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05.09.2000 14:00

Eine Landkarte der verstreuten Schätze

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa: Drei Bände zu Bibliotheken in der Tschechischen Republik erschienen

    Mit dem Beginn des Buchdrucks wurde das Buch zum ersten Massenmedium der Geschichte, und es ist bis heute das Leitmedium der Informationsvermittlung geblieben. Daran erinnert man besonders gern im Land des Erfinders des Buchdrucks, dessen Geburtstag sich dieser Tage zum
    600. Mal jährt. So sehr das Buch ein Massenmedium ist, so schwierig lassen sich die Buchbestände eines Landes in Grenzen erfassen - schon gar nicht in sprachlichen. Interessante Sammlungen von Drucken deutscher Sprache etwa gibt es nicht nur in Deutschland, sondern auch in Regionen außerhalb. Diese Bestände möglichst vollständig zu erschließen und nutzbar zu machen ist Ziel des "Handbuchs der historischen Buchbestände", für das die VolkswagenStiftung in den vergangenen Jahren 10,6 Millionen Mark zur Verfügung gestellt hat.

    Das voluminöse 40-bändige Werk - es umfasst das "Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland", das "Handbuch der historischen Buchbestände in Österreich" und das "Handbuch deutscher historischer Buchbestände in Europa" - erschließt regional unterteilt das deutschsprachige Schrifttum vom Beginn des Buchdrucks bis zum Ausgang des
    19. Jahrhunderts. Das Handbuch versteht sich dabei als weit reichendes Inventar und listet neben Büchern auch Zeitschriften, Zeitungen, Musikdrucke, Karten und "beiläufiges" Schrifttum; Handschriften bleiben allerdings außer Betracht. Es ist ein Wegweiser zu den Bestandskomplexen in den einzelnen Bibliotheken und sagt dem Benutzer, wo sich in welcher Größenordnung Bestände bestimmter Sachgebiete befinden.

    Für die tschechische Republik liegt dieser Wegweiser jetzt komplett vor. Die drei Bände - sie katalogisieren getrennt die Bibliotheken in Prag, Böhmen und Mähren sowie die Schlossbibliotheken - werden am
    11. September in der Nationalbibliothek in Prag der Öffentlichkeit übergeben.

    Die im Handbuch für Tschechien beschriebenen Bibliotheken repräsentieren ein breites Spektrum: von der Nationalbibliothek über Museums- bis hin zu Kirchenbibliotheken. In fast allen ist der Anteil des Schrifttums deutscher Sprache beträchtlich - oft sogar sehr hoch, wie etwa in der Nationalbibliothek der Tschechischen Republik, die ihre Ursprünge im 14. Jahrhundert hat und zu den ältesten und bedeutendsten Nationalbibliotheken Europas gehört. Rund die Hälfte ihres überaus reichhaltigen historischen Bestands von vor 1900 ist deutscher Provenienz. Gleiches gilt für gut 40 Prozent des Gesamtbestandes des Jüdischen Museums in Prag, das trotz beträchtlicher Verluste eine bedeutende Spezialbibliothek von Judaica unterhält. Eine der - gemessen an den Beständen und den Bibliothekssälen - herausragenden Klosterbibliotheken ist die des im 12. Jahrhundert gegründeten Prämonstratenser-Klosters Strahov. In dem vornehmlich aus dem 16. bis 18. Jahrhundert stammenden Bestand liegt der Anteil an Publikationen deutscher Schrift bei einem Drittel, dazu kommen zahlreiche lateinische Drucke aus dem deutschsprachigen Raum.

    Eine beträchtliche Zahl einzelner Gelehrtenbibliotheken sind vereint unter dem Dach der Bibliothek des Nationalmuseums, eine der größten tschechischen Bibliotheken. Sie geben Aufschluss über die vielfältigen Wissenschaftsbeziehungen zu Deutschland; liefern so Informationen, die nirgends sonst in dieser Fülle und Kompaktheit vorliegen. Ebenfalls unter der Obhut des Nationalmuseums versammelt sind ehemalige Adelsbibliotheken. Deren Bestände hatte der Staat nach 1945 konfisziert. Da sie jedoch nicht wie andernorts zerschlagen und in alle Winde zerstreut wurden, blieb die individuelle Struktur dieser Bibliotheken erhalten. Heute müssen sie als in ihrer Gesamtheit einmaliges Dokument einer nicht mehr existierenden Buchkultur betrachtet werden. Über 150 dieser Bibliotheken sind in einem gesonderten Band des Handbuches beschrieben.

    Herausgeber der Handbücher ist der Münsteraner Anglist und Buchwissenschaftler Professor Dr. Bernhard Fabian, erschienen sind sie im Hildesheimer Georg Olms Verlag. Bernhard Fabian sieht die erfassten Bestände, zuallererst aber die Bibliotheken als "Knotenpunkte geistiger Netze, deren Verknüpfungen noch zu erforschen sind". Für den historisch Forschenden stellt das Handbuch als Ganzes eine Landkarte dar der Buchbestände und Sammelgebiete einer Fülle von Bibliotheken - eine Landkarte verstreuter Schätze. Die lässt sich vielleicht am Besten vergleichen mit einem Kunstreiseführer, in dem man sich vorab informieren würde über die Denkmäler, die man besuchen oder erforschen möchte.

    Letztlich werden auf diesem Weg auch neue Impulse gesetzt, die der Kenntnis und Erforschung des Buches als Träger geistiger Prozesse dienen. Gutenberg würde es sicherlich gern vernehmen. Denn damit wäre er im neuen Jahrtausend angekommen.

    Kontakt: Professor Dr. Bernhard Fabian, Tel.: 0 25 01/54 92


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Musik / Theater, Philosophie / Ethik, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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