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15.09.2000 00:00

Reiche Alte - Arme Junge? Verteilungskonflikte zwischen und innerhalb der Generationen

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Thema beim Kongress 2000 des Wissenschaftszentrums NRW am 5./6. Oktober an der Ruhr-Universität Bochum

    Müssen die Jüngeren eine immer größere Anzahl Älterer durchfüttern? Während heute auf 100 Erwerbstätige im Alter von 20 bis 60 Jahren rund 40 über 60-jährige kommen, sind es im Jahre 2050 rund doppelt so viele. Der Anteil der über 60jährigen an der Bevölkerung wird von jetzt gut 22 Prozent auf 37 Prozent steigen. Der "Krieg der Generationen" ließe sich durch mehr Produktivität und Wachstum beträchtlich entschärfen. Dazu gehört, dass die Älteren länger - bis zum Rentenalter - arbeiten, dass Einwanderung gezielt gefördert wird, dass Zukunftsinvestitionen Vorrang haben vor Schuldenabbau.

    Das sind Thesen, die am 5. Und 6. Oktober auf dem Kongress 2000 des Wissenschaftszentrums NRW an der Ruhr-Universität Bochum diskutiert werden. Unter dem Titel "Erfall Zukunft - Vordenken für und mit Nachkommen" werden unterschiedliche Fragestellungen aus Wirtschaft, Politik und Kultur jeweils unter Beteiligung Jüngerer und Älterer - sozusagen im Streit der Generationen - wissenschaftlich erörtert. Es geht um Fragen wie: Werden künftige Generationen noch in intakter Umwelt leben? Wie können Generationen voneinander lernen? Was heißt jung sein im Zeitalter des Jugendwahns?

    "Der Generationenvertrag ist weit komplexer als er in der heutigen Rentendiskussion erscheint", so Prof. Dr. Gerhard Bosch, Vizepräsident des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen). Die künftigen Alten werden nicht nur morgen Rentenempfänger sein, sie stehen heute in der Verantwortung für die Gestaltung der Zukunft. Die jüngere Generation sollte vor allem mehr Bildung und Zukunftsinvestitionen einklagen, sich selbst aber auch auf mehr Lernen und neue Erwerbsmuster einstellen.

    Die heutige Rentendiskussion ist nur ein Teil eines gigantischen Umverteilungsprozesses. Entschärfen kann man die Situation, wenn es gelingt, den Kreis der Beitragszahler - und damit den zu verteilenden Kuchen - zu vergrößern, schlägt der Arbeitsmarktforscher Bosch vor. Dafür müssen Beschäftigungsreserven mobilisiert werden. "Der Gesellschaft wird nicht - wie allerorts befürchtet - die Arbeit, sondern werden die Arbeitskräfte und damit die Beitragszahler für die Rentenversicherung ausgehen". Ab 2010 wird es zu Engpässen auf dem Arbeitsmarkt kommen.

    In den nächsten 15 Jahren muss die Beschäftigungsquote Älterer erhöht werden. Die Vorruhestandsregelungen der letzten 30 Jahre hatten zur Folge, dass in Deutschland heute nur noch 39 Prozent aller 55- bis 64-jährigen arbeiten. In der Schweiz sind es noch 71 Prozent, in Norwegen 67 und in Japan 63 Prozent. "Es geht hier nicht um die weitere Heraufsetzung des Rentenalters, sondern um die Beschäftigung bis zur Altersgrenze," fordert Bosch.

    Damit Frauen, die arbeiten wollen, es auch können, sind Kinderkrippen, Ganztagsschule und die Umverteilung von Haus- und Erwerbsarbeit zwischen Männern und Frauen notwendige Voraussetzung. 63 Prozent der Frauen zwischen 15 und 65 Jahren sind heute berufstätig, die gewünschte Erwerbsquote liegt allerdings heute schon bei 72 Prozent. Auch Einwanderungen sollten gezielt gefördert werden, etwa durch erleichterten Arbeitsmarktzugang für Asylbewerber, die vorsichtige Öffnung der Grenzen zu Osteuropa oder höhere Attraktivität der deutschen Hochschulen für ausländische Studenten.

    Die nächste Generation wird die Alterssicherung nicht nur an den Rentenbeiträgen, sondern auch an dem Bildungskapital messen, das ihr mitgegeben wurde. "Für Zukunftsinvestitionen, von denen die nachwachsende Generation profitiert, kann man sich durchaus verschulden", so Bosch. Die Verfestigung neuer Ungleichheit kann nur durch eine deutliche Erhöhung der Erbschaftssteuern verhindert werden. Denn wer eine gute Bildung mit dem zugehörigen sozialen Kapital von seinen Eltern mitbekommen hat, verdient nicht nur sehr gut, sondern erbt auch noch kräftig. Allein 1998 wurden 270 Milliarden DM vererbt und diese Summe steigt weiter an. Im Unterschied zu früheren Generationen gibt es heute nur wenig Altersarmut. Nur rund 1,5 Prozent der über 65-jährigen beziehen Sozialhilfe. Die Älteren sind ein erheblicher Wirtschaftsfaktor. Das Institut Arbeit und Technik hat errechnet, dass durch die Nachfrage der Älteren in den nächsten 10 bis 15 Jahren bis zu einer Million neuer Arbeitsplätze entstehen könnte, wenn Schlüsselbereiche wie Gesundheit und Soziales, Seniorenwohnungsbau sowie Sport und Freizeit gezielt in Richtung Seniorenwirtschaft entwickelt würden. Der Kreis der Beitragszahler wächst entsprechend.

    "Die heute 30jährigen werden 2035 Rentner sein und dann im Generationenvertrag die Seite wechseln. Grundvoraussetzung für einen Generationenvertrag ist längerfristiges Denken. Und dies ist heute die knappste Ressource," so Bosch.

    Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:

    Prof. Dr. Gerhard Bosch
    Tel.: 0209/1707-147

    Claudia Braczko
    Tel.: 0209/1707-176


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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