Die Deutschen lieben Mittelmeer-Inseln: der aktuelle Mallorca-Boom zeigt es wieder
einmal. Diese Liebe hat eine lange Geschichte. Was heute die Baleareninsel Mallorca
ist, war vor 100 Jahren Capri, die Sireneninsel im Golf von Neapel.
Nachdem der
deutsche Dichter August Kopisch die "Blaue Grotte" entdeckt und zahlreiche deutsche
Schriftsteller die Schönheit der Insel in Reiseberichten, Erzählungen und Gedichten
besungen hatten, wurde Capri zum Traum-Eiland der deutschen Italien- Sehnsucht.
Und das Publikum, das es in den Süden zog, war bunt gemischt: Künstler und
Lebenskünstler, die sich dort ansiedelten; Industrielle, wie der "Kanonenkönig"
Friedrich Alfred Krupp, der auf der Insel eine eigene Straße baute; Wissenschaftler,
wie Emil Behring, der Entdecker des Diphterie-Serums, in dessen Villa sich Gorki und
Lenin trafen; Dichter, wie Rainer Maria Rilke oder Gerhart Hauptmann - aber auch
Massentouristen und nicht zuletzt "Aussteiger", Zivilisationsflüchtlinge,
Lebensreformer, Homosexuelle oder andere ungleiche Paare. Deutsch wurde die
zweite Sprache auf der Insel, es gab deutsche Hotels, deutsche Wirtschaften (mit
Münchner Hackerbräu im Ausschank), und die Hauptstraße hieß zu Ehren von Kaiser
Wilhelm via Hohenzollern. Sogar die Schiffspassage von Neapel nach Capri
funktionierte unter deutscher Flagge: Der Norddeutsche Lloyd in Bremen bediente die
Linie mit einem ausgemusterten Rheindampfer.
Dieser ganze Zauber ist heute verschwunden - was aber geblieben ist aus der
"deutschen Periode" auf Capri ist eine liebenswerte Einrichtung, die in diesem Jahr ihr
100-jähriges Jubiläum feiert: die "Deutsche Evangelische Kirche" an der via Tragara,
einer der heutigen Luxusmeilen der Insel. Wie vieles auf Capri ist auch sie ein
Kuriosum. Ihre Gründung verdankt sie der privaten Initiative eines Vereins Frankfurter
Kaufleute, die in Zeiten vehementer interkonfessioneller Auseinandersetzungen, wie
sie damals an der Tagesordnung waren, auf evangelische Seelsorge und Predigt
auch im katholischen Italien nicht verzichten wollten. Regelmäßig wurden aus
Deutschland sogenannte "Kurprediger" nach Capri geschickt, die während der
Hauptsaison (damals im Winter) ihren Dienst versahen. Als Capri nach dem 2.
Weltkrieg eine neue deutsche Reisewelle erlebte, wurden die Pastoren von der
Evangelischen Kirche in Deutschland entsandt. Daneben stand das Gotteshaus
Anglikanern und Waldensern zur Verfügung: ein früher Ort der Ökumene, der
interkonfessionellen und interkulturellen Begegnung von Menschen unterschiedlicher
Herkunft, Überzeugung und Lebensführung.
Das Jubiläum dieser deutschen "Enklave" im Süden wird in der ersten Oktoberwoche
2000 auf Capri groß gefeiert. Vorgestellt wird in diesem Rahmen auch ein neues Buch
des Bremer Germanisten und Kulturhistorikers Professor Dieter Richter, eines
Spezialisten auf dem Gebiet der Geschichte des europäischen Italien-Tourismus.
Richter hat aus deutschen und italienischen Archiven die Geschichte des deutschen
Lebens auf Capri rekonstruiert und legt unter dem Titel "Das Gotteshaus an der Via
Tragara" die offizielle Festschrift zum 100- jährigen Jubiläum vor. "Es wäre zu
wünschen" - so Richter - "dass auch in Zeiten schwindender konfessioneller und
nationaler Profilierung diese Einrichtung erhalten bleiben könnte: als Zentrum
deutsch- italienischer Begegnung auf der schönsten Insel der Welt".
Dieter Richter (Hrsg.): Das Gotteshaus an der Via Tragara. 100 Jahre Deutsche
Evangelische Kirche auf Capri. Eine Festschrift. Capri (Verlag La Conchiglia) 2000. DM
28.-
Kontakt:
Prof. Dr. Dieter Richter
Universität Bremen
Fachbereich Kulturwissenschaften
Tel. 0421/218- 3046 oder -2032; Fax 2449557
Email: dieterrichter@uni-bremen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Sprache / Literatur
überregional
Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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