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13.05.1997 00:00

Mechanismen tiefer Erdbeben enträtselt

Jürgen Abel M. A. Pressestelle
Universität Bayreuth

    Universität Bayreuth Medienmitteilung Nr. 21/97 Dienstag, 13. Mai 1997

    Forschung mit extrem hohen Drücken und Temperaturen

    BAYREUTHER GEWOWISSENSCHAFTLER ENTRÄTSELN MECHANISMAN DER TIEFEN ERDBEBEN

    Hypothese vom Transformationsbruch experimentell bestätigt

    Bayreuth (UBT). Tiefe Erdbeben treten ca. 400 bis 700 km unter dem Meeresspiegel auf, dort wo wie im Pazifik die Ozeankruste unter die Kontinente abtaucht, haben einen Energieumsatz, der dem der stärksten und bekannteren Oberflächenbeben gleicht und sind deswegen auch auf benachbarten Kontinenten zu spüren. Und ihre Ursachen waren lange Zeit rätselhaft. Denn in diesen Tiefen sollten die Temperaturen und Drücke so hoch sein, daß sich die Gesteine nicht mehr durch Bruch deformieren können. Jüngste Experimente am Bayerischen Geoinstitut in Bayreuth haben unter der Leitung von Professor Dr. David C. Rubie nun zu einer Lösung dieses Rätsels geführt und gleichzeitig entscheidend zum Verständnis der Dynamik unseren ruhelosen Planeten beigetragen. Die Experimente bestätigten die Hypothese des Transformationsbruchs.

    Diese Hypothese beruht auf der Erkenntnis, daß Minerale, die in geringen Erdtiefen auftreten, unter höheren Drücken, bzw. größeren Tiefen in dichter gepackte Minerale mit anderen Kristallstrukturen umgewandelt werden. Dies gilt besonders für das häufigste Material des äußeren Erdmantels, der Olivin, der zunächst zum Mineral Wadsleyit und dann zu Ringwoodit umgewandelt wird, was mit einer Dichtezunahme von 6 bzw. 8 % verknüpft ist. Diese Minerale, deren Bildung in Tiefen von 400 bzw. 520 Km zu erwarten ist, können in Labor unter Drücken von 13 - 20 Gpa (130000 bis 200 000 Atmosphären). hergestellt werden.

    Konzept der Plattentektonik

    Außerdem passen die ,tiefen Erdbeben" in das Konzept der Plattentektonik, wonach die äußere, etwa 100 km dicke Zone der Erde, die starre Lithosphäre, aus einer Reihe von Platten besteht, die sich gegeneinander bewegen. Dort, wo sie sich aufeinander zubewegen, taucht eine der Platten bis zu mindestens 700 km in das Erdinnere ab, ein Phänomen, das man Subduktion nennt. Die tiefen Erdbeben treten ausschließlich in solchen subdukzierten Platten auf.

    Transformationsbruch-Annahme

    Die Transformationsbruch-Annahme besagt nun, daß die Umwandlung von Olivin in seiner Hochdruckformen Brucherscheinungen erzeugen könne, wenn sie im Stabilitätsfeld der Hochdruckstrukturen stattfindet. Dabei sollen sehr feinkörnige Produkte mit Korngrößen von weniger als ein Tausendstel mm entstehen, welche die in der Materialkunde bekannte Eigenschaft der Superplastizität aufweisen.

    Für diesen Mechanismus gibt es jedoch zwei Voraussetzungen: Einerseits muß das Niederdruckmineral Olivin in subduzierten Platten bis in Tiefen von 700 km überleben können, ohne sofort in die stabilere Hochdruckform umgewandelt zu werden. Dies ist nur möglich, wenn durch die niedrigen Temperaturen (ca. 400 bis 600 Grad C) in der subduzierten Platte die Umwandlung kinetisch gehemmt ist. Andererseits muß geprüft werden, ob und wie die ultrafeinen Korngrößen der Hochdruckformen bei der Umwandlung gebildet werden.

    Einmaliges Höchstdrucklabor

    Dieses untersuchten die Forscher am Bayerischen Geoinstituts in einem für Europa einmaligen Höchsdrucklabor, in dem Drücke bis zu 250.000 Atmosphären bei gleichzeitigen Temperaturen bis 2500Grad C erreicht werden können. Außerdem wurden die Produkte mit einem höchstauflösenden Elektronenmikroskop, das bis zu 10millionenfache Vergrößerungen erlaubt, untersucht.

    Wichtiger neuer Mechanismus der Umwandlung

    Dabei wurde als wichtiger neuer Mechanismus der Umwandlung eine Kristallisation der Hochdruckstrukturen im Inneren der Olivinkörner entdeckt: Entlang vieler parallel verlaufendender Störungen bilden sich fast gleichzeitig Keime der Umwandlungsprodukte. Bisher war angenommen worden, daß sie nur an den - relativ weit voneinander entfernten -Korngrenzen des Olivins wachsen können. Die elastische Verspannung durch den Volumenschwund im Innern der Olivinkristalle (6 - 8 %) führt nach der Keimbildung zu einer Abnahme der Reaktionsgeschwindigkeit. Beide Beobachtungen zusammengenommen erklären die Bildung der feinstkörnigen Hochdruckminerale, welche die Voraussetzung für Superplastizität und tiefe Erdbeben sind.

    Damit hat die Hypothese des ,Transformationsbruchs" eine entscheidende experimentelle Stütze erhalten. Weiterhin erklärt die beobachtete elastische Verspannung der teilreagierten Olivinkörner, weshalb dieses Mineral bis in so große Tiefen erhalten bleiben kann. Die Theoretiker müssen jetzt ihre Modelle um den neu entdeckten Reaktionsmechanismus erweitern und den Einfluß der Volumenänderung auf Reaktionsgeschwindigkeiten bei der Transformation berücksichtigen.

    Das Bayerische Forschungsinstitut für Experimentelle Geochemie und Geophysik - kurz Bayerisches Geoinstitut - ist eine Forschungseinrichtung der Universität Bayreuth, die im Jahr 1986 durch den Freistaat Bayern gegründet wurde. Die wissenschaftliche Arbeit des Instituts konzentriert sich auf die experimentelle Untersuchung der Zustände und Prozesse in der Erde durch Laborbestimmungen physikalischer und chemischer Eigenschaften an der Erdmaterie unter extremen Drücken und Temperaturen. Weitere Informationen sind im Forschungsbericht 1996 enthalten, der angefordert werden kann.

    Weitere Informationen bei Professor Dr. Friedrich Seifert Bayerisches Geoinstitut Universitaet Bayreuth D-95440 Bayreuth

    Tel. +49-921-553710 Fax +49-921-553769

    e-mail: Friedrich.Seifert@uni-bayreuth.de Bayerisches Geoinstitut Homepage: http://www.bgi.uni-bayreuth.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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