Um die Erwerbs- und die Familienarbeit gerechter zwischen Männern und Frauen aufzuteilen, reicht es nicht, auf die "Wahlfreiheit" von Eltern zu setzen. Im Gegenteil: Erfahrungen aus Nordeuropa zeigen, dass unter diesem Motto eingeführte Betreuungsgeldsysteme eine traditionelle Rollenverteilung fördern. Sie wirkten daher als "Hemmnis für die Gleichberechtigung der Geschlechter", schreiben Prof. Anne Lise Ellingsaeter und Prof. Arnlaug Leira in der aktuellen Ausgabe der WSI-Mitteilungen. Dagegen hätten der Ausbau von öffentlichen Einrichtungen zur Kinderbetreuung und die Einführung von Vätermonaten beim Erziehungsurlaub wesentlich zu den messbaren Erfolgen der Gleichstellungs- und Familienpolitik in Skandinavien beigetragen: "Die hohe Frauenerwerbstätigkeit, relativ hohe Geburtenziffern und die wachsende Beteiligung nordischer Väter an der Kinderbetreuung sind Gründe für einen optimistischen Blick in die Zukunft."
Ellingsaeter und Leira, Soziologieprofessorinnen an der Universität Oslo, haben die arbeits- und familienpolitischen Reformen in Dänemark, Schweden, Finnland und Norwegen untersucht. Auch in den nordischen Staaten stehen sich mittlerweile zwei Modelle gegenüber: Einerseits das Konzept der gleichberechtigten Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit. Andererseits das eher konservative Modell, das für sich beansprucht, die "Wahlfreiheit der Eltern" zu fördern. Es zielt auf die Bezuschussung elterlicher Betreuungsarbeit ab und ist in der Theorie geschlechtsneutral formuliert: Die Eltern sollen selbst entscheiden, wie sie die Betreuung in der Familie organisieren.
Die Basis, auf der die nordischen Länder aufbauen, sind die Reformen der 70er Jahre, an denen sozialdemokratische Regierungen einen großen Anteil hatten. Sie bauten die beiden Säulen "bezahlter Elternurlaub" und "staatlich geförderte Kindertagesbetreuung". Die Beschäftigungsquoten von Frauen im Familienalter stiegen auf gut 80 Prozent. Doch solange die Eltern die Wahl hatten, wer den Erziehungsurlaub beansprucht, nahmen ihn fast nur die Mütter. Die Forscherinnen sehen ein Problem darin, dass das Konzept der "Wahlfreiheit" auf unzutreffenden Annahmen beruht. Es geht davon aus, dass komplett autonome Akteure in allen Lebenslagen freie Entscheidungen treffen können. Ökonomische und soziale Zwänge würden nicht berücksichtigt.
Eine echte Innovation stellte nach Analyse der Wissenschaftlerinnen die Einführung eines den Vätern vorbehaltenen Elternurlaubs dar - die so genannte Väterquote. Diese Regelung wurde zuerst 1993 in Norwegen eingeführt, 1994 folgte Schweden, 1997 Dänemark. Finnland hat die Väterquote seit 2003. Die nordischen Staaten gingen dann aber unterschiedliche Wege. Während Schweden die Väterquote auf zwei Monate verlängert hat, schaffte Dänemark sie bald wieder ab. Das Ergebnis: Schwedische Väter nahmen 2004 rund 20 Prozent des Gesamtelternurlaubs in Anspruch, dänische dagegen nur fünf. Die Quotenregelung könne helfen, auch für Väter neue Normen von Männlichkeit auszuprägen, schreiben die Autorinnen: zum Beispiel die, dass väterliche Kleinkindpflege zur Normalität wird.
In Finnland und Norwegen gibt es seit 1990 beziehungsweise 1998 die Möglichkeit für Eltern, eine finanzielle Zuwendung zu bekommen, wenn sie die staatlichen Kinderbetreuungsangebote nicht nutzen. In Finnland liegt diese Zuwendung bei rund 300, in Norwegen bei rund 400 Euro. Sinkende beziehungsweise stagnierende Beschäftigungsquoten zeigen: Diese Regelungen führen dazu, dass die Frauen eher zu Hause bleiben. Vor allem in Finnland arbeiten Mütter mit Kindern weniger. Allerdings scheinen hier auch weitere Faktoren wie die problematische Situation auf dem Arbeitsmarkt die Wahl der Eltern zu beeinflussen - in diesem Fall so, dass sie sich für traditionelle Strukturen entscheiden.
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