idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
16.11.2007 15:35

"Bioenergie macht Bier nicht teurer"

Florian Klebs Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Hohenheim

Antworten aus der Wissenschaft: Dr. Hans Oechsner, Agrartechniker an der Universität Hohenheim, zu Preissteigerungen bei Lebensmitteln und der Rolle der Bioenergie

Anbauflächen sind begrenzt, wird für Bioenergie angepflanzt, bleibt kein Platz für Nahrungsmittelanbau. Als Folge werden Milch und Brot derzeit teurer. Richtig?

Dr. Oechsner: Nein, das wäre zu kurz gegriffen. Ursachen sind viel mehr weltweite Ereignisse, das heißt schlechte Ernten und die veränderten Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern wie Indien und China. Hauptproblem in Deutschland sind jedoch der jahrelange Preisverfall, den wir vor dem jetzigen Preisanstieg erlebt haben. Die angebliche Krise ist also hausgemacht.



Das müssen Sie erklären.

Dr. Oechsner: Für einen Doppelzentner Getreide bekommen Sie derzeit 17 bis 18 Euro - das ist das gleiche Preisniveau wie vor 30 Jahren.: Der Getreidepreis war in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gefallen. Das Preistief war vor ca. 2 Jahrenmit maximal 10 Euro für den Doppelzentner erreicht. Bei diesen Preisen gab es keinen Anreiz, in Züchtung oder Anbau zu investieren - und das rächt sich jetzt. Bei den derzeit angestiegenen Preisen für die Produkte, besteht nun wieder mehr Investitionsanreiz. Und das betrifft natürlich nicht nur die deutsche Landwirtschaft, sondern auch in besonderem Maße z.B. die neuen EU-Staaten.



Und wie wirken sich globale Ereignisse aus?

Dr. Oechsner: Wegen Dürre erlebt Australien seit mehreren Jahren Missernten, die Getreide im asiatischen Raum knapp werden lassen. Hinzu kommen veränderte Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern: Die Nachfrage an tierischen Produkten wie Milch und Fleisch steigt, um ein Kilo Fleisch zu erzeugen brauche ich aber 3 Kilo Futtergetreide und auch das treibt die Preise am Weltmarkt in die Höhe.



Dann hat die Bioenergie also keinerlei Schuld am Preisanstieg?

Dr. Oechsner: In Deutschland ist ihr Einfluss minimal. Von bundesweit grob 11 Mio Hektar Ackerland werden laut aktuellen Zahlen der Bundesregierung nur 400.000 Hektar für Biogas, 250.000 ha für Zucker und Stärke zur Bioethanolproduktion und 1.120.000 Hektar für Biodiesel genutzt. Das sind nur ca. 15 % der Ackerfläche Deutschlands. Gleichzeitig mussten bisher, 10 Prozent der Ackerflächen still gelegt werden- dort durften Sie also keine Nahrungsmittel, wohl aber Energiepflanzen anbauen. Bioenergie kann also nicht für den Preisanstieg für Lebensmittel verantwortlich gemacht werden.



Schauen wir über den Tellerrand: Besteht nicht trotzdem die Gefahr, dass landwirtschaftlich orientierte Länder die Nahrungsmittelproduktion vernachlässigen, um Bioenergie für die Industriestaaten zu produzieren?

Dr. Oechsner: Für ein vertretbares Nebeneinander von Lebensmittel und Bioenergie muss sicher die Effizienz der Pflanzenproduktion gesteigert werden. Dass das sehr gut möglich ist, zeigt zum Beispiel Russland: Früher Importeur, heute in der Lage zu exportieren. Auch in Polen oder Rumänien werden weite Flächen äußerst extensiv genutzt, weil es keinen Anreiz gab, in die Produktion zu investieren.



Sie vertreten eine Intensivierung der Landwirtschaft. Gerade das ist aber auch eine Kritik an der Bioenergie: Das sie hochintensive Monokulturen erzeugt, die ökologisch problematisch sind?

