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12.09.2000 10:05

Neue Ärzte braucht das Land

Dr. Christian Jung Stabsreferat Kommunikation
VolkswagenStiftung

    VolkswagenStiftung unterstützt Reformstudiengang Medizin an
    der Berliner Charité mit rund zwei Millionen Mark

    Die Kritik an der Medizinerausbildung in Deutschland ist bisweilen hart: Nicht wegen, sondern trotz des Medizinstudiums gebe es in Deutschland immer wieder gute Ärzte. Viele junge Mediziner seien nach sechs Jahren Studium handwerklich unsicher, und ob sie menschliches Format besäßen und ethisch verantwortlich zu handeln wüssten, bleibe oftmals dem Zufall überlassen. Selbst befragt, gehen auch die Studenten mit ihrer Ausbildung hart ins Gericht: So rangiert bei Umfragen zur Studienzufriedenheit die Medizin regelmäßig ganz weit hinten, nur Juristen urteilen ähnlich kritisch. Zusammengefasst betrachtet, erscheint die Medizinerausbildung hier zu Lande demnach beinahe klinisch tot. Darf folglich zwischen Hörsaal und OP alles so bleiben, wie es ist?

    Darf es nicht. Und muss es auch nicht mehr, denn inzwischen gibt es immerhin einige Ansätze, das Medizinstudium in Deutschland zu verbessern. So feiert jetzt an der Charité der Berliner Humboldt-Universität der Reformstudiengang Medizin, den auch die VolkswagenStiftung finanziell unterstützt, sein einjähriges Jubiläum. Unterrichtet wird dort nach der Methode des "Problemorientierten Lernens" (POL). Die Wissensvermittlung erfolgt dabei fallorientiert statt enzyklopädisch, die Inhalte werden nicht mehr in aufeinander folgenden Semestern nach Fächern getrennt dargeboten, sondern kehren in einer Lehr- und Lernspirale mit zunehmender Komplexität während des Studiums wieder. Grundlegendes Ziel der Reformer ist es vor allem, die praktischen Fähigkeiten der heranwachsenden Ärzte möglichst früh und möglichst intensiv zu fördern.

    Praxisorientiert üben können die angehenden Mediziner im "TÄF", dem 'Trainingszentrum für Ärztliche Fertigkeiten'. Für den Aufbau des TÄF als zentrales Element im Berliner Reformstudiengang hat die VolkswagenStiftung vor kurzem insgesamt rund zwei Millionen Mark zur Verfügung gestellt: Zunächst drei Jahre lang werden fünf Mitarbeiter und sechs studentische Hilfskräfte finanziert; jährlich 100.000 Mark entfallen auf Sachkosten.

    Das TÄF lässt wenig Wünsche offen. Insbesondere ermöglicht es dem Einzelnen eine individuelle Herangehensweise an die handwerklichen Herausforderungen des Berufs. So können die Studierenden in kleinen Gruppen mit- und aneinander üben, oder es steht ein Dummy bereit, an dem sich der Jungmediziner versuchen darf. In gut ausgestatteten Trainingsräumen werden therapeutische und diagnostische Fertigkeiten geschult bis hin zur kompletten Anamnese. Entsprechend finden die angehenden Ärzte dort Modelle und Simulationsgeräte vor - auch solche, die extra für die Ausbildung konzipiert sind wie beispielsweise ein vielarmiges Stethoskop, mit dem bis zu sieben Studierende simultan einen "Patienten" abhören können.

    Apropos Patienten. Nicht nur Dummys fungieren als solche, darüber hinaus wird ein "Simulationspatienten-Programm" mit zunächst 15 Personen etabliert. Jene lernen, bestimmte Krankheiten möglichst authentisch zu simulieren, und dienen damit den Studierenden als "Testobjekte". Auch Aufklärungsgespräche mit den Patienten lassen sich so durchspielen; über die Aufzeichnung mittels Video und Audio wird im Anschluss das Verhalten genau analysiert. Am Ende jeder Ausbildungseinheit wird dann gemeinsam reflektiert: Ist das jeweilige Gebiet erfasst und ausreichend vermittelt? Oder: War die Behandlungsstrategie richtig? Lief der Kommunikationsprozess gut?

    All das hat einen nicht unwichtigen Nebeneffekt. Quasi nebenbei werden im TÄF die kommunikativen Fähigkeiten der Medizinergeneration von morgen geschult. Man lernt, andere Ansichten ebenso wie die eigene kritisch in Frage zu stellen, man diagnostiziert im Team und trainiert einen verantwortungsvollen wie partnerschaftlichen Umgang mit den Kunden, den Patienten. Das TÄF trägt folglich in mehrfacher Hinsicht dazu bei, dass sich der Praxisschock nach dem Studium in Grenzen hält.

    Auch in anderer Hinsicht soll das TÄF schon bald wegweisend für die Medizinerausbildung hier zu Lande sein. So entwickeln dessen Mitarbeiter mit den Geldern der VolkswagenStiftung Lehr- und Lernprogramme für die Studierenden und Prüfungsmaterialien für den Berliner Reformstudiengang. Damit könnten sich künftig einmal die fragwürdigen Multiple-Choice-Tests ersetzen lassen - die Wissenskontrolle wäre ebenfalls modernisiert.

    Das TÄF - es ist zu finden in der Charité am Standort Mitte, im Gebäude der Zahnklinik - präsentiert sich am Samstag, den 23. September 2000 ab 14 Uhr im Rahmen der 7. Jahrestagung der Gesellschaft für Medizinische Ausbildung in Berlin. Zentrales Thema der Teilnehmer sind in diesem Jahr die Reformbemühungen in der medizinischen Ausbildung. Weitere Auskünfte zum TÄF geben der Beauftragte für den Reformstudiengang Medizin an der Humboldt Universität Berlin, Professor Dr. Dr. h. c. Dieter Scheffner, und der Leiter des TÄF Dr. Kai Schnabel (Tel: 0 30/45 07 60 03).

    Kontakt:

    VolkswagenStiftung, Dr. Henrike Hartmann, Tel.: 05 11/83 81 - 376, E-Mail: hartmann@volkswagenstiftung.de

    Humboldt Universität Berlin, Beauftragter für den Reform-
    studiengang Medizin, Prof. Dr. Dr. h. c. Dieter Scheffner
    E-Mail: dieter.scheffner@charite.de

    Humboldt Universität Berlin, Leiter der AG Reformstudiengang
    Medizin, Prof. Dr. Walter Bürger, E-Mail: walter.burger@charite.de, Tel.: 0 30/45 07 61 12


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Studium und Lehre
    Deutsch


     

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