mail.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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