Dr. Oechsner: Hier sind durchaus Kompromisse möglich. Weltweit gibt es aber auch noch Nischen, die noch gar nicht erschlossen sind: Organische Abfälle könnten genutzt werden und gerade in Entwicklungsländern fallen Stoffe an, die energetisch genutzt werden können, aber nicht werden - dazu gehören auch häusliche Abwässer oder Klärschlamm. Für solche Einsatzideen gibt es leider häufig noch wenig Bewußtsein. Ein weiterer Punkt: Die Ausbeute der Energienanlagen sollte gesteigert werden. In Biogasanlagen wird meist nur Strom produziert, die Wärme wird häufig gar nicht oder nur zum Teil genutzt. Alternativ könnte das Gas gereinigt und ins Netz eingespeist oder komprimiert und als Treibstoff verkauft werden. Letztlich bleibt es aber immer eine Güterabwägung, was auf dem Acker angebaut wird.



Wieso?

Dr. Oechsner: Die Gesellschaft muss wissen, welchen Wert für Sie Nahrung, Landschaftsschutz Kulturlandschaften und Energie haben. Bislang ist der Stellenwert von Nahrung in der Gesellschaft immer noch zu gering. Selbst der aktuelle Weizenpreis von 18 Euro pro Doppelzentner liegt unter dem energetischen Wert von Weizen von mehr als 25 Euro. Es bleibt also billiger, mit Weizen zu heizen, als Brot daraus zu backen.

Fragen: Sandra Leppin

Kontakt:
Dr. Hans Oechsner, Universität Hohenheim, Landesanstalt für Landwirtschaftliches Maschinen- und Bauwesen
Tel.: 0711 459-22683, E-mail: oechsner@uni-hohenheim.de


Bilder

Ergänzung vom 16.11.2007

Anbauflächen sind begrenzt, wird für Bioenergie angepflanzt, bleibt kein Platz für Nahrungsmittel-Anbau. Als Folge werden Milch und Brot derzeit teurer. Richtig?

Dr. Oechsner: Nein, das wäre zu kurz gegriffen. Ursachen sind vielmehr weltweite Ereignisse, das heißt, schlechte Ernten und die veränderten Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern wie Indien und China. Hauptproblem in Deutschland ist jedoch der jahrelange Preisverfall, den wir vor dem jetzigen Preisanstieg erlebt haben. Die angebliche Krise ist also hausgemacht.



Das müssen Sie erklären.

Dr. Oechsner: Für einen Doppelzentner Getreide bekommen Sie derzeit 17 bis 18 Euro - das ist das gleiche Preisniveau wie vor 30 Jahren: Der Getreidepreis war in den vergangenen Jahrzehnten kontinuierlich gefallen. Das Preistief war vor ca. zwei Jahren mit maximal 10 Euro für den Doppelzentner erreicht. Bei diesen Preisen gab es keinen Anreiz, in Züchtung oder Anbau zu investieren - und das rächt sich jetzt. Bei den derzeit angestiegenen Preisen für die Produkte besteht nun wieder mehr Investitionsanreiz. Und das betrifft natürlich nicht nur die deutsche Landwirtschaft, sondern auch in besonderem Maße zum Beispiel die neuen EU-Staaten.



Und wie wirken sich globale Ereignisse aus?

Dr. Oechsner: Wegen Dürre erlebt Australien seit mehreren Jahren Missernten, die Getreide im asiatischen Raum knapp werden lassen. Hinzukommen veränderte Ernährungsgewohnheiten in Schwellenländern: Die Nachfrage an tierischen Produkten wie Milch und Fleisch steigt. Um ein Kilo Fleisch zu erzeugen, braucht man aber drei Kilo Futtergetreide, und auch das treibt die Preise am Weltmarkt in die Höhe.



