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23.07.2008 12:30

Mathe doch kein Jungenfach

Manuela Heberer Referat Öffentlichkeitsarbeit
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Psychologinnen der Universität Jena testen Kinder und Jugendliche auf Geschlechterstereotype

    Jena (23.07.08) Frauen und Technik - das passt nicht zusammen! Die Frau gehört an den Herd und schmeißt den Haushalt, der Mann verdient das Geld und ernährt die Familie - solche Ansichten sind in manchen Köpfen noch fest verankert. Ihre Wurzeln reichen oft bis in die früheste Kindheit zurück. Auch in der Schule findet man solche klischeehaften Vorstellungen häufig. Mathematik gilt dort normalerweise als Jungen-, Deutsch als Mädchenfach.

    Überraschend ist, dass dieses stereotype Denken offenbar bei Mädchen ausgeprägter ist als bei Jungen, wie Dr. Petra Jelenec von der Friedrich-Schiller-Universität Jena jetzt festgestellt hat. Die Psychologin hat das Phänomen der impliziten, also automatischen, Geschlechterstereotype im Rahmen ihrer Dissertation genauer unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass Mädchen die Geschlechter automatisch stärker mit den Schulfächern assoziieren. Bei Jungen konnte sie diese spontane Verknüpfung dagegen nicht nachweisen.

    Für ihre erste Studie untersuchte Petra Jelenec Grundschüler der 4. und Gymnasialschüler der 7. und 9. Klassen, mit jeweils gleichem Anteil von Jungen und Mädchen. Mit einem standardisierten Computertest ermittelte die Psychologin, wie sehr die insgesamt 535 Schülerinnen und Schüler Mathe spontan mit Jungen und gleichzeitig Deutsch spontan mit Mädchen verknüpfen.

    "Erstaunlich waren die unterschiedlichen Ergebnisse bei Mädchen und Jungen", so die Wissenschaftlerin von der Universität Jena, die den Grund dafür in einem zweiten Test mit insgesamt 200 Gymnasialschülerinnen und -schülern der 9. Klasse untersuchte. Dabei wollte sie herausfinden, ob sich die von ihr festgestellten stärkeren automatischen Geschlechterstereotype bei Mädchen auf Mathe oder Deutsch beziehen. Mit Hilfe einer weiteren Testvariante stellte Petra Jelenec fest, dass Jungen sowohl Mathe als auch Sprache mit ihrer eigenen Geschlechtsgruppe verbinden, den Mädchen jedoch keines von beiden Fächern zuordnen. "Jungen nehmen demnach keine Einteilung in Mädchen- und Jungenfach vor. Vielmehr trauen sie sich offenbar beide Fächer zu", interpretiert Jelenec die Untersuchungsergebnisse. "Das erklärt auch, warum wir im ersten Test nur bei Schülerinnen Geschlechterstereotype feststellen konnten", erläutert die Psychologin von der Universität Jena weiter.

    Mädchen zeigten dagegen im zweiten Test eine starke Assoziation ihres eigenen Geschlechts mit Deutsch. Mathe ordneten sie jedoch weder Jungen noch Mädchen zu. "Zwar scheint es auf den ersten Blick positiv, dass Mathematik für Mädchen kein ausgesprochenes Jungenfach ist. Allerdings scheinen Mädchen auch keine positiven spontanen Assoziationen zwischen Mathematik und ihrem eigenen Geschlecht aufbauen zu können", schließt die Wissenschaftlerin aus den Ergebnissen. Das könnte ihrer Meinung nach ein Indikator dafür sein, dass sich Mädchen und Frauen in mathespezifischen Fragen leichter verunsichern lassen. "Wenn Mädchen zum Beispiel in einem Mathematiktest an das Klischee 'Mathe ist eine Jungensache' erinnert werden, kann sie das durchaus beeinträchtigen und zu einer schlechteren Prüfungsleistung führen", so Jelenec. Solche Befunde haben sowohl ihre eigenen Studien als auch die anderer Forscherteams ergeben.

    "In den von uns durchgeführten Tests bilden die Probanden oft ab, was sie sehen. Daher ist es gut möglich, dass sie Stereotype auch unbewusst von ihrer Umwelt, wie Eltern, Lehrern und Schulkameraden, übernommen haben", nennt Petra Jelenec mögliche Ursachen und fügt hinzu, dass die spontane Assoziation dabei nicht unbedingt immer an die persönliche Zustimmung zu dem Stereotyp gebunden ist.

    Die Jenaer Psychologin fand bei Mädchen der 7. und 9. Klassen außerdem systematische Zusammenhänge zwischen ihren automatischen Geschlechtsstereotypen und ihren Schulleistungen sowie den Wahlabsichten für Deutsch und Mathematik für die Oberstufe. Die Ursachen und die Veränderbarkeit dieser automatischen Geschlechterstereotype wollen die Wissenschaftler der Universität Jena in einem zukünftigen Forschungsprojekt untersuchen.

    Kontakt:
    Dr. Petra Jelenec
    Institut für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Am Steiger 3 / Haus 1, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945113
    E-Mail: Petra.Jelenec[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Pädagogik / Bildung, Physik / Astronomie, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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