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04.10.2000 15:01

Bioethik zwischen Redefreiheit und -verbot

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Nicht um die Sachfragen der Bioethik an sich geht es in "Bioethik als Tabu?" (Hg. von Dieter Birnbacher), dem ersten Band einer neuen Reihe "Ethik in der Praxis/Practical Ethics. Kontroversen" (Hg. von Hans-Martin Sass, RUB-Institut für Philolosphie und Georgetown-University, Washington, USA), sondern um das Reden darüber. Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht den Befürchtungen gegenüber, was diese Diskussion anrichten könnte: Tritt sie eine Lawine des moralischen Verfalls los?

    Bochum, 04.10.2000
    Nr. 263

    Bioethik zwischen Redefreiheit und -verbot
    Von der (Un-)Diskutierbarkeit moralischer Standpunkte
    "Bioethik als Tabu?" - Erster Band neuer Reihe erscheint

    Dürfen Redner ihre Ansichten zu brisanten Fragen der Bioethik, wie Sterbehilfe, Pränataldiagnostik und selektive Abtreibung öffentlich kundtun, oder verletzen sie mit ihren Äußerungen schon die Rechte anderer? Nicht um die Sachfragen der Bioethik an sich geht es in "Bioethik als Tabu?" (Hg. von Dieter Birnbacher), dem ersten Band einer neuen Reihe "Ethik in der Praxis/Practical Ethics. Kontroversen" (Hg. von Hans-Martin Sass, RUB-Institut für Philolosphie und Georgetown-University, Washington, USA), sondern um das Reden darüber. Das Recht auf freie Meinungsäußerung steht den Befürchtungen gegenüber, was diese Diskussion anrichten könnte: Tritt sie eine Lawine des moralischen Verfalls los?

    Grundsätzliche Diskussion und Reichweite der Redefreiheit

    Klare Antworten auf Fragen der Bioethik fehlen: Dürfen Ärzte aktive Sterbehilfe leisten? Wenn ja, unter welchen Umständen? Soll etwa ein Fetus oder ein Embryo abgetrieben werden, bei dem eine schwere Behinderung noch im Mutterleib diagnostiziert wird, sollen die Eltern hier über Leben oder Tod selbst entscheiden können? Aber nicht nur die Beantwortung dieser Fragen stellt die Experten vor ein Problem, sondern darüber hinaus auch die Diskussion an sich: Gegner der Bioethik haben in der Vergangenheit häufiger Vortragsveranstaltungen und Seminare gesprengt oder durch ihren vehementen Protest die Äußerung kontroverser Standpunkte verhindert. Im Oktober 1998 richteten sie sich gegen den Mainzer Rechtsphilosophen Norbert Hoerster und verhinderten seinen Vortrag in Göttingen. Diese Aktionen waren Stein des Anstoßes einer grundsätzlichen Diskussion über die Reichweite der Rede- und Diskussionsfreiheit in der Bioethik.

    Unvereinbare Positionen stehen sich gegenüber

    Der nun erschienene Band versammelt in fünf Aufsätzen, dem Redemanuskript Hoersters von 1998 und Schriften von Behindertenorganisationen verschiedene Stellungnahmen zu diesem Problem. Sie beschäftigen sich mit der Frage, inwieweit das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung durch die Grundrechte anderer eingeschränkt wird - z. B. durch die Rechte derer, die sich durch die in der Diskussion geäußerten Meinungen nicht nur gekränkt, sondern in ihren elementaren Rechten bedroht sehen. Menschen mit Behinderung sehen etwa durch Befürworter der Früheuthanasie ihr Recht auf Leben in Gefahr - wäre die Rechtslage seit längerem tatsächlich so, wie es die Redner fordern, wären womöglich einige von ihnen nicht mehr am Leben. Zwei unvereinbare Positionen stehen sich gegenüber: Einerseits ist die freie Äußerung und Diskussion von Meinungen Grundlage des demokratischen Gemeinwesens, andererseits steht die Äußerung moralischer Meinungen nicht außerhalb der Moral. Äußerungen, die Schaden anrichten, sollten nicht gemacht werden dürfen; was aber ist "Schaden" in diesem Sinn? Und wenn Meinungsäußerung zu brisanten Themen ohne Verletzungen der Gefühle anderer nicht denkbar ist, wie viel Verletzung muss dann in Kauf genommen werden? Der Band möchte hier die Grenzen der öffentlichen Diskutierbarkeit ausloten.

    Neue Reihe schafft mündige Bürger

    Die vom Bochumer Philosophen Hans-Martin Sass herausgegebene Reihe "Ethik in der Praxis" will Fragen der Technik- und Wertfolgenabschätzung aus dem rein akademischen Diskurs stärker in die öffentliche Diskussion einbringen. Einen Schwerpunkt bildet die Auseinandersetzung mit Akzeptanz und Risiken modernen biomedizinischen Forschung und Entwicklungen in der Humanmedizin: Hierzu gehören etwa die Gentherapie, Patientenmündigkeit und -verantwortung und Ethik in Krankenhaus, Seniorenheim und Psychiatrie.

    Weitere Informationen

    Dr. Arnd T. May, Zentrum für medizinische Ethik der Ruhr-Universität, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22749, Fax: 0234/32-14-598/088, Email: med.ethics@ruhr-uni-bochum.de, Internet: http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme

    Titelaufnahme

    Dieter Birnbacher (Hg.): Bioethik als Tabu? Darf in der Ethik über alles diskutiert werden? Mit Beiträgen von Dieter Birnbacher, Günther Patzig, Anselm Müller, Carmen Kaminsky und Michael Wunder. (=Ethik in der Praxis/Practical Ethics. Kontroversen Bd.1, Hg. von Hans Martin Sass), Münster, LIT-Verlag 2000, ISBN 3-8258-4985-6


    Weitere Informationen:

    http://www.ruhr-uni-bochum.de/zme


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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