Gottfried Meinhold präsentiert seinen neuen Roman "Prag Mitte Transit" erstmals am 21. August an der Universität Jena
Jena (01.08.08) Auf den Tag genau 40 Jahre nach dem Prager Frühling, als Prag für eine Weltsekunde dramatischer Weltmittelpunkt schien, wird Gottfried Meinholds Epos "Prag Mitte Transit" vorliegen. Der Sprachwissenschaftler und Autor wird den Band erstmals am 21. August um 18 Uhr in den Rosensälen der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Fürstengraben 27) präsentieren; der Eintritt zur Buchpremiere ist frei.
Es ist eine literarische Chronik jener historischen Tage, das Zeitgemälde einer Odyssee, geschrieben/gezeichnet mit derart historiografischer, topografischer und chronometrischer Genauigkeit, dass man Geschichtsuhr (MEZ) und Messtischblatt danach erstellen könnte. Längst hat der Stoff im 72-jährigen Autor auf Lauer gelegen, bis er schließlich nimmer zu dämmen war und er kataraktartig aus ihm hervorbrach. Er drängt die Dreiheit aus Fiktion, Fakten und poetisch-parabolischen Interjektionen über ein Volk der "Kaskadier" in sein Erzählbett. Gleich einem aufgeschreckten, schreibbesessenen, doch hoch politisierten Serenus Zeitbloom ist Eckard, Meinholds Protagonist, bereit, sich in seiner Obsession "um Kopf und Kragen" zu schreiben. Der Autor schnallt ihn auf das Nagelbrett jener epochalen Tage. Er lässt ihn vorm gewaltigen Rundhorizont der Ereignisse reagieren und agieren. Dabei klopft der Autor immer wieder akribisch seine eigene Biografie ab.
Wie ein gewissenhafter Archivar holt Meinhold aus der Überfülle historischen Materials bereits ins Vergessen abgetauchte Details wieder hervor und fertigt daraus seinen Zeitbericht, der z. T. zu exakt recherchiertem und daher glaubwürdigem Dokument gerät - zu einer Art Kriegstagebuch. Auf der Drehbühne vor bedrohlich lohender Kulisse zwingt er seine Akteure zu Taten, mit denen sie Unterdrückung und Verzweiflung nicht länger hinnehmen wollen. So ersteht eine Anatomie des Widerstands und zugleich des Verrats mit Verhaftung und Demaskierung, mit Krebsgeschwulst und Fehlgeburt, während die Palach und Brüsewitz verlohen. Und der außerordentlich sensible Sprachwissenschaftler Meinhold zeigt sich wieder einmal - versierter Grenzgänger zwischen Wissenschaft und Literatur, der er ist - als sprachmächtiger, -libidinöser Erzähler, dessen "Helden" hochgradig traumatisiert sind. Es sind ideologisch geradlinige, empörte Moralisten. Sie sind überwältigt von dem "ungeheuren, stürmischen, tosenden, wilden Geschehen" dieser "unvergesslichen Ereignisse". Gleich aufgeregten Seelen werden sie gepeitscht von "Schmerz, Zorn, Hoffnung, Euphorie und Angst". Sie wissen, "dass Leben bedeuten kann, nur noch nicht exekutiert worden zu sein".
Dann wieder gibt sich der Autor als purer Rationalist, Agitator und Didaktiker zu erkennen, der offenbar einer Pflicht gehorcht, Unerhörtes aus Vergessen oder Verharmlosung zu reißen, um es aufzubewahren für alle Zeit. Damit erweist er sich als Klardenker, der eine harte Frontlinie zieht zwischen Systemkritikern und Apologeten, zwischen Gerechten und Ketzern, Lichtbringern und Finsterlingen. Er schreibt an gegen die eigene Ohnmacht und schärft dabei sein Skript zur Axt.
Das alles schwillt zu einer Ästhetik des Widerstands aus der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Es gibt hochinteressante Her- und Hinführungen zu Kafkas Prag und Johnsons "Jahrestagen", aber auch an Koestler und Sebald lässt sich denken.
Muss da noch versichert werden, dass solch ein sich nahezu maßlos entrollender Text, der unter der Wucht der Geschichte zu ächzen scheint, dennoch ein Lesevergnügen ist - darf man überhaupt von Vergnügen sprechen angesichts solch abgründiger Narration? Dank seiner ist es möglich, bereits verschüttet Geglaubtes jener Jahre wieder minuziös wachzurufen und damit unserer lahmenden Erinnerung entgegenzuwirken. Der Leser mag sich mitgenommen fühlen durch alle Längen und Breiten des gewaltigen Erzählstroms. Für ältere Leser ist's das Aufreißen einer vielleicht schon vernarbten Wunde, für neugierige junge könnte es Lehrbuch sein. So will es auch der Autor.
Ein solch umfangreiches und formexperimentelles Epos zu verlegen ist Wagnis. Gottlob hat es der Geest-Verlag publiziert und damit ein wichtiges Stück Zeitgeschichte literarisch aufgehoben.
Gottfried Meinhold: Prag Mitte Transit, Roman
Geest-Verlag Vechta 2008.
600 Seiten, 20 Euro, ISBN 978-3-86685-135-1
Cover des neuen Romans von Gottfried Meinhold.
Quelle: Geest-Verlag
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Geschichte / Archäologie, Politik, Recht, Sprache / Literatur
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Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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