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14.11.2000 00:00

Gewalthaltige Computerspiele machen aggressiv

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Gewalthaltige Computerspiele machen Kinder aggressiv - unter bestimmten Bedingungen. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie mit 280 Kindern von Dr. Clemens Trudewind und Dr. Rita Steckel (Arbeitsgruppe für Motivations- und Emotionspsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB). Bei den untersuchten 8- bis 14-Jährigen zeigte sich deutlich, dass das Einfühlungsvermögen (Empathie) für Mitleid erregende Bilder unterschiedlich ausgeprägt ist - je nach Bindungssicherheit der Kinder zu den Eltern und je nach Inhalt eines zuvor gespielten Computerspiels.

    Bochum, 15.11.2000
    Nr. 321

    Auf die Eltern-Kind-Bindung kommt es an
    Gewalthaltige Computerspiele machen aggressiv
    RUB-Studie mit 280 Kindern in Bochum

    Gewalthaltige Computerspiele machen Kinder aggressiv - unter bestimmten Bedingungen. Das ist das zentrale Ergebnis einer Studie mit 280 Kindern von Dr. Clemens Trudewind und Dr. Rita Steckel (Arbeitsgruppe für Motivations- und Emotionspsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB). Bei den untersuchten 8- bis 14-Jährigen zeigte sich deutlich, dass das Einfühlungsvermögen (Empathie) für Mitleid erregende Bilder unterschiedlich ausgeprägt ist - je nach Bindungssicherheit der Kinder zu den Eltern und je nach Inhalt eines zuvor gespielten Computerspiels.

    Aufwendige Studie

    Von Oktober 1998 bis Mai 1999 haben die Wissenschaftler die Daten von 280 Kindern zwischen 8 und 14 Jahren in einem sehr aufwendigen Forschungsdesign erhoben. An zwei Bochumer Grundschulen und einer Gesamtschule wurden insgesamt 153 Jungen und 127 Mädchen befragt, in einem Versuchsraum einem von drei unterschiedlichen Spielen zugewiesen (ein gewaltfreies Spiel, ein leistungsthematisches "Problemlösespiel" und ein Kampfspiel) und anschließend mit einem Bildersatz konfrontiert, der 96 positive und negative, belastende Bilder enthielt. Mit einer Elektrode am Zeigefinger sowie einer Videokamera zeichneten die Forscher die Reaktionen der Kinder auf diesen Bildersatz auf.

    Reduzierte Mitleidfähigkeit

    Gemessen wurde so die Desensibilisierung der Kinder für Mitleid erregende Bilder, z. B. Menschen oder Tiere in Not, und zwar sowohl durch die Anzahl und Dauer der Betrachtung belastender Bilder als auch durch ihre physiologischen und mimischen Reaktionen. Die Kinder konnten selbst entscheiden, wie viele der Bilder sie sich wie lange ansehen wollten. Mit dem Resultat, dass z. B. die Kinder nach dem Kampfspiel sich freiwillig mehr belastende Bilder anschauten als nach den anderen beiden Spielen. Die Ergebnisse offenbaren aber auch einen eindeutigen Zusammenhang mit ihrer familiären Bindung: "Kinder mit sicherer Eltern-Kind-Bindung zeigten eine geringere emotionale Abstumpfung nach dem Gewaltspiel als unsicher gebundene Kinder", lautet eine der wichtigen Erkenntnisse aus der Studie. Die Wissenschaftler konnten für die Jungen die emotionale Abstumpfung auch in der mimischen Reaktion nachweisen - diejenigen z. B., die Gewaltspiele eher negativ bewerten, zeigten nach einem solchen Spiel geringere Anzeichen emotionaler Betroffenheit in der Mimik.

    Langfristige Abstumpfung

    Etwa 15 Prozent der Unterschiede in der generellen Empathiefähigkeit, die bei den Kindern mit einem eigenen Test erfasst wurde, können die Forscher auf Variablen zurückführen, die direkt mit dem Umgang mit Computerspielen zu tun haben. Gewalthaltige Spiele sollen daher nicht verharmlost werden, im Gegenteil: Intensive Gewaltspielerfahrung führe dauerhaft zu einer Abschwächung der Empathiebereitschaft im Sinne einer emotionalen Abstumpfung, so die Bochumer Wissenschaftler. Dies beeinträchtige auch langfristig den wichtigsten Hemmfaktor für aggressives Verhalten.

    Verantwortung der Eltern

    Wie wichtig es ist, dass sich die Eltern am kindlichen Computerspiel beteiligen, wurde in dieser Studie ebenfalls deutlich. Wie wenig die Eltern hingegen Einblick in die Welt der Computerspiele haben, zeigen zwei Sachverhalte: 23,8 Prozent der Mütter und 16,6 Prozent der Väter kennen nach Angaben der Kinder keines der Computerspiele, andererseits spielen 86,5 Prozent der Mütter und 70,7 Prozent der Väter nie oder nur sehr selten mit ihren Kindern am Computer. Daraus ergibt sich nach Ansicht der Wissenschaftler ein Missstand, der in der aktuellen wie dauerhaften Diskussion über gewalthaltige Spiele kaum Berücksichtigung findet: "Die Möglichkeit, im gemeinsamen Spiel auf die Auswahl der Spiele, das Spielverhalten und die kognitive und emotionale Auseinandersetzung mit den Spielinhalten Einfluss zu nehmen, wird von der Mehrzahl der Eltern unserer Stichprobe offensichtlich nicht genutzt."

    Weitere Informationen

    Dr. Clemens Trudewind, Arbeitsgruppe für Motivations- und Emotionspsychologie, Fakultät für Psychologie der RUB, GAFO 04/609, Tel.: 0234/32-22450, Fax: 0234/32-14376, eMail: clemens.trudewind@ruhr-uni-bochum.de

    Dr. Rita Steckel, Tel.: 0234/32-24629, eMail: rita.steckel@ruhr-uni-bochum.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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