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27.03.1997 00:00

Hannover Messe '97: Das Ende der Wetterfrösche

Dipl.-Ing. Mario Steinebach Pressestelle und Crossmedia-Redaktion
Technische Universität Chemnitz

    Das Ende der Wetterfroesche

    Chemnitzer - Forscher lassen mit Fuzzy-Regelung nicht nur Blumen bluehen

    CHEMNITZ. Wenn Sie in ein paar Jahren Ihrer Frau oder Ihrer Geliebten einen Blumenstrauss mitbringen, koennte der seine Schoenheit einer Entwicklung aus Chemnitz verdanken. Wissenschaftler der Chemnitzer Uni um den Systemtheoretiker Prof. Dr. Steffen F. Bocklisch haben naemlich eine Software entwickelt, mit der sich Gewaechshaeuser, aber auch Klimaanlagen, Kuehlschiffe und Anlagen fuer den Umweltschutz besonders feinfuehlig steuern lassen - eben so, wie es Blumen, Koepfe und Lebensmittel besonders gern haben. Die Steuerung samt der zugehoerigen Hardware, einem Einkartenrechner mit Signalprozessoren der neuesten Generation, werden die Chemnitzer Uni-Forscher erstmals auf der Hannover Messe vom 14. bis 19. April 1997 in Halle 18, 1. OG, J 16, auf dem Gemeinschaftsstand der saechsischen Hochschulen "Forschungsland Sachsen" am Modell eines kleinen Gwaechshauses vorfuehren. Die Hardware stammt uebrigens auch aus Sachsen: Sie ist ein Produkt der Sinus Messtechnik in Leipzig. Bisherige Regelungen fuer Gewaechshaeuser funktionieren nach einem einfachen Prinzip: der Rueckkopplung. Ein Beispiel ist das Kontaktthermometer. Dabei ragt ein duenner Draht in die Quecksilbersaeule eines Thermometers hinein. Sinkt die Temperatur so weit, dass das Quecksilber den Draht nicht mehr beruehrt, kann der Strom nicht mehr fliessen. Ein zuvor angezogenes Relais laesst locker und schaltet dadurch die Heizung ein. Auf aehnliche Weise wird auch die Feuchtigkeit geregelt. Ein grobschlaechtiges Verfahren, mit dem nicht selten viel Energie verschleudert wird. Da wird etwa des nachts geheizt, und morgens knallt die Sonne auf das noch ausreichend warme Gewaechshaus. Luken oeffnen sich, die kostbare Heiz-energie entweicht in die Atmosphaere.

    Anders die Chemnitzer Loesung: Sie beruht auf dem Fuzzy-Prinzip, das dem menschlichen Denken nachgebildet ist. Die Software ist in der Lage, hochkomplizierte Merkmalsmuster (sogenannte patterns) zu erkennen und kann sich automatisch an diese Muster anpassen. Auf dem Gebiet "Selbststrukturierende Fuzzy Patterns" haben die Chemnitzer Wissenschaftler weltweit die Nase vorn. Ein Mensch etwa wuerde sich in einer aehnlichen Situation wahr cheinlich den Wetterbericht angucken und dann sagen: "Heute nacht brauche ich nicht soviel zu heizen, da morgen die Sonne scheint." AEhnlich arbeitet die Chemnitzer Software, die zudem wesentlich mehr Groessen - weit mehr als 10 - regeln kann als eine primitive Rueckkopplung.

    Temperatur, Feuchtigkeit, Licht, Druck, Konzentrationen von Stoffen und viele andere Werte, die haeufig auf eine ueberaus komplizierte Weise miteinander verknuepft und voneinander abhaengig sind, lassen sich nach dem Verfahren gleichzeitig steuern. Aber die Software ist darueber hinaus auch noch lernfaehig und kann ausserdem hochgradig nichtlineares Verhal-ten (wofuer das Wetter ein hervorragendes Beispiel ist) beruecksichtigen. Sie kann gewissermassen in die Zukunft gucken und eine Prognose abgeben, und das ganz ohne Hokuspokus. Das macht das Chemnitzer Verfahren nicht nur fuer Gewaechshaeuser interessant, sondern auch fuer Trocken- oder Kuehlraeume, Lagerhallen, Schiffe, biochemische Reaktionskessel, Produk ionsraeume und vieles mehr.

    Dass Gewaechshaeuser und Klimaanlagen geregelt werden, ist Allgemeinwissen. Aber auch in Museen muessen Licht und Temperatur stimmen, und ausserdem soll die Alarmanlage den Dauerregen am Fenster von einem Einbrecher unterscheiden koennen. Und Theater etwa sind nicht an jedem Wochentag und nicht bei jedem Stueck gleich voll - die Software "spuert" das und heizt weniger, wenn viele Leute da sind, die mit ihrer Koerpertemperatur fuer Waerme sorgen. Auch bei heissen Rockkonzerten muss die Halle sicher weniger geheizt werden als bei kuehl-neurotischen Schoenberg-Klaengen. Nicht nur das: kaum eine High-Tech-Industrie, ob nun Luft- und Raumfahrt oder Herstellung von Computer-Chips, kommt ohne genaue Regelung aus. Ebenfalls sehr wichtig ist das Klima in Autos, Bussen, Bahnen und Flugzeugen. Nicht selten haengt davon naemlich das Wohlbefinden der Passagiere ab, sogar die Flugangst laesst sich auf diese Weise mindern - wenn die Klimaanlage falsch eingestellt ist, aber auch erhoehen. Diese Anwendung hat sogar zu einer neuen Wissenschaft gefuehrt, der Klimatronik. Und welcher Verbraucher weiss denn schon, dass viele Nahrungsmittel, die meisten Obstsorten und sogar Textilien unter genau festgelegten Bedingungen aufbewahrt oder transportiert werden muessen? Aber auch in ganz normalen Haeusern und Industriebetrieben liesse sich auf die Chemnitzer Art eine Menge Geld und Energie sparen, dazu auch an schwuelen Tagen der Kopf kuehl behalten - und so ganz nebenbei noch etwas fuer den Umweltschutz tun. Selbst fuer die intelligente Steuerung von Automotoren liesse sich die Software aus Chemnitz verwenden.

    Weitere Informationen: Technische Universitaet Chemnitz-Zwickau, Fakultaet fuer Elektro- echnik und Informationstechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Prof. Dr. Steffen F. Bocklisch, Telefon 03 71/5 31-34 34, Fax 03 71/5 31-34 26 oder vom 14. bis 19. April 1997 auf der Hannover Messe 1997, Halle 18, 1. OG., Stand "Forschungsland Sachsen", J 16.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Elektrotechnik, Energie, Maschinenbau, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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