TU Berlin, Wissenschaftsdienst "Forschung aktuell", Ausgabe September 2000 - Informationsverarbeitung
Mit künstlichen neuronalen Netzen wollen Forscher nachvollziehen, wie Informationen im Gehirn verarbeitet werden. Dazu müssen sie herausfinden, wie Neurone sich gegenseitig aktivieren und miteinander in Wechselwirkung stehen. Ein klassisches neuronales Netz entwickelte jetzt ein Wissenschaftler der TU Berlin weiter und gelangte somit zu einem besseren Verständnis von Lernmechanismen.
Denken und Lernen - das sind die Fähigkeiten, in denen der Mensch anderen Lebewesen überlegen ist. Doch wie er das tut, wie das Gehirn funktioniert, ist auch für ihn immer noch ein Geheimnis. Trotzdem gibt es Ansätze, mit denen die Fähigkeiten des menschlichen Gehirns auf den Computer übertragen werden sollen. Künstliche Intelligenz ist in diesem Zusammenhang ein Stichwort, die so genannte Boltzmann-Maschine ein weiteres.
Die Boltzmann-Maschine zählt zu den künstlichen neuronalen Netzen, jenen Rechnerarchitekturen, deren Struktur und Funktion sich an den Nervenzellen lebender Organismen orientieren. Konkret ist sie ein mathematisches Modell, mit dem per Computer simuliert wird, wie durch die Aktivität von Nervenzellen (Neuronen) eine komplexe Umwelt erfasst wird. Wenn beispielsweise die menschlichen Augen etwas sehen, dann geschieht das, indem Licht-Photonen bestimmte Nervenzellen aktivieren. Im Computermodell gibt der Wissenschaftler das durch Zahlen (1 für hell, 0 für dunkel, 0,5 für grau) ein und aktiviert somit die Eingabeneuronen.
Ähnlich dem biologischen Vorbild des Gehirns sind alle Neuronen durch synaptische Verbindungsstärken miteinander gekoppelt. Im mathematischen Modell wird das realisiert, indem Verbindungen zwischen den Neuronen unterschiedlich gewichtet werden. Dadurch können die Eingabeneuronen ihre Aktivierung an innere Neuronen weitergeben. Allerdings nur an die, zu denen eine starke Verbindung besteht. Neurone, die insgesamt viel Aktivierung erhalten, werden mit großer Wahrscheinlichkeit selbst aktiv. Auf diese Weise unterliegen die Aktivierungszustände einer Zufallsverteilung, der aus der Thermodynamik bekannten Boltzmann-Verteilung.
Cornelius Weber, Informatiker der Technischen Universität Berlin, hat jetzt in seiner Dissertation die Boltzmann-Maschine weiterentwickelt. In dem klassischen Modell gibt es nur die mathematischen Aktivierungszustände +1 und -1. Zu diesen hat Weber die Aktivierung Null eingeführt, das heißt, im Computer-Modell können innere Neurone jetzt auch inaktiv sein. Damit kann Cornelius Weber der Frage nachgehen, wie beispielsweise ein Bild wiedergegeben wird, wenn nur wenige innere Neurone aktiv sind. Weber vergleicht diese Aufgabenstellung mit der Frage: Warum werden Neurone im visuellen Areal der Großhirnrinde aktiv, wenn sie einen bestimmten Helligkeitskontrast, beispielsweise eine Kante, wahrnehmen? Kern der Untersuchungen ist das Verständnis, wie Neurone Information repräsentieren.
Eine besondere Rolle spielt dabei das Lernen der Verbindungsstärken. Solange die Daten anliegen, die Eingabeneurone also wie ein Auge das Bild sehen, befindet sich das neuronale Netz in der so genannten Wachphase. In dieser Phase verstärken die Neurone, die gerade aktiv sind, ihre Verbindungen. Häufig anliegende Aktivitätszustände werden dadurch stabilisiert. Die Fachleute sprechen dabei vom Hebbschen Lernen. Wenn keine Daten von außen eingegeben werden, in der so genannten Schlafphase, werden Neurone spontan aktiv. Es findet anti-Hebbsches Lernen statt.
In dem Modell von Cornelius Weber entstehen durch die Einführung der Aktivierung Null beim Lernen Neurone, die durch Kanten, also Helligkeitskontraste, aktiviert werden. Nur dadurch entstehen biologisch plausible Resultate, mit denen Lernmechanismen, die dem menschlichen Gehirn zugrunde liegen, verstanden werden können. Und das ist letztlich das Ziel von künstlichen neuronalen Netzen. inhe
Datenbank
Ansprechpartner: Dipl.-Phys. Cornelius Weber, Technische Universität Berlin, Institut für Kommunikations- und Softwaretechnik
Fachgebiet: Neuronale Informationsverarbeitung
Kontakt: Franklinstraße 28/29, 10623 Berlin, Tel.: 030/314-25542, E-Mail: cweber@cs.tu-berlin.de
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Informationstechnik, Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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