Ist der Mensch nicht mehr als ein von neurobiologischen Abläufen determinierter Automat? Muss die Medizin bei der Behandlung von Patienten neben rein physischen und ökonomischen Aspekten nicht auch psychische und soziale Faktoren berücksichtigen?
In einer Zeit, in der Menschen zunehmend durch die Brille der Ökonomie und der Neurobiologie betrachtet werden, kann die Beschäftigung mit dem klassisch geisteswissenschaftlichen mehrdimensionalen Menschenbild neue Perspektiven weisen. Bei der Behandlung psychisch kranker Menschen gilt dies in besonderem Maße. Ein Symposium der Klinik für Psychiatrie der TU München und des Klinikums München Ost beschäftigt sich daher am 26. Januar mit Menschenbildern der modernen Psychiatrie, die Alternativen zu mechanistischen Konzepten darstellen.
In den letzten Jahren wird der Patient in der Medizin immer häufiger als Kunde bezeichnet. Dahinter steckt das Menschenbild der Ökonomie, das den Menschen als rationalen Entscheider und damit als Nutzenmaximierer ansieht (Homo oeconomicus). Der Mensch handelt hier wie ein monetär determinierter Automat. Hinzu kommt das sich zunehmend verbreitende Menschenbild der modernen Neurobiologie, das den Menschen als eine von Schaltkreisen im Gehirn bestimmte biomolekulare Maschine charakterisiert (Homo neurobiologicus). Diese Sichtweisen führen zu einem eindimensionalen, mechanistischen und deterministischen Bild des Menschen. Der frei entscheidende, selbstreflektierende Mensch wird zur Illusion.
Zwischen diesen beiden Konzepten verliert sich zunehmend der klassische geisteswissenschaftliche Ansatz: Er erkennt neben der körperlichen Ebene des Menschen ein bewusstseinsfähiges geistiges Wesen an, das über ein individuelles Selbst verfügt und sich im Austausch mit seiner sozialen Umwelt konstituiert und definiert. In Anknüpfung an die medizinische Anthropologie ist ein solches mehrdimensionales Menschenbild gerade in der klinischen Praxis der Psychiatrie von zentraler Bedeutung. Nicht nur die biologische Ebene, sondern auch die psychische und die soziale Ebene werden dabei für die Diagnostik und die Therapie des psychisch Kranken genutzt. Ein psychisch kranker Patient, der etwa durch eine Psychose in seiner Identität gefährdet sein kann, benötigt darüber hinaus nicht nur die Behandlung, sondern auch den Beistand eines fürsorglich handelnden Therapeuten. Vor allem bei bleibender psychischer Behinderung, wie etwa bei Minderbegabung und bei Demenz ist die Psychiatrie zur Frage "Was ist der Mensch?" besonders gefordert.
Anliegen des Symposiums ist es, die historisch vorhandenen Pfade einer philosophisch-anthropologischen Psychiatrie wieder zu aktualisieren und in die aktuelle Gehirn-Geist-Debatte einzubinden. Damit soll auch der zunehmenden Infiltrierung des medizinischen Denkens durch die Ökonomie entgegengewirkt werden.
Die Veranstaltung findet am Samstag, den 26. Januar von 9.00 bis 14.00 Uhr im Hörsaal D des Klinikums rechts der Isar statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Programm der Veranstaltung
I Einführung
9.00 Hans Förstl (München)
9.30 Hinderk Emrich (Hannover): Skizze einer Anthropologie für die Psychiatrie
II Neurobiologie
10.00 Gerhard Roth (Bremen): Homo Neurobiologicus & Entscheidungsfreiheit
10.30 Michael Pauen (Magdeburg): Das personale Selbst - der Freiheitsbegriff
11.00 Pause
11.30 Henrik Walter (Bonn): Bildgebung und Selbstkonstrukt
III Philosophie
12.00 Thomas Fuchs (Heidelberg): Ökologie des Gehirns
12.30 Hartmann Hinterhuber (Innsbruck): Wo bleibt die Seele?
13.00 Felix Tretter (München): Podiumsdiskussion mit Referenten: "Menschenbild heute - Monismus oder Pluralismus und Determinismus, Probabilismus oder Indeterminismus"?
Kontakt:
Klinikum rechts der Isar der TU München
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tanja Schmidhofer
Tel.: 089/4140 2046
Fax: 089/4140 7709
E-mail: schmidhofer@lrz.tum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
regional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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