Fraunhofer-Presseinformation Nr. 15 vom 9. April 1998
Kreislaufwirtschaft: Pfiffige Loesungen sparen Kosten
Kreislaufwirtschaft ist nicht nur technisch machbar, sie spart auch Kosten. Auf der Hannover Messe (20.-25. April) praesentieren zehn Fraunhofer-Institute und das Demonstrationszentrum "Produktkreislaeufe" in Halle 23, Stand A06, wirtschaftlich interessante Loesungen fuer die Industrielle Kreislaufwirtschaft.
Als erstes Land der Welt hat Deutschland 1996 ein Kreislaufwirtschaftsgesetz erlassen. Statt Abfallbeseitigung wird auf die Wiederverwertung von Wertstoffen gesetzt. Ziel ist es, Ressourcen laenger und schonender zu nutzen. Dieser sparsame Umgang mit Rohstoffen schuetzt nicht nur die Umwelt, sondern senkt auch Betriebskosten. Dennoch setzen erst wenige Unternehmen auf innovative Produktkreislaeufe. Ein Problem: Viele Firmen wissen gar nicht, was heute machbar ist und welches Verfahren fuer ihr Unternehmen das richtige ist. Hier bieten Fraunhofer-Institute Unterstuetzung. Auf der Hannover Messe praesentieren sie Loesungen fuer die Kreislaufwirtschaft und Software-Programme, die helfen, umwelt- und recyclingfaehige Produkte zu fertigen und geeignete Verwertungswege zu finden.
Kreislaufwirtschaft beginnt nicht erst beim Recycling, sondern bereits bei der Produktentwicklung. Um ein Produkt "kreislauffaehig" zu machen, muß schon bei der Konstruktion bedacht werden, wie es spaeter auseinandergebaut und wiederverwertet werden soll. Mit dem ECO-Designer, einem Software-Tool zur oekonomischen und oekologischen Produktentwicklung, bietet das Fraunhofer-Institut fuer Produktionstechnik und Automatisierung IPA eine methodisch fundierte Vorgehensweise zum umweltfreundlichen Konstruieren an.
Große Probleme beim Recycling bereiten Leiterplatten. Die Demontage der Platinen ist sehr aufwendig, da die Platten bis zu 400 verschiedene Wertstoffe enthalten. Dabei sind Wertstoffe und Schadstoffe eng gepackt und oft sogar miteinander vermischt. Das Fraunhofer-Institut fuer Zuverlaessigkeit und Mikrointegration IZM hat eine wissensbasierte Software entwickelt, die komplette Baugruppen bewertet, Problemstellen herausfiltert und Alternativen vorschlaegt. Das System kann so helfen, umweltgerechtere Leiterplatten zu entwickeln. Die Nuetzlichkeit dieses Bewertungsmodells hat das IZM unter anderem auch am Beispiel einer Telefonplatine demonstriert.
Auch in die Produktion integrierte Umwelttechniken ermoeglichen ein Wirtschaften in Kreislaeufen. So koennen mit innovativen Techniken nicht nur Abwaesser gereinigt, und damit Entsorgungskosten gespart werden, sondern sogar wertvolle Produkte gewonnen werden. Das Fraunhofer-Institut fuer Grenzflaechen- und Bioverfahrenstechnik IGB hat im Auftrag einer Molkerei aus Norddeutschland ein Verfahren entwickelt, mit dem Molkerei-Abwasser gereinigt und Milchsaeure als Wertstoff produziert wird. Besonders leistungsfaehige Milchsaeurebakterien setzen den in der Molke enthaltenen Milchzucker zu Milchsaeure (Lactat) um. Durch Filtrationsverfahren und Bipolarelektrodialyse wird das Lactat vom Abwasser abgetrennt. Die so gewonnene Milchsaeure kann als Grundstoff in der chemischen Industrie - zum Beispiel zur Produktion biologisch abbaubarer Kunststoffe - eingesetzt werden. Bislang wurde das Verfahren im Labor- und Technikumsmaßstab getestet, doch Hochrechnungen der Fraunhofer-Wissenschaftler haben ergeben, daß sich der integrierte Bioprozeß in Großanlagen rechnet. Aus 100 000 Tonnen Molke koennen etwa 4 200 Tonnen Milchsaeure zu einem Preis von etwa 1,20 DM pro Kilo hergestellt werden. Derzeit liegt der Marktpreis bei 2,50 DM.
