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14.12.2007 11:33

AG Kinderschutz und Kindeswohl der Hochschule Niederrhein fordert besseren Schutz für Kinder

Rudolf Haupt M.A. Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Hochschule Niederrhein - Niederrhein University of Applied Sciences

    Vor den Beratungen von Bundesregierung und Ministerpräsidenten am Mittwoch kommender Woche über neue Ansätze beim Kinderschutz und bei der Elternhilfe richtet die Arbeitgruppe Kinderschutz und Kindeswohl der Hochschule Niederrhein noch einmal einen nachdrücklichen Appell an die Verantwortlichen, den Kinderschutz spürbarer und nachhaltiger zu stärken, als es im Gesetzentwurf vorgesehen ist. Die von den Professoren Dr. Peter Schäfer und Dr. Michael Borg-Laufs sowie Honorarprofessor und Familienrichter Dr. Walter Röchling unterzeichnete Erklärung hat folgenden Wortlaut:

    I. Die wiederholten jüngsten Vorkommnisse von Verwahrlosung, Mißhandlung und Tötung von Kindern sind offensichtlich - jedoch keineswegs allein - Ausdruck der Tendenz einer sich abzeichnenden gesellschaftlichen Problemlage in Form von Erziehungsdefiziten, persönlicher Überlastung und Überforderung oder familiärer finanzieller Verarmung mit entsprechenden psychosozialen Auswirkungen.

    II. In allen Fällen von Verwahrlosung, Mißhandlung und Tötung - soweit sie bekannt geworden sind - offenbaren sich die Schwachstellen des Kinderschutzes im wesentlichen in der Bandbreite des rechtlich möglichen Handlungsrahmens zwischen der Berechtigung und der Verpflichtung zum Tätigwerden sowie im Zusammenhang von eingriffsrechtlich orientierten Entscheidungen des Familiengerichts.

    III. Durch die gegenwärtige Rechtslage (mit der von der Rechtsprechung markierten hohen Eingriffsschwelle bei Kindeswohlgefährdungen) ist frühzeitiges, präzises und auf Gefahrenabwehr gerichtetes Handeln zum Kinderschutz, insbesondere mit niederschwelligen Maßnahmen - ohne gesicherte Gefährdungsprognose - nicht in ausreichendem Umfang möglich. Um sach- und situationsbezogen kurzfristig und für den Elterteil verpflichtend eingreifen zu können, müssen Handlungsberechtigung und Instrumentarium öffentlicher Hilfen für die Jugendämter und die gesamte präventiv tätige Sozialarbeit maßgeblich gestärkt werden.

    IV. Kinderschutz ist von Verfassungswegen Aufgabe des staatlichen Wächteramtes, ausgeübt von den dafür zuständigen Behörden und Institutionen. Ungeachtet verschiedentlicher Überlegungen zur Erweiterung des Kinderschutzes (mit Hilfe bestimmter Modelle, z.B. Familienhebammenmodell, soziale Frühwarnsysteme) und unter Einbeziehung bestimmter Berufskreise ( z.B. Kinder- und Jugendärzte), können solche Maßnahmen prinzipiell allenfalls flankierend den Kinderschutz fördern. Sie können als solche keineswegs das Kindeswohl so sicherstellen, wie es in Krisensituationen aufgrund von elterlicher Überlastung und Überforderung oder psychischer Erkrankung bzw. bei latentem Erziehungsversagen, das sich erst anlassbedingt auswirkt, aber auch bei erziehungsunfähigen Eltern ohne Einsicht und Änderungsmotivation erforderlich ist.

    V. Die gesellschaftliche Verantwortung für den Kinderschutz im Rahmen des staatlichen Wächteramtes sollte prinzipiell nicht auf Berufszweige verlagert werden, die in erster Linie helfendem und fürsorglichem Handeln verpflichtet sind. Die Wahrnehmung des staatlichen Wächteramtes ist nach Verfassung und Bundesgesetzgebung (GG, BGB und SGB VIII) in erster Linie Familiengerichten und Jugendämtern zugeordnet, die mit dem eigens hierfür zu schaffenden Gesetzesinstrumentarium den Schutz des Kindeswohls sicherzustellen haben. Ausschließlich diese Behörden sind befugt, zügig und vor allem verpflichtend auf Eltern einzuwirken, um aktuell notwendigen Kinderschutz zu gewährleisten. Je früher u. a. mit niederschwelligen Maßnahmen verbindlich eingeschritten werden kann, um so eher ist auch ein entsprechendes sozialarbeiterisches Handeln (im vorgerichtlichen Raum) Erfolg versprechend.

    VI. Der derzeitige "Gesetzentwurf zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls" proklamiert zwar die gesetzgeberische Absicht des frühzeitig gewollten Kinderschutzes, setzt dies indes nicht konsequent und ergebnisorientiert um weil die Handlungssschwelle für Gerichte - und damit auch für die behördliche Sozialarbeit - explizit unverändert (hoch) bestehen bleiben soll, um das Elternrecht unangetastet zu lassen: Ein Elternrecht aber, das Vernachlässigung, Verwahrlosung und Mißhandlung eines Kindes ermöglicht, ist mit dem Schutz des Kindeswohls von verfassungswegen nicht vereinbar.

    VII. Die am Gesetzgebungsverfahren des "Gesetzes zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen" beteiligten Gremien werden gebeten, im Sinne des allgemeinen gesellschaftlichen Anliegens die Beratungen zu forcieren, um bundeseinheitlich den Kinderschutz maßgeblich und fühlbar zu stärken. Nur durch eine (heutigen gesellschaftlichen Anforderungen und aktuellen psychologischen Erkenntnissen entsprechende) inhaltliche Neufassung des Begriffs "Kindeswohlgefährdung" (§ 1666 BGB) und mit einer damit einhergehenden ausdrücklich definierten Möglichkeit für Gerichte, früher und verbindlich - insbesondere auch mit niederschwelligen Maßnahmen - zum Kinderschutz eingreifen zu können, läßt sich Kinderschutz effektiv verbessern.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Psychologie, Recht
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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