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12.10.2000 09:21

"Ernährung in Grenzsituationen": Bericht vom 7. Heidelberger Ernährungsforum

Dr. Uwe Spiekermann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Rainer-Wild-Stiftung für Gesunde Ernährung

    Die "Ernährung in Grenzsituationen" stand im Mittelpunkt des 7. Heidelberger Ernährungsforums der Dr. Rainer Wild-Stiftung. Die Themenpalette der Vorträge reichte dabei von Säuglingskost und der Ernährung Hochbetagter über die Verpflegung in Kliniken und Gefängnissen bis hin zum Hochleistungssport und Astronautenkost.

    Anstatt den Durchschnittsmenschen zu betrachten wurde am 4. und 5. Oktober in Heidelberg damit begonnen, durch die Beschäftigung mit Grenzsituationen menschlicher Ernährung den Blick über das "Normale" hinaus zu erweitern. Normwerte besitzen in solchen entweder freiwillig oder gezwungenermaßen erreichten Grenzsituationen oftmals wenig Aussagekraft. Hier ist vielmehr eine spezielle Ernährungs- und Betrachtungsweise erforderlich.

    In Vorträgen und Arbeitsgruppen gingen die Teilnehmer folgenden Leitfragen nach:
    Welche natürlichen und gesellschaftlichen Grenzen prägen die Ernährung des Menschen?
    Welche Wechselbeziehung existiert zwischen Nahrungsbedarf und Ernährungsbedürfnis?
    Worin besteht der Reiz des Extremen, und wo liegen die Gefahren?
    Was können wir aus Ernährung in Grenzsituationen für den Alltag lernen?
    Und welche Rückwirkungen des Themas bestehen für den Bereich der Ernährungsberatung und der Ernährungspolitik?

    Sowohl die etwa 80 Kongressteilnehmer als auch die Referenten gehörten sehr unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen an. Entsprechend vielschichtig war auch das Verständnis von Grenzen und Grenzsituationen. Aus naturwissenschaftlicher Sichtweise sind unter Grenzsituationen existenzbedrohende Zustände zu verstehen. Demgegenüber stellten die Kulturwissenschaftler eher die Grenzziehung zwischen "sich" und "dem anderen" in den Mittelpunkt, wobei jeder Essvorgang an sich eine Grenzsituation darstellt.

    Der einführenden anthropologischen Deutung des Begriffes der Grenzsituation von Prof. Dr. Gernot Böhme stellte die Ökotrophologin Gesa Schönberger von der Dr. Rainer Wild-Stiftung eine naturwissenschaftliche Systematik der Extreme und Grenzen menschlicher Ernährung gegenüber. Anschließend beschrieb Prof. Dr. Wolf Endres, von der Nestlé Alete GmbH die Säuglings- und Frühgeborenenernährung als Grenzernährung. Ihm folgend stellte der Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Helmut Heseker die Veränderung der Ernährungsbedürfnisse im höheren Alter dar und betonte den langfristigen Einfluss der Ernährungsweise auf den Alterungsprozess. Einen Überblick über die historische Entwicklung der Ernährung in deutschen Gefängnissen bot danach die Wirtschafts- und Sozialhistorikerin Ulrike Thomas. Abschließend beschrieb Prof. Dr. Christoph Puchstein die besondere Bedeutung der Ernährung von Intensivpatienten mit dem Ziel der Überbrückung vital bedrohter Lebensphasen.

    Gelegenheit zur vertiefenden Diskussion wurde anschließend in drei moderierten Arbeitsgruppen geboten, in denen die praktische Relevanz des Themas "Grenzsituationen" für Forschung/Wissenschaft, Beratung/Öffentlichkeit und für das Schulwesen erörtert wurde.

    Am zweiten Veranstaltungstag stellte der Mannschaftsarzt des Team Telekom die Wettkampfnahrung der deutschen Radsportprofis während der Olympiade und der Tour de France vor, wo die Fahrer bis an die Grenzen ihres Leistungsvermögens gehen. Der Begegnung von Ernährungskulturen im Sinne von nationalen Ernährungsgewohnheiten einerseits und dem Konflikt von Ernährungswissenschaft und Essalltag andererseits war der folgende Vortrag des Wirtschafts- und Sozialhistorikers Dr. Uwe Spiekermann von der Dr. Rainer Wild-Stiftung gewidmet. Anschließend schilderte der Volkskundler Prof. Dr. Albrecht Lehmann die Erfahrung einer Grenzsituation unter dem Einfluss des Nahrungsmangels in sowjetischen Kriegsgefangenenlagern des 2. Weltkriegs. Im letzten Vortrag beschrieb die Ökotrophologin Dr. Martina Heer vom Institut für Luft- und Raumfahrtmedizin in Köln die Belastung der Astronauten in Mikrogravitation und die besonderen Anforderungen an die Beschaffenheit von "Space Food".

    In einer abschließenden Podiumsdiskussion präsentierten die Teilnehmer ihre Ergebnisse aus den Arbeitsgruppen vom Vortag und zogen daraus Konsequenzen für die Praxis. Einvernehmen herrschte darüber, dass Ernährung in einem weiteren, interdisziplinären Kontext gesehen werden sollte. Ein konkreter Ansatz zur Überwindung der Grenzen zwischen den Wissenschaftsdisziplinen könnte im Austausch von Daten, Erfahrung und Wissen bestehen. Die Teilnehmer hielten es auch für wichtig, den zunehmenden Wissensbedarf der Bevölkerung über Ernährung zu nutzen. Es wurde vorgeschlagen, insbesondere in Schulen und Hochschulen neuartige Zugänge zu Ernährung zu bieten um so Möglichkeiten zum praktischen Entdecken, Erfahren und Ausprobieren zu schaffen.

    Wenn man sich vergegenwärtigt, dass im Vergleich zu den empfohlenen Durchschnittswerten die Normalkost vieler Deutschen extrem ist, scheint die Berücksichtigung von Grenzsituationen ein vielversprechender Ausgangspunkt für die Entwicklung zukunftsfähiger Ernährungskonzepte zu sein.


    Weitere Informationen:

    http://www.gesunde-ernaehrung.org


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    Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion wurden die praktischen Konsequenzen aus den Debatten gezogen.
    Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion wurden die praktischen Konsequenzen aus den Debatten gezog ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Bei der abschliessenden Podiumsdiskussion wurden die praktischen Konsequenzen aus den Debatten gezogen.


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