Wie beim Lackieren Abfall reduziert werden kann, zeigt das vom Fraunhofer-Institut fuer Systemtechnik und Innovation ISI entwickelte Computer-Programm PAINT. "PAINT steht fuer Planung von abfallarmen Produktionsverfahren und die Integration neuer umweltfreundlicher Technologien", erklaert Matthew Corley vom ISI. Das Programm bildet den Lackiervorgang technisch ab und stellt ihn graphisch dar. Zudem bestimmt es die Stoff- und Energiestroeme. Um diese so klein wie moeglich zu halten, greift PAINT auf eine wissensbasierte Datenbank zurueck. Diese kann 30 verschiedene Lackierverfahren mit 50 verschiedenen Stoffen und mehr als 300 verschiedenen Regeln verknuepfen. Ein Lackierer gibt nur ein, welches Produkt er lackieren will und PAINT sucht die guenstigste Prozeßalternative heraus. Dabei gewichtet das Programm nach fuenf Kriterien: Kosten, Energiebedarf, Abfallmenge, moegliche Giftigkeit des Abfalls und Emissionen.
Fuer einen mittelstaendischen Hersteller von Autoparksystemen wurde das Programm bereits erfolgreich eingesetzt. Er ließ bislang seine metallischen Werkstuecke mit loesemittelhaltigen 1K-Lacken von Hand lackieren. Dabei fielen pro Jahr 7 500 Kilogramm Lackschwaemme an. Mit Hilfe von PAINT wurde ein guenstigeres Verfahren aufgezeigt. Die Fima stellte ihren Betrieb auf Pulverlackiertechnologie um und spart seither etwa 30 Prozent Kosten ein.
Umweltgerechte Konstruktion und Produktion schaffen die Voraussetzungen fuer recyclingfaehige Produkte, doch erst die logistischen Prozesse Sammlung, Transport und Demontage schließen die Kreislaeufe. Erfahrungen des Fraunhofer-Instituts fuer Materialfluß und Logistik IML zeigen, daß bis zu 70 Prozent der Kosten fuer die gezielte Verwertung von Altprodukten in der Rueckfuehrlogistik zu suchen sind. Daß die Rueckfuehrung gebrauchter Produkte oekonomisch und oekologisch sinnvoll sein kann, zeigt das IML am Beispiel einer Einwegkamera der Firma Agfa-Gevaert AG. Die "Einwegkamera mit Mehrwegkonzept" ist so konstruiert, daß viele Bauelemente wieder zur Produktion neuer Kameras eingesetzt werden. Die weltweite Rueckfuehrung und nahezu vollstaendige Wiederverwertung der Bauteile erwies sich als das beste Konzept. Trotz des enormen Transportaufwands werden 30 Prozent weniger Energie benoetigt als fuer ein dezentrales, laenderspezifisches Recycling.
Weitere Loesungen fuer die Industrielle Kreislaufwirtschaft stellen die Fraunhofer-Institute fuer Zuverlaessigkeit und Mikrointegration IZM, Materialfluß und Logistik IML, Informations- und Datenverarbeitung IITB, Chemische Technologie ICT, Verfahrenstechnik und Verpackung IVV, Grenzflaechen- und Bioverfahrenstechnik IGB, Fabrikbetrieb und Automatisierung IFF, Umweltchemie und OEkotoxikologie IUCT, Systemtechnik und Innovationsforschung ISI und Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Halle 23, Stand A06 vor.
Weitere Informationen: Hans-Joerg Griese, Telefon 0 30/4 64 03-1 32, Telefax 0 30/4 64 03-131
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Elektrotechnik, Energie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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