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14.09.2000 09:51

Körper-Rekonstruktionen im reichen Norden und im armen Süden

Kornelia Suske Pressestelle
Klinikum der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

    Gestern begann in Magdeburg die Jahrestagung der plastischen und ästhetischen Chirurgen mit internationaler Beteiligung. Jahr für Jahr steigt die Zahl der plastisch-ästhetischen Operationen in Deutschland um rund zehn Prozent.

    Voraussichtlich 400 000 Eingriffe werden die plastischen und ästhetische Chirurgen in diesem Jahr durchführen, gab Dr. Marita Eisenmann-Klein vom Caritas-Krankenhaus St. Josef in Regensburg auf dem derzeit in Magdeburg stattfindenden gemeinsamen Jahreskongress der Vereinigung der Deutschen Plastischen Chirurgen und der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgen bekannt. In der Mehrheit handelt es um Fälle der rekonstruktiven Chirurgie, etwa nach Brandverletzungen, Unfällen oder Tumorentfernungen. Ein Beispiel dafür sind Brustamputation, die bei etwa einem Drittel der am Mammakarzinom erkrankten Frauen notwendig sind. Zur Rekonstruktion der Brust ist die ärztliche Kunst der plastischen Chirurgen gefragt. Für die Rekonstruktion kommen neben körpereigenem Gewebe meist Silikonkissen zum Einsatz, die mit Kochsalzlösung, Hydrogel oder mit Silikongel gefüllt sind. Sojaöl wird seit einem Jahr aufgrund des Nachweises toxischer Abbauprodukte nicht mehr als Füllung verwendet. Bis zum Sommer 2001 sollen alle Implantate mit Soja-Öl-Füllung entfernt werden. Betroffen davon sind in Deutschland etwa 3 000 Frauen. Eine Alternative sind Inhaltsstoffe auf Wasserbasis, die auch in Nahrungs- und Arzneimitteln eingesetzt werden. Die Beseitigung von Fehlbildungen und Asymmetrien der Brust, z.B. durch hormonale Veränderungen, fällt ebenfalls in das Gebiet der plastischen Chirurgen. Meist handelt es sich nicht nur um ein kosmetisches Problem, sondern auch um körperliche Beeinträchtigungen, etwa der Unfähigkeit zum Stillen oder Einschränkungen der Bewegungsfreiheit bzw. chronischen Rückenbeschwerden durch Brustabnormalitäten. Es sei "sehr bedenklich, dass die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlungskosten bei plastischen Brustrekonstruktionen immer seltener übernehmen", so Tagungsleiter Professor Wolfgang Schneider von der Universitätsklinik für Plastische-, Wiederherstellungs- und Handchirurgie in Magdeburg. Verletzungen und Fehlbildungen im Gesicht stellen die plastischen und ästhetischen Chirurgen vo besondere Herausforderungen, da Deformationen und Narben möglichst ausgeschlossen werden müssen. Ebenso wie in der Handchirurgie kommen hier z.Z. mikrochirurgische Operationen zum Einsatz. Im Unterschied zu Europa und Amerika sind derartige Techniken in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens meist nicht möglich. Dabei erfordert dort das häufige menschliche Leid die Hilfe plastisch-ästhetischer Chirurgen im besonderem Maße. Nicht wenige Spezialisten aus dem deutschsprachigen Raum arbeiten eine Zeit lang freiwillig in diesen Ländern, um den Menschen zu helfen und Erfahrungen zu sammeln. Die plastischen Chirurgen aus Deutschland stellen dabei nach den Kollegen aus den USA die zweitgrößte Gruppe. Auf der Magdeburger Tagung berichtete Dr. Stefan Ruf, plastischer Chirurg an der Universität Regensburg, über seinen Einsatz im Niger. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit dort war die Behandlung einer Erkrankung, die als NOMA bezeichnet wird. Diese Krankheit ist eine Folge unzureichender Ernährung und mangelhafter Hygiene. Sie führt zu einer Zerstörung der Knochen, Knorpel und Haut. Im Niger sind von 1000 Kindern etwa sieben bis 14 betroffen. In den Frühstadium könnte vielen mit Penicillin geholfen werden, aber oftmals sind Antibiotika in den afrikanischen Dörfern nicht ausreichend vorhanden. Wenn die betroffenen Kinder überleben, leiden sie oftmals unter großen Nekrosen im Gesicht. Bei einigen ist der Mundkieferbereich so vernarbt, dass sie Probleme bei der Nahrungsaufnahme haben. Innerhalb der Dorfgemeinschaften leben sie meist sozial ausgegrenzt. Dr. Ruf berichtete darüber, wie den Kindern mit Hilfe der plastischen Chirurgie geholfen werden konnte. Da unter den gegebenen Umständen keine mikrochirurgische Operationsverfahren wie in Europa und Amerika möglich sind, setzte er mit Erfolg so genannte lokale Lappenplastiken ein. Dabei handelt es sich um intakte Gewebestücke aus Haut, Muskeln und Blutgefäßen, die aus anderen Körperregionen entnommen wurden. Die geringe Komplikationsrate zeigt, dass man den betroffenen Kindern auch in ihrem Land helfen kann. Dennoch sei es ein großes Problem, dass selbst die einfachsten Voraussetzungen für die Hilfe vor Ort ohne finanzielle Unterstützung aus den reicheren Industrienationen meist nicht gegeben sind. Die Öffentlichkeit in Europa wird meist aber erst durch spektakuläre mikrochirurgische Operationen in Deutschland bzw. den anderen Industriestaaten Europas auf das traurige Schicksal der fast vergessenen Kinder des
    schwarzen Kontinents aufmerksam.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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