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25.03.1998 00:00

Nachwuchsgruppe Gehirnforschung

Adolf Kaeser Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Zu Beginn der Embryonalentwicklung ist das Gehirn der Wirbeltiere nichts anderes als ein schlauchartiges Gebilde aus nicht unterscheidbaren Vorlaeuferzellen. Wie sich dieser Schlauch dann weiterentwickelt, ist ein noch weitgehend unverstandener Prozess. Mit ihm befasst sich eine neu geschaffene Nachwuchsgruppe am Biozentrum der Universitaet Wuerzburg.

    Geleitet wird diese wissenschaftliche Nachwuchsgruppe seit 1. Februar von Dr. Andrea Wizenmann (36). Die Biologin war zuvor fast sechs Jahre lang in der Forschung am Guy's Hospital in London taetig. Ihre Nachwuchsgruppe "Entwicklungsneurobiologie" entstand auf Initiative der acht Lehrstuehle, die im Theodor Boveri-Institut fuer Biowissenschaften (Biozentrum) der Universitaet Wuerzburg zusammengefasst sind.

    Die Lehrstuehle hatten der Volkswagen-Stiftung in Hannover vorgeschlagen, am Biozentrum eine solche Gruppe einzurichten, und zwar befristet auf fuenf Jahre. Nachwuchsgruppen haben sich im ausseruniversitaeren Bereich, zum Beispiel bei der Max-Planck-Gesellschaft, als aeusserst erfolgreich erwiesen, sind aber in Universitaeten bislang kaum realisiert. Sie sollen hochqualifizierten jungen Wissenschaftlern bzw. Wissenschaftlerinnen die Moeglichkeit geben, eigenstaendige Wissenschaft zu betreiben, um sich fuer die weitere Laufbahn in Forschung und Lehre zu qualifizieren.

    Auf den Antrag des Biozentrums hin beschloss die Stiftung einerseits, ein neues Schwerpunktprogramm "Nachwuchsgruppen an Universitaeten" einzurichten, das sich im wesentlichen an den Ideen aus Wuerzburg orientiert. Andererseits bewilligte sie fuer die Einrichtung der Nachwuchsgruppe am Biozentrum rund 2,1 Millionen Mark an Personal- und Sachmitteln fuer eine Laufzeit von fuenf Jahren und ging damit sogar ueber die beantragte Summe hinaus. Schliesslich waehlte ein Gremium aus Wuerzburger Wissenschaftlern und externen Gutachtern, die von der VW-Stiftung benannt worden waren, Dr. Wizenmann in einem kompetitiven Verfahren als Leiterin der Gruppe aus.

    Neben der Moeglichkeit, eigenverantwortlich zu forschen und eine unabhaengige Arbeitsgruppe zu leiten, biete ihr das Biozentrum den Vorteil, in eine exzellent funktionierende, interdisziplinaer organisierte Wissenschaftseinrichtung eingebunden zu sein, sagt Dr. Wizenmann. Dies betreffe insbesondere die Organisation, das Angebot an wissenschaftlichen und verwaltungstechnischen Serviceleistungen wie auch die Kooperationsmoeglichkeiten.

    Worueber wird die neue Gruppe nun in den kommenden fuenf Jahren forschen? Um das zu erklaeren, holt Dr. Wizenmann aus: "Die Tatsache, dass Sie diesen Text lesen koennen, haengt nicht zuletzt davon ab, dass die Bilder, die auf Ihrer Netzhaut empfangen werden, korrekt, also in einer topographischen Ordnung, auf spezifische Nervenzellen im Gehirn abgebildet werden." Die enorm praezise Verknuepfung der an diesem Vorgang beteiligten Nerven erfolge schon frueh in der Embryonalentwicklung.

    Die Etablierung molekularbiologischer Methoden in der Entwicklungsbiologie hat es nun erstmals moeglich gemacht, auch die molekularen Spieler dieses Geschehens kennenzulernen und ihre Funktion zu testen. So fand man heraus, dass die anziehenden und abstossenden Signale, die den aus der Netzhaut auswachsenden Nervenbahnen wie Strassenschilder den richtigen Weg zeigen, mit der Expression bestimmter Gene verknuepft werden koennen. Die genaue Einhaltung dieser Musterbildung ist unerlaesslich dafuer, dass spaeter ein funktionierendes Gehirn vorhanden ist.

    In einem erstaunlich hierarchischen Prozess der Selbstorganisation gliedert sich ein anfaenglich einfacher Zellschlauch in einzelne Hirnregionen mit hochspezifischen funktionalen Untereinheiten. Dann kommt es innerhalb jeder Hirnregion als Folge von Wechselwirkungen zwischen den Zellen benachbarter Regionen zu einer weiteren Untergliederung und somit zur Spezifizierung.

    Die Gruppe um Dr. Wizenmann wird sich mit genau diesen Zell-Zell-Wechselwirkungen beschaeftigen, wird versuchen aufzuklaeren, welche Zellgruppen im Mittelhirn die regionale Identitaet vermitteln. Das Mittelhirn gehoert zum aeltesten Teil des Wirbeltiergehirns und umfasst Strukturen, die fuer den Organismus lebenswichtig sind.

    Die regionale Identitaet von Zellgruppen im Embryo laesst sich studieren, indem man diese Zellen an andere Orte transplantiert und dann prueft, ob sie sich dort herkunfts- oder ortsgemaess entwickeln. In Kombination mit diesen Transplantationsexperimenten, die auf elegante Weise am Huehnerei durchgefuehrt werden koennen, wollen die Forscher im Biozentrum mit molekularbiologischen Methoden die molekularen Signale der organisierenden Zentren aufschluesseln.

    Keine einfache Aufgabe, denn die Identitaet von Nervenzellen hat viele Aspekte: Sie bestimmt, wie oft sich eine Vorlaeuferzelle zu teilen hat, wo sie hinwandert, mit welchen Zellen sie in Wechselwirkung tritt, wohin die Nervenfaser gesandt wird und wie sie sich spaeter mit hunderten und tausenden anderer Zellen zu einem funktionalen Schaltkreis verbindet. All diese Prozesse wiederum werden aufs Genaueste abgestimmt durch spezifische Kombinationen von Genaktivitaeten, die noch lange nicht alle verstanden sind.

    Kontakt: Dr. Andrea Wizenmann, Telefon (0931) 888-4238, E-Mail: wizenmann@biozentrum.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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