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18.09.2000 15:33

Journalismus patentiert? ...Noch ist es nicht soweit... Aber...

Werner Bussmann Geschäftsstelle, c/o Büro Gaßner, Groth, Siederer & Coll.
Geothermische Vereinigung e.V.

    Müssen sich Journalisten nun darauf gefasst machen, dass für das "zielgerichtete Betätigen der Finger beider Hände auf einer dafür geeigneten Tastatur zur in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit des Verfassers mental gesteuerten Erstellung eines journalistischen Textes sowie das begleitende oder abschließende Korrekturlesen desselben und das anschließende Vorbereiten des Textes zur Veröffentlichung mittels elektronischem oder...

    Journalismus patentiert? ...Noch ist es nicht soweit... Aber...

    Müssen sich Journalisten nun darauf gefasst machen, dass für das "zielgerichtete Betätigen der Finger beider Hände auf einer dafür geeigneten Tastatur zur in Abhängigkeit von der Leistungsfähigkeit des Verfassers mental gesteuerten Erstellung eines journalistischen Textes sowie das begleitende oder abschließende Korrekturlesen desselben und das anschließende Vorbereiten des Textes zur Veröffentlichung mittels elektronischem oder physischem Versand an einen oder mehrere dafür bestimmte Adressaten um daraus einen finanziellen Vorteil zu erzielen" künftig Lizenzgebühren zu entrichten sind, weil das Deutsche Patentamt in München dafür ein Patent erteilt hat? Egal welchen Inhalt der Text hat? Oder wie lang er ist? Und ein Text definiert wird als ein "Sacktext", also als Schriftstück, das einen Anfang und ein Ende hat? Geht nicht? Gibt's nicht? Von wegen.

    Wenn es sich nun aber bei der Patentinhaberin um eine Unternehmensgruppe handelt, die kürzlich mit einigen Milliarden Miesen in Konkurs gehen musste und mit der sich jetzt die Staatsanwaltschaft intensiv befasst? Und wenn das Deutsche Patentamt dieses Patent erteilt, während der Erfinder des o. g. Verfahrens in der Untersuchungshaft auf seinen Prozess warten darf? Und das Patentamt außerdem noch auf eine Offenlegung der Patentschrift verzichtet und damit das Genehmigungsverfahren bedeutend abkürzt? Wer denkt sich denn eine solche schwachsinnige Geschichte aus?

    Nun, den Journalisten wird das Zahlen wohl erspart bleiben. Eine solche Geschichte gibt es trotzdem.

    Es spielen mit:

    Der Erfinder: Klaus Kleiser, derzeit in Haft

    Die Patentinhaberin: FlowTex Technologie GmbH & Co. KG aus Ettlingen, Baden-Württemberg.
    (Der Name FlowTex machte Schlagzeilen. Die unter diesem Namen agierende Unternehmensgruppe ging im letzten Jahr mit mehreren Milliarden DM Schulden in Konkurs. Der Hauptvorwurf lautet, das Unternehmen habe mit vorgetäuschter Produktion von Horizontalbohrgeräten Gelder in Milliardenhöhe von Banken zu erhalten gesucht. Bekanntlich sind solche Gelder auch geflossen).

    Das Deutsche Patentamt: erteilte das Patent ohne eine Offenlegung am 15. 6.2000

    Und die Patenschrift selbst. Sie trägt die Bezeichnung DE 199 19 555 C 1 und vermerkt als Hauptanspruch: "Ein Verfahren zur Erschließung geothermischer Energie umfasst die Schritte des Vorantreibens einer vollkommen verlaufsgesteuerten Bohrung, das Erfassen der Temperatur im umgebenden Bereich sowie die Steuerung des Bohrverlaufs in Abhängigkeit von der Temperatur im Boden. Anschließend wird ein Wärmetauschrohr in die Bohrung eingebracht."

    Was soviel bedeutet wie: Es wird gebohrt und der Bohrverlauf wird bestimmt. Die Temperatur im Bohrloch wird gemessen. Ein Rohr wird eingebaut, mit dem anschließend die Wärme nach oben gebracht werden kann. Das ist das tägliche Geschäft seit mehr als hundert Jahren, wenn es um die Erschließung geothermischer Energie geht. Weltweit.

    In den 17 weiteren Unteransprüchen werden dann weitere Trivialitäten und Selbstverständlichkeiten des Bohrgeschäfts, oder Dinge, die seit Jahren oder Jahrzehnten Stand der Technik sind, der o.g. Patentinhaberin zugesprochen: Dass man nach dorthin bohrt, wo es wärmer wird. Also nach unten. Oder, dass man Bohrungen abgelenkt vorantreiben kann. Dass man anschließend Wärme aus dem Boden entnimmt. Patentiert wurde auch eine sogenannte "Sackbohrung". Dabei handelt es sich um eine Bohrung, die oben beginnt und unten endet. Also um ein echtes Aha-Erlebnis.

    Man könnte ja über so etwas lachen. Aber einer ganzen Branche ist das Lachen vergangen. Betrifft dieser Skandal doch die Arbeit aller darin aktiven Unternehmen, Planungs- und Architekturbüros, Heizungs- und Brunnenbauer, Tiefbohrunternehmen, Fernwärmeversorger, Stadtwerke, Komponentenhersteller, Betreibergesellschaften.

    Nachdem die Geothermische Vereinigung kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist am 15.09.00 von der Existenz dieses Patents erfuhr, hat sie sofort Einspruch eingelegt. Dieser Einspruch musste begründet werden. Was gar nicht so einfach war.

    Oder fiele Ihnen auf die Schnelle eine Textstelle ein, die - ordentlich im Zusammenhang formuliert - belegt, wie der mechanische Vorgang des journalistischen Schreibens und dessen Verwertung abgelaufen ist, bevor ein Patent dafür erteilt wurde? Und um was es sich bei einem Sacktext handelt?

    Den Text unseres Einspruchs finden Sie auf der Homepage der Geothermischen Vereinigung www.geothermie.de im Menüpunkt Aktuelles auch als Download-Angebot. Der Vollständigkeit halber dazugestellt haben wir ebenfalls den Text des Patents selbst. Auf der Homepage finden Sie außerdem ständig aktualisierte Informationen zu allen Bereichen der Geothermie. Bei Interesse nehmen wir Sie gern in den Verteiler unseres Email-Newsletters auf, der Sie regelmäßig über aktuelle Entwicklungen und/oder neue Informationen aus den in den "Geothermal Networks" versammelten Internetpräsentationen informiert.

    Geothermische Vereinigung e. V., Gartenstraße 36, 49744 Geeste, Tel: 05907 545, Fax: 05907 7379, Email Geothermische-Vereinigung@t-online.de.
    Ihr Ansprechpartner: Werner Bußmann


    Weitere Informationen:

    http://www.geothermie.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Elektrotechnik, Energie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Politik, Recht, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Organisatorisches
    Deutsch


     

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