Jena. (25.10.00) Mit "Functional Food" und "genveränderten Lebensmitteln" hat sich die Thüringer Sektion der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) gleich zwei hochbrisante Themen auf das Programm ihrer morgigen 8. Ernährungsfachtagung (26.10., Aula der Uni Jena) geschrieben. "Wir begreifen heute Lebensmittel in seiner ursprünglichen Wortbedeutung als ,Mittel zum Leben'", erläutert deren Vorsitzender, Prof. Dr. Gerhard Jahreis, Ernährungswissenschaftler an der Uni Jena, das Motto der Tagung, "aber wir müssen uns darüber im klaren sein, dass inzwischen bei uns fast keine Speise mehr naturbelassen und unverändert auf den Tisch kommt, so wie vor 100 Jahren."
Tatsächlich sieht Jahreis in der "Functional Food"-Bewegung einen wesentlichen Fortschritt, der zu einer besseren Volksgesundheit in den Industrieländern beitragen könne. Diese "Speisen mit Zusatznutzen" sind lebensmitteltechnisch gezielt verändert und beeinflussen zum Beispiel den Cholesterinstoffwechsel oder sind mit Vitaminen und krebshemmenden Antioxidantien angereichert. "Eigentlich müssten wir modernen Mensche konsequent unser Essverhalten ändern", beschreibt Jahreis das Dilemma, "aber wer will schon gerne seinen gewohnten Lebensstil über den Haufen werfen."
So sieht er etwa eine neue Margarine, die einen erhöhten Anteil pflanzlicher Sterine enthält, um auf den Choelsterinstoffwechsel einzuwirken, durchaus nicht unkritisch: "Besser wäre es, überhaupt weniger Fette aufzunehmen", meint er. Andererseits ließe sich auch die Volkskrankheit Osteoporose, die vor allem Frauen nach den Wechseljahren betrifft, einschränken, wenn mehr pflanzliche Östrogene, wie sie etwa in Soja und Leinsamen vorkommen, in moderne Lebensmittel "eingebaut" würden. "Das ersparte sicher in vielen Fällen eine medikamentöse Behandlung", erläutert Prof. Jahreis, "andererseits bin ich mir nicht sicher, ob diese Phyto-Östrogene in Margarine oder Joghurt künstlich implementiert werden müssen; man kann auch einfach Leinsamen ins Brot backen."
Dennoch sei die Entwicklung im "Functional-Food"-Bereich kaum aufzuhalten. "In Japan ist man uns auf diesem Gebiet schon ein paar Schritte voraus", meint der Jenaer Wissenschaftler, "aber wir müssen diese Lebensmittel, die immer stärker in Richtung Arzneimittel tendieren, auch einer sehr strengen Prüfung unterziehen, bevor sie die Marktzulassung erhalten."
Ähnlich zwiespältig verhält es sich mit genveränderten Lebensmitteln. "1999 waren in Deutschland 22 genveränderte Lebensmittel auf dem Markt, heute nicht mehr ein einziges", skizziert Jahreis den Stand der Dinge, "die Anti-Gentechnik-Bewegung hat sich über die Verbraucher durchgesetzt - unter anderem deshalb, weil die gentechnischen Veränderungen fast nur im Sinne der großtechnischen Lebensmittelproduzenten und nur sehr selten im Interesse der Verbraucher durchgeführt wurden."
Dabei sieht Jahreis die gentechnische Veränderung von Nahrungsmitteln keineswegs grundsätzlich negativ. "Da lässt sich eine Menge Sinnvolles tun: zum Beispiel gibt es gentechnisch veränderten Reis mit erhöhtem Anteil an Vitamin A-Vorstufen im Korn, oder es ließe sich Raps mit Omega 3-Fettsäuren produzieren, die üblicherweise nur in Fischen und Meeresfrüchten vorkommen, und von denen wir ohnenhin viel zu wenig aufnehmen." - Mit Rapsöl braten, spart Langusten essen, hieße dann die Devise.
Geschmacksveränderungen gäbe es durch diese gentechnischen Kniffe nicht, und aus ernährungswissenschaftlicher Sicht seien die von Gegnern beschworenen Gefahren für den Menschen durch "Genfood" äußerst gering, meint Jahreis. "Machen wir uns nichts vor: Alle Enzyme und viele Geschmacksstoffe, die wir heute mit der Nahrung - vom Joghurt über Marmelade bis zu Ketchup - bedenkenlos aufnehmen, werden gentechnisch hergestellt." - Sie sind eben bloß nicht kennzeichnungspflichtig.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Gerhard Jahreis
Lehrstuhl für Ernährungsphysiologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Tel.: 03641/949610, Fax: 949612, E-Mail: b6jage@rz.uni-jena.de
Koordinaten: Beginn der Tagung um 9.30 Uhr, Mittagspause 12.05-13.00 Uhr mit Verkostung Thüringer Produkte im Aula-Foyer (nur für Teilnehmer und Journalisten)
Friedrich-Schiller-Universität
Referat Öffentlichkeitsarbeit
Dr. Wolfgang Hirsch
Fürstengraben 1
07743 Jena
Tel.: 03641/931031
Fax: 03641/931032
E-Mail: roe@uni-jena.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Tier / Land / Forst
regional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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