Bochum, 14.01.1998 Nr. 8
Der Quantensprung zum Halbleiter Evang. Studienwerk fördert Bochumer Physiker Schwerpunktprogramm in RUB-Nanoelektronik
Moderne Halbleiter sollen in Bochum aus der Verknüpfung von Quantentheorie und Relativitätstheorie hervorgehen. Dafür richtet das Evangelische Studienwerk e.V. Villigst an der RUB einen Promotionsschwerpunkt ein, dessen Bedingungen und Fördersumme den von DFG-Graduiertenkollegs vergleichbar sind. Der Schwerpunkt ,Wechselwirkung: Grundlagen der relativistischen Quantenphysik - Nanoelektrische Systeme in Halbleitern" unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Wieck (Angewandte Festkörperphysik, Fakultät für Physik und Astronomie der RUB) und Prof. Dr. Detlev Buchholz (Theoretische Physik, Fakultät für Physik, Univ. Göttingen) ist eines von nur vier bewilligten Kollegs aus 52 Anträgen an das Ev. Studienwerk.
Zwölf Projekte für die Zukunft der Elektrotechnik
Ab April 1998 werden insgesamt zwölf Doktoranden in einem Zeitraum von fünf Jahren gefördert, um Fragestellungen des Schwerpunktes zu bearbeiten: Sechs direkt in der RUB zu experimentellen Fragestellungen aus der Quantenphysik; weitere sechs Arbeiten mit theoretischem Hintergrund werden in der Universität Göttingen in enger Kooperation mit Bochum entstehen. Diese Fragen der Grundlagenforschung an elektrischen Leitern werden ihre Anwendung später in der Elektronik finden.
"Vollförderung für Doktoranden"
Das Evangelische Studienwerk unterstützt die Promotionen als ,Vollförderung'; die Studenten haben somit keine Lehrverpflichtung und können sich ganz auf ihre Forschung konzentrieren. Das Studienwerk stellt auch Mittel für Reisen zu internationalen Kongressen und Vorträgen sowie zu Trainings- und Forschungsaufenthalten zur Verfügung. Das Stipendium ist von seinem Förderungsumfang her am ehesten mit dem Graduiertenkolleg der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) zu vergleichen.
Quanten noch relativ ungenau
Obwohl die Quantentheorie und die Relativitätstheorie einzeln jeweils bestens belegt sind und ein solides Fundament der modernen Physik darstellen, steht eine konsequente Verknüpfung der Systeme immer noch aus. Das gilt besonders für untereinander wechselwirkende Systeme. In diesem Zusammenhang muß auch noch untersucht werden, wie Strahlung und Materie einander beeinflussen. Das betrifft auch die Kompatibilität von Quantentheorie und Gravitation.
Halbleiter in Nanotechnologie
Der Schwerpunkt der experimentellen Forschung in Bochum wird in der sogenannten Nanotechnologie von Halbleitern liegen. Exemplarisch geht es dabei um den ,Quantum-Hall-Effekt", den Nobelpreisträger von Klitzing 1982 entdeckte: Wird ein Magnetfeld an einen Halbleiter angelegt, so führt das zu einer Entartung der Energiezustände; der Halbleiter leitet dann sogar noch bei Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt (-273 Grad Celsius). Unter diesen Umständen hat von Klitzing den Quanten-Hall-Effekt, die Quantisierung des Hall-Widerstandes entdeckt. Die gängige Vorstellung ist, daß die normale Elektronendichte eines Halbleiters zu mikroskopischen Ringströmen mit genau definierter Ausdehnung verändert wird, wenn man ein Magnetfeld von außen anlegt. Die Stromdichte im mittleren Bereich der flächigen Probe hebt sich dann exakt auf. Die Breite eines solchen ,Quanten-Hall-Plateaus" kann aber nur durch zusätzlich über die ganze Probe fließende Ströme erklärt werden. Dieses Problem will Prof. Wieck mit seinen Stipendiaten untersuchen.
Ion für Ion implantieren
Mit fokussierter Ionenimplantation (Focussed Ion Beam, FIB), einer in dieser Konfiguration nur in Bochum vorhandenen Anlage, will Wieck die Ränder einer solchen Probe neu definieren und dabei den grundlegenden Phänomenen der Wechselwirkung von Ladungsträger-Transport und Materie auf die Spur kommen. Die eingebrachten Ionen dienen als intentionell eingebrachte Streuzentren und beeinflussen die elektromagnetischen Randzustände im Quanten-Hall-Bereich. Über diese nun neu definierten Störstellenbereiche können die Wissenschaftler eine Spannung anlegen, mit deren Hilfe sie den Randbereich des Elektronengases um bis zu einige µm verschieben. So können die Quanten-Hall-Spektren verschoben, einige Zustände unterdrückt und besser untersucht werden. Diese Methoden sind für die Entwicklung zukünftiger Technologien in der Elektronik zentral.
Mit Göttinger Physiker die Theorie erweitern
Sechs weitere theoretische Untersuchungen sollen Klarheit über die Verknüpfung der Relativitäts-und Quantentheorie bringen. Die Doktoranden aus Göttingen werden kritisch den Bestand aufnehmen und Probleme bewerten. Schließlich werden sie mit Bochumer Unterstützung Perspektiven zur weiteren systematischen Bearbeitung und Lösung der Aufgaben erarbeiten.
Stipendiaten werden noch im Januar beannt
Prof. Wieck hat die Dissertationsvorhaben für Bochum beantragt und ist auch Mitglied des Gremiums, das über die Vergabe der Themen entscheidet. Er ist einer der ersten Naturwissenschaftler, die von einer sonst hauptsächlich an Geisteswissenschaftler vergebenen Förderung profitieren. In diesem Promotionsschwerpunkt wird Wieck mit verschiedenen Lehrstühlen - auch an anderen Universitäten -kooperieren, darunter auch mit seinen Bochumer Kollegen Prof. Dr. Claus Rolfs (Experimentalphysik, Physik mit Ionenstrahlen) und Prof. Dr. Ulrich Kunze (Werkstoffe der Elektrotechnik); eine Kooperation ist auch mit dem Institut für Materialwissenschaften der Universität Wuppertal vorgesehen. Noch im Januar werden die Stipendiaten voraussichtlich ausgewählt, die dann an diesen Forschungsprojekten arbeiten.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Andreas Wieck, Ruhr-Universität Bochum, Fakultät für Physik und Astronomie, Angewandte Festkörperphysik, 44780 Bochum; Tel.: 0234/700-6726, Fax: 0234/7094-380, E-Mail: andreas.wieck@ruhr-uni-bochum.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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