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05.12.2007 09:59

Nervschädigung verursacht gefährliche Entzugssymptome

Helena Reinhardt Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jenaer Psychiater Prof. Karl-Jürgen Bär erhält am 6. Dezember Preis für Forschung zu Alkoholsucht

    Jena (05.12.07). Chronische Alkoholiker schädigen durch die Sucht nicht nur ihre Leber, sondern neben vielen weiteren Organen auch das vegetative Nervensystem. Diese Schäden am sogenannten Parasymphatikus, dem auch "Ruhenerv" genannten Nervus vagus, sind eine der Ursachen für die als Delirium bekannten Entzugserscheinungen bei Alkoholsüchtigen. "Es gibt einen sehr deutlichen Zusammenhang zwischen alkoholverursachten Nervenschäden im parasymphatischen System und den heftigen körperlichen Entzugserscheinungen, die bis zum plötzlichen Herztod führen können", erklärt Prof. Karl-Jürgen Bär vom Universitätsklinikum Jena. "Wir haben in verschiedenen Studien Belege dafür gefunden, dass bei akutem Alkoholentzug besonders dann verstärkt mit klassischen Entzugssymptomen - lebensbedrohlich erhöhtem Blutdruck und Herzschlag, Zittern und Schwitzen - zu rechnen ist, wenn eine chronische Schädigung des parasymphatischen Teils des Nervensystems vorliegt", so der Psychiater weiter.

    Für diese Untersuchungen erhält der Jenaer Mediziner Bär am 6. Dezember den Wilhelm-Feuerlein-Preis 2007 der Deutschen Suchtstiftung. Bär teilt sich den mit 5 000 Euro dotierten Preis für Erkenntnisse in der klinischen Suchtforschung mit einem weiteren Kollegen. "Besonders erfreulich ist natürlich, dass ich diesen Preis erhalte, obwohl mein Spezialgebiet nicht die Suchtforschung ist", freut sich Prof. Karl-Jürgen Bär über die Anerkennung der mehrjährigen Forschungsarbeit.

    Deren Ergebnisse wollen die Jenaer Wissenschaftler vor allem dazu nutzen, künftig besser das Risiko für das Auftreten eines Deliriums im Entzug vorhersagen zu können. Denn obwohl die Zusammenhänge lange vermutet wurden, gab es bisher keine Untersuchungen der Herzparameter in Verbindung mit akuten Entzugszuständen. "Dank unserer Studien kennen wir jetzt die sucht- und entzugsbedingten Risikofaktoren für das Herz besser und können diese auch schon bei Voruntersuchungen überprüfen", so Bär. "Auf diese Weise könnte künftig bei unseren Patienten der Entzug besser gesteuert und vorbeugend eingegriffen werden, um ein Delirium und die verbundenen bedrohlichen Herzstörungen zu vermeiden", glaubt Prof. Bär.

    Immerhin bis zu 25 Prozent der unbehandelten Deliriumszustände enden tödlich. Eine der Ursachen dafür ist der durch jahrelangen Alkoholmissbrauch geschädigte Parasymphatikus, der dadurch seine Funktion, die Verlangsamung der Herzfrequenz und Steuerung der Erregungsleitung am Herzen, nicht mehr erfüllen kann. Die Folge sind Herz-Rhythmusstörungen, die vom Körper selbst nicht mehr reguliert werden, weil das für die unbewussten Vitalfunktionen verantwortliche Nervensystem durch das Gift im Alkohol zerstört wurde.

    "Leider scheint sich diese Funktion auch dann nicht oder nur wenig wiederherzustellen, wenn die Betroffenen die Sucht erfolgreich bekämpft haben", so Prof. Karl-Jürgen Bär. Denn in den Untersuchungen zeigten sich auch bei seit fünf Jahren abstinent lebenden Alkoholikern noch starke Veränderungen. Das deute darauf hin, dass die Schäden am vegetativen Nervensystem irreversibel sind, vermutet Bär, sodass auch trockene Alkoholiker mit einem weiterhin erhöhten Risiko für Herzprobleme leben müssen.

    Erste für die Praxis unmittelbar relevante Schlussfolgerungen hat Prof. Karl-Jürgen Bär aus den gefundenen Zusammenhängen schon ableiten können: Im Zuge der Studien haben er und seine Forscherkollegen auch Hinweise darauf gefunden, dass die derzeit zur Linderung der Delirium-Symptome eingesetzte Standardsubstanz eher dazu beiträgt, den bereits geschwächten Nerv noch weiter zu hemmen.

    Bär: "Einer der nächsten Schritte wird es daher sicher sein, die Auswirkungen bestimmter Mittel auf den geschädigten Parasymphatikus genauer zu untersuchen, um so die medikamentöse Therapie weiter zu verbessern."

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Karl-Jürgen Bär
    Klinik für Psychiatrie, Universitätsklinikum Jena
    Tel.: 03641/935282
    E-Mail: Karl-Juergen.Baer@med.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    regional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

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