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28.11.2007 10:44

Befragung der RUB-Arbeitswissenschaft: Viele Hörgeschädigte kennen Hilfsangebote nicht

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Nr. 361

    Nur zehn Prozent nutzen ihr Recht auf Arbeitsassistenz

    Damit Hörgeschädigten der Arbeitsalltag reibungslos gelingt, haben sie seit 2001 ein Recht auf Arbeitsassistenz; Arbeitsassistenten fungieren zum Beispiel als Telefon- oder Gebärdensprachendolmetscher. Erschreckend: Fast die Hälfte der Hörgeschädigten kennt dieses Recht nicht, und nur zehn Prozent machen in Bochum und Umgebung davon Gebrauch. Das ergab eine Umfrage der RUB-Arbeitswissenschaftler vom Lehrstuhl für Arbeitsorganisation und Arbeitsgestaltung (Prof. Dr. Heiner Minssen) bei 124 im Deutschen Schwerhörigenbund organisierten Mitgliedern der Region. Gründe könnten eine unzureichende Öffentlichkeitsarbeit und das Fehlen und Aus- und Weiterbildungskonzepten für Arbeitsassistenten sein.

    Kernbereiche der Arbeit werden selbst erledigt

    Um zu verhindern, dass Barrieren die Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen beeinträchtigen, besteht seit 2001 ein Rechtsanspruch auf Arbeitsassistenz bei einem Grad der Behinderung über 50 % sowohl für erwerbstätige als auch für arbeitsuchende Menschen (SGB IX). Ein Arbeitsassistent unterstützt den Schwerbehinderten bei den Tätigkeiten, die er aufgrund seiner Behinderung nicht ausüben kann. Bei hörgeschädigten Menschen wird er etwa für das Gebärdensprach-, Telefon- und Schriftdolmetschen eingesetzt. Der Telefondolmetscher zum Beispiel wiederholt das Gesagte simultan, sodass der Hörgeschädigte mit minimaler Zeitversetzung antworten und reagieren kann. Den Kernbereich der Arbeit erledigt der Schwerbehinderte aber selbst.

    Ein Drittel arbeitet in kommunikationsintensiven Berufen

    Die befragten Hörgeschädigten haben alle eine Behinderung von über 50 % und somit ein Recht auf Arbeitsassistenz. Die Erwerbsquote unter den Befragten liegt bei knapp 70% und damit wesentlich höher als die Erwerbsquote schwerbehinderter Menschen in Nordrhein-Westfalen insgesamt von 26,5 % (2006). Auch der Bildungsgrad der hörgeschädigten Erwerbstätigen ist vergleichsweise hoch. Knapp 40 % haben Abitur, knapp 32 % einen Studienabschluss. Die Befragten sind überwiegend in einem Vollzeit-Beschäftigungsverhältnis tätig. Ein Drittel der Erwerbstätigen arbeiten in der Öffentlichen Verwaltung und im Gesundheits-/ Sozialwesen - in Bereichen also, in denen Kommunikation eine bedeutende Rolle einnimmt. Dennoch nutzen nur zehn Prozent von ihnen die Arbeitsassistenz, knapp die Hälfte kennt die Möglichkeit nicht.

    Arbeitssuchende nutzen die Assistenz überhaupt nicht

    Auch unter den befragten Arbeitsuchenden kennen nur etwas mehr als die Hälfte den Anspruch auf Arbeitsassistenz; kein einziger nutzt sie. "Es stellt sich die Frage, ob der Anspruch während der Suche nach einem Beschäftigungsverhältnis überhaupt bekannt ist", überlegt Prof. Minssen. "Auffällig ist, das Arbeitsassistenz in den Fällen, in denen sie eingesetzt wird bzw. wurde zur Beschäftigungserhaltung und -schaffung dient. Daher ist davon auszugehen, dass diese Form von Unterstützung sich bei den nun Erwerbstätigen positiv auf den Erhalt eines Arbeitsplatzes ausgewirkt hat."

    Information muss verbessert werden

    Der geringe Bekanntheitsgrad des Rechts auf Arbeitsassistenz deutet auf eine Intransparenz des Themas und somit auf eine zu kurz greifende Öffentlichkeitsarbeit hin, die differenziert die einzelnen Informationsbedarfe der unterschiedlichen Zielgruppen aufgreifen und umsetzen müsste. Zum anderen gibt es laut Auskunft des Integrationsamtes Rheinland derzeit in NRW nur zehn schwerbehinderte, hörgeschädigte Personen, die von ihrem Anspruch Gebrauch machen. Das bedeutet, dass derzeit auch nur zehn Personen als Arbeits- bzw. Kommunikationsassistenz arbeiten. Eine fehlende gesetzlich definierte Aus- und Weiterbildungskonzeption und eine damit einhergehende mangelnde Institutionalisierung der Arbeitsassistenz ist eine mögliche Erklärung für diesen geringen Anteil.

    Weitere Informationen

    Dipl. Soz.-Wiss. Kerstin Alms, Institut für Arbeitswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, NB1/31, Tel. 0234/32-24370, E-Mail: kerstin.alms@rub.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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