idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.10.2000 00:00

Dramatischer Forscherexodus aus Südosteuropa

Petra Dhein Pressereferat
Alexander von Humboldt-Stiftung

    Tagung der Alexander von Humboldt-Stiftung zu Perspektiven und Potenzialen der Forschungsförderung auf dem Balkan

    Nr. 26 / 2000

    Nur mit sofortiger Unterstützung der internationalen Staatengemeinschaft kann die Abwanderung der besten jungen Wissenschaftler aus den Ländern Südosteuropas und der rasante Verfall der Bildungs- und Forschungseinrichtungen in dieser Region gestoppt werden. Dies wurde während einer Tagung der Alexander von Humboldt-Stiftung deutlich, zu der 23 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Ländern des Balkans sowie aus Ungarn am 27. Oktober nach Bonn gekommen waren. Finanziell gefördert wurde das Treffen auch von der Fritz Thyssen Stiftung.

    "Diese massenhafte Abwanderung kann nicht mehr als 'brain drain', sondern nur noch als Forscheremigration bezeichnet werden", sagte Professor Wolfgang Frühwald, der Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung. So hat Jugoslawien nach Angaben der Teilnehmer in den vergangenen zehn Jahren 300.000 junge Leute für seine Hochschulen verloren. In Bulgarien schätzt man, dass ein Drittel der wissenschaftlichen Nachwuchsgeneration entweder ins Ausland oder in andere Berufsfelder abgewandert ist. Aus Albanien gehen jährlich rund 3.000 Abiturienten fort, um an Hochschulen im Ausland zu studieren. "Dieser Prozess hinterläßt Lücken", so Professor Holm Sundhaussen vom Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin, "die günstigstenfalls im Verlauf von zwei bis drei Jahrzehnten gefüllt werden können."

    "Der zweite Weltkrieg ist für die Länder unserer Region erst vor kurzem zuende gegangen", so der ungarische Chemiker Janos Fischer in Bonn. "Nun werden wir direkt in den Prozess der Globalisierung geworfen." Die meisten Länder im Südosten Europas bildeten heute eine Art 'Dritter Welt' am Rande der 'Ersten Welt'," erklärte Sundhaussen. Die Ausstattung der staatlichen Universitäten und zahlreicher Forschungsinstitute sei desolat. Es fehle an wissenschaftlichen Geräten, Bibliotheken seien seit einem Jahrzehnt
    nicht mehr mit neuer Literatur ausgestattet worden. Die Entwicklung habe eine Dynamik angenommen, "die alle Dämme zu sprengen droht und die in negativer Korrelation zu den aktuellen Herausforderungen steht."

    Notwendig ist nach Ansicht der Wissenschaftler die materielle Unterstützung der Wissenschaftseinrichtungen in der Region. Die Anschaffung wissenschaftlicher Geräte und aktueller Forschungsliteratur sei die Basis, um wieder Anschluss an die internationale Wissenschaft zu gewinnen und wissenschaftlichen Nachwuchs in der Region zu halten. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Ländern Südosteuropas solle gestärkt werden, etwa durch länderübergreifende und interdisziplinäre Kooperationsprojekte. Die Einrichtung international finanzierter Stiftungsprofessuren an den Universitäten des Balkans könnten einen weiteren Beitrag leisten, um den Nachwuchs an die Wissenschaftseinrichtungen ihrer Länder zu binden.

    Sundhaussen forderte die Wissenschaftler auf, sich auch der eigenen Vergangenheit zu stellen. "Ohne eine Vergangenheitsbewältigung und ohne die damit verbundene Auseinandersetzungen innerhalb der Gesellschaft wird und kann es keine Demokratisierung geben", so der Südosteuropa-Experte. Die Wissenschaftler trügen zudem eine "Mitverantwortung für die Überwindung der 'Grenzen im Kopf' als Voraussetzung für die Überwindung realexistierender Territorialgrenzen".

    In den vergangenen fünf Jahrzehnten hat die Alexander von Humboldt-Stiftung rund 1.600 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Südosteuropa gefördert. Aus Mitteln der Fritz Thyssen Stiftung und des Stabilitätspaktes Südosteuropa hat sie kurzfristig ehemaligen Forschungsstipendiaten wissenschaftliche Geräte und Bücher für die Ausstattung ihrer Heimatinstitute zur Verfügung gestellt. Forschungsaufenthalte in Deutschland sollen dazu beitragen, die internationale wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Region wieder zu beleben.

    (verantwortlich: Dr. Georg Schütte, Grundsatzabteilung, Tel.: 0228/833-118, Fax: 0228/833-216, E-Mail: sch@avh.de)


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).