Dann hat die Bioenergie also keinerlei Schuld am Preisanstieg?

Dr. Oechsner: In Deutschland ist ihr Einfluss minimal. Von bundesweit grob elf Millionen Hektar Ackerland werden laut aktuellen Zahlen der Bundesregierung nur 400.000 Hektar für Biogas, 250.000 Hektar für Zucker und Stärke zur Bioethanolproduktion und 1.120.000 Hektar für Biodiesel genutzt. Das sind nur ca. 15 Prozent der Ackerfläche Deutschlands. Gleichzeitig mussten bisher zehn Prozent der Ackerflächen still gelegt werden - dort durften die Landwirte also keine Nahrungsmittel, wohl aber Energiepflanzen anbauen. Bioenergie kann also nicht für den Preisanstieg von Lebensmittel verantwortlich gemacht werden.



Schauen wir über den Tellerrand: Besteht nicht trotzdem die Gefahr, dass landwirtschaftlich orientierte Länder die Nahrungsmittelproduktion vernachlässigen, um Bioenergie für die Industriestaaten zu produzieren?

Dr. Oechsner: Für ein vertretbares Nebeneinander von Lebensmittel und Bioenergie muss sicher die Effizienz der Pflanzenproduktion gesteigert werden. Dass das sehr gut möglich ist, zeigt zum Beispiel Russland: Früher Importeur, heute in der Lage zu exportieren. Auch in Polen oder Rumänien werden weite Flächen äußerst extensiv genutzt, weil es keinen Anreiz gab, in die Produktion zu investieren.



Sie vertreten eine Intensivierung der Landwirtschaft. Gerade das ist aber auch eine Kritik an der Bioenergie: dass sie hochintensive Monokulturen erzeugt, die ökologisch problematisch sind?

Dr. Oechsner: Mit Steigerung der Produktivität meine ich eine nachhaltige Pflanzenproduktion mit regelmäßigem Fruchtwechsels, die auf keinen Fall nur auf der Basis von Monokulturen betrieben werden darf. Weltweit gibt es aber auch Nischen, die noch gar nicht erschlossen sind: So könnten zum Beispiel organische Abfälle verwendet werden. Und gerade in Entwicklungsländern fallen oft Stoffe mit energetischem Potential an, die aber nicht genutzt werden - dazu gehören auch häusliche Abwässer oder Klärschlamm. Für solche Einsatzideen gibt es häufig leider noch wenig Bewusstsein. Ein weiterer Punkt: Die Ausbeute der Energienanlagen sollte gesteigert werden. In Biogasanlagen wird meist nur Strom produziert, die Wärme wird häufig gar nicht oder nur zum Teil genutzt. Alternativ könnte das Gas gereinigt und ins Netz eingespeist oder komprimiert und als Treibstoff verkauft werden. Letztlich bleibt es aber immer eine Güterabwägung, was auf dem Acker angebaut wird.



Wieso?

Dr. Oechsner: Die Gesellschaft muss wissen, welchen Wert für sie Nahrung, Landschaftsschutz, Kulturlandschaften und Energie haben. Bislang ist der Stellenwert von Nahrung in der Gesellschaft immer noch zu gering. Selbst der aktuelle Weizenpreis von 18 Euro pro Doppelzentner liegt unter dem energetischen Wert von Weizen von mehr als 25 Euro. Es bleibt also billiger, mit Weizen zu heizen, als Brot daraus zu backen.

Fragen: Sandra Leppin

Kontakt:
Dr. Hans Oechsner, Universität Hohenheim, Landesanstalt für Landwirtschaftliches Maschinen- und Bauwesen
Tel.: 0711 459-22683, E-mail: oechsner@uni-hohenheim.de


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Meer / Klima, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer
Deutsch


 

Hilfe

Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
Verknüpfungen

Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

Klammern

Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

Wortgruppen

Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

Auswahlkriterien

Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).