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06.11.2000 10:47

Diabetiker und Parodontitis - Zahnprobleme sind programmiert

Rita Wilp Stabsstelle Unternehmenskommunikation
Bereich Humanmedizin der Universität Göttingen

    Pressemitteilung Nr. 75 Datum: 06.11.2000
    Hrsg.: Vorstand Bereich Humanmedizin Georg-August-Universität Göttingen

    Diabetiker und Parodontitis - Zahnprobleme sind programmiert
    Weltdiabetestag am 14. November 2000 - Zahnmediziner zeigen Zusammenhänge

    (ukg) Diabetes kann nicht nur Folgeerkrankungen an Herz, Nieren und anderen Organen verursachen. Diabetiker leiden auch häufiger unter Zahnproblemen als andere Menschen. Vor allem Entzündungen des Zahnfleisches und des Zahnbettes kommen bei Diabetikern etwa dreimal so häufig vor wie bei Menschen ohne die so genannte Zuckerkrankheit. Auch Karies tritt vor allem bei jugendlichen Diabetikern gehäuft auf. "Grund für die verstärkten Entzündungen und Karies ist häufig die heutige Ernährungsweise mit Fastfood und zuckerhaltigen Getränken", sagt Professor Dr. Rainer Mausberg, Abteilung Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde der Universität Göttingen, Bereich Humanmedizin. Diabetiker nehmen häufiger Nahrung zu sich, ohne sich anschließend jedes Mal die Zähne zu putzen. Dadurch entstehen mehr Zahnbeläge im Mundraum und verursachen die genannten Probleme. Besonderes Augenmerk ist in diesem Zusammenhang auf die "Intensivierte Insulintherapie" zu richten, die es dem Diabetiker vermehrt ermöglicht, "normale" zuckerhaltige Nahrungsmittel zu konsumieren, ohne die herkömmliche zuckerfreie Diät einhalten zu müssen. Eine gute Zusammenarbeit zwischen dem behandelnden Diabetesspezialisten und dem Zahnarzt kann eine optimale Versorgung der Diabetiker gewährleisten. Dazu gehören unter anderem eine besondere Vorsorge (Prophylaxe), Anleitung zur richtigen Putztechnik sowie die Anwendung von Zahnseide, Fluorid-Zahnpasten und -Gelees.

    In Deutschland leiden rund vier Millionen Menschen unter Diabetes und ihre Zahl nimmt ständig zu. Etwa 80 Prozent von ihnen haben den Typ II Diabetes, den so genannten Altersdiabetes, der sich erst im höheren Lebensalter einstellt. Diabetes verursacht bei verschiedenen Organen Schädigungen, so haben viele Diabetiker zum Beispiel Probleme mit dem Herzen oder den Nieren. "Wegen der schlechten Durchblutung sind aber auch Zähne und Zahnfleisch bei Diabetikern häufig in Mitleidenschaft gezogen", sagt Professor Mausberg. Studien in Deutschland und USA belegen, dass schlecht eingestellte Diabetiker häufiger eine Zahnfleischentzündung (Gingivitis) haben und einen größeren Verlust an knöchernem Zahnbett (Parodontitis) aufweisen als gut oder mittelmäßig eingestellte Diabetiker. In einer Langzeitstudie über drei Jahre mit schlecht eingestellten Typ I Diabetikern (Jugendlicher Diabetes) stellten Mediziner gegenüber einer gut eingestellten Vergleichsgruppe fest, dass bei ähnlicher Plaquebelastung (Zahnbelag) die schlecht eingestellten Diabetiker einen größeren Zahnbettverlust sowie mehr Verlust an Knochen im Zahnzwischenraum und an den Zahnhälsen aufwiesen. Außerdem zeigte diese Gruppe vermehrt Zahnfleischentzündung mit Zahnfleischbluten. Andere Forscher untersuchten eine Diabetikergruppe mit schwerer und eine mit leichter Parodontitis beziehungsweise ohne parodontale Erkrankung. Nach sechs Jahren zeigte sich in der Gruppe der Diabetiker mit schwerer Parodontitis ein signifikant höheres Vorkommen von Nierenerkrankungen (Proteinurie), kardiovaskulären Komplikationen, Schlaganfall und Herzinfarkt. Die Autoren folgerten, dass ein Zusammenhang zwischen Nierenleiden, kardiovaskulären Krankheiten, Gefäßleiden und einer schweren Parodontitis bestehen müsse.

    Um die möglichen Dimensionen einer mittelschweren Parodontitis zu verdeutlichen, gibt es ein einfaches Rechenbeispiel: Der Mensch hat 28 Zähne, ein Zahn hat einen durchschnittlichen Umfang von drei Zentimetern. Wenn man nun den Erkrankungsgrad mit einer Zerstörung von sechs Millimetern in die Tiefe entlang der Zahnwurzel annimmt (Zahnfleischtasche), kommt man rechnerisch auf eine insgesamt entzündete Oberfläche von 50,4 Quadratzentimetern bei allen 28 Zähnen. Dies entspricht in etwa der Frontfläche handelsüblicher Zigarettenschachteln. Wenn man eine solch große entzündete Wunde auf der Haut hätte, wäre man sicher baldmöglichst in ärztlicher Behandlung. Da man die Entzündungsflächen im Mund aber nicht sieht, kommt es so lange nicht zu einer Therapie, bis der Patient Schmerzen hat oder Zähne locker werden und entfernt werden müssen.

    Parodontitis ist eine Infektionserkrankung, die heute einerseits therapierbar ist und andererseits sehr gut durch Prophylaxemaßnahmen verhindert werden kann. Je besser die individuelle Mundhygiene ist, um so gesünder ist die gesamte Mundhöhle inklusive Zähnen, Zahnhalteapparat und Knochen. Diabetes und Parodontitis stehen anscheinend in einer Wechselbeziehung: Je entzündungsfreier (gesund) die Mundhöhle und der gesamte Körper ist, desto leichter lässt sich der Diabetes einstellen und kontrollieren. Je besser der Diabetes kontrolliert und die Mitarbeit des Patienten beim Zahnarzt gewährleistet ist, um so einfacher lassen sich Zahnfleisch- und Zahnbettentzündung vermeiden oder heilen. Hierzu ist in jedem Fall eine professionelle Zahnreinigung durch den Zahnarzt Voraussetzung. Im Einzelfall kann aber auch eine gezielte Antibiotikatherapie nötig werden, die zwischen Zahnarzt, Patient und Hausarzt/Internist abgestimmt werden sollte.

    Weitere Informationen:
    Universität Göttingen - Bereich Humanmedizin
    Abt. Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde
    Professor Dr. Rainer Mausberg
    Robert-Koch-Str. 40
    37075 Göttingen
    Tel.: 0551/39 - 28 78 e-mail: Mausberg@med.uni-goettingen.de
    www.dgparo.de (Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Parodontologie)


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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