Wartungsfrei und umweltfreundlich
Sieger nach 200 Millionen Runden
Ein kaum beachtetes Patent stoert den Dornroeschenschlaf der Industrie
CHEMNITZ. Man kann ueber die DDR sagen, was man will - in Osteuropa jedenfalls war sie der technologisch am weitesten fortgeschrittene Staat. Mit dafuer verantwortlich war ausgerechnet der notorische Devisenmangel. Er zwang die DDR-Wissenschaftler dazu, Alternativen zu teurer westlicher Technologie zu entwickeln. So manches wurde da zum zweiten Mal erfunden, doch liessen sich die Forscher auch zahlreiche interessante und innovative Loesungen einfallen, die nach der Wende zu Unrecht in Vergessenheit gerieten. Ein Beispiel dafuer ist ein besonders kostenguenstiges und wenig reparaturanfaelliges Verfahren fuer die Achsherstellung, das Maschinenbauer der Technischen Universitaet Chemnitz-Zwickau entwickelten. Das "neue", weil im Westen Deutschlands noch unbekannte, Verfahren werden die Chemnitzer Forscher vom 22. bis zum 27. April auf der Hannover Messe vorstellen.
Achsen sind nicht nur jene Stangen mit seitlich angehaengten Raedern, die wir von Autos und Zuegen kennen. Sie sind vielmehr auch in jedem Motor, jedem Getriebe, jedem Aggregat zu finden, wo eine Nabe eine drehbare Welle umschliesst. Normalerweise werden beide unter Druck zusammengesteckt und muessen dann halten. Doch gerade bei ungleichmaessiger Belastung, etwa durch staendiges Ab- und wieder Anfahren eines Motors, treten gewaltige Kraefte auf. Dabei kann leicht die Nabe ausschlagen und die gesamte Achse zerstoeren. Weil Welle und Nabe unterschiedlich steif sind, kann es ebenfalls zu kleinen Verschiebungen gegeneinander kommen. Meist schon vorher tritt ausserdem sogenannter Passungsrost auf. Es bilden sich Risse und Brueche, fruehzeitiger Verschleiss ist die Folge.
Hier nun setzte die Chemnitzer Arbeitsgruppe um die Ingenieure Dr. Herbert Gropp, Dietmar Klose, Prof. Guenter Pursche und Horst Laetsch an. Die Welle oder die Nabe - immer nur eines der beiden Teile - wurde mit eine Phosphatverbindung behandelt, wie sie normalerweise zum Oberflaechenschutz dient. In einer Dicke von etwa fuenf tausendstel Millimeter wird dadurch die oberste Schicht des Werkstoffs umgewandelt. Derart zusammengefuegte Achsen koennen wesentlich groessere Dreh- und Biegemomente verkraften als ueblich und sind daher fuer hohe Belastungen geeignet. Die Haftung der beiden Teile aneinander ist doppelt so gross wie bei der herkoemmlichen Verbindung, Passungsrost bildet sich ebenfalls nicht mehr. Umfangreiche Tests der Chemnitzer Forscher ergaben, dass eine nach alter Methode hergestellte Achse nach 29 Millionen Be- und Entlastungszyklen den Geist aufgab. Passungsrost war schon lange vorher zu beobachten. Eine nach der Chemnitzer Methode hergestellte gleichartige Achse dagegen schaffte spielend mehr als 200 Millionen Lastwechsel, bevor die Maschinenbauer aus Zeitgruenden den Versuch abbrachen.
Damit nicht genug: die neue Achspressverbindung bietet noch weitere Vorteile. So ist, anders als bei herkoemmlichen Achsen, ein mehrmaliges Zusammenfuegen und wieder Loesen moeglich. Da die Welle-Nabe-Verbindung nicht mehr ausschlaegt, ist sie praktisch wartungsfrei. Wo aber noch an anderen Stellen Verschleiss auftritt, etwa bei den Zaehnen eines Zahnrades, koennen spezielle Verschleissbuchsen eingesetzt werden, die einen separaten Ersatz nur des Zahnkranzes ermoeglichen. Weil durch die neue Pressverbindung groessere Kraefte uebertragen werden koennen, reicht oftmals auch eine Hohlwelle statt einer Vollwelle. Durch all dies zusammen laesst sich bis ueber 50 Prozent Material einsparen. Da die Achsen praktisch wartungsfrei sind, wird auch an dieser Stelle gespart.
Das Verfahren der Chemnitzer ist gleich zweifach umweltfreundlich: einmal wegen des geringeren Materialverbrauchs, zum anderen weil das dadurch eingesparte Gewicht auch zu einem niedrigeren Energieverbrauch der angetriebenen Achsen fuehrt. Schon zu DDR-Zeiten so gebaute Getriebe und Motoren wurden erfolgreich etwa bei der Berliner U-Bahn, bei der Athener Metro und in Landmaschinen eingesetzt. Nach der Wende wurde die Technologie, die noch zu DDR-Zeiten patentiert wurde, von den Aufkaeufern der entsprechenden DDR- Betriebe nicht mehr genutzt, weil sie die vermeintlich ueberlegenen Kenntnisse zu haben glaubten. Die Ergebnisse der Tests sprechen freilich eine andere Sprache.
Kontakt: Technische Universitaet Chemnitz-Zwickau, Fakultaet fuer Maschinenbau und Verfahrens- technik, Strasse der Nationen 62, 09107 Chemnitz, Dr.-Ing. Herbert Gropp, Telefon: (03 71) 5 31-13 54, Fax: (03 71) 5 31-18 49 oder vom 22. bis 27. April auf der Hannover Messe 1996, Halle 18, 1. Obergeschoss, Stand J 16 auf der Gemeinschaftsflaeche "Forschungsland Sachsen".
Stichwort: Neue Generation von Pressverbindungen fuer hohe dynamische Belastungen
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Maschinenbau
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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