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05.08.2008 15:05

Versteckte Genomveränderungen bei Erkrankungen des Knochenmarks

Bernhard Knappe Vorstand
Wilhelm Sander-Stiftung

    Myelodysplastische Syndrome zählen zu den häufigsten Erkrankungen des blutbildenden Systems bei älteren Erwachsenen. Ein Viertel der Patienten entwickelt eine akute Leukämie. Die Hälfte der Betroffenen trägt in bösartigen Zellen des Knochenmarks sichtbare chromosomale Verluste oder Zugewinne, die die Klassifizierung und Therapieentscheidung erleichtern. Mit einer neuen hochauflösenden Technik lassen sich nun auch bei den zuvor als normal betrachteten Tumorzellen versteckte chromosomale Imbalancen aufdecken. Diese Chromosomenveränderungen sollen in dem geförderten Projekt auf ihre Rolle beim Krankheitsverlauf und der Therapie untersucht werden.

    Mit Hilfe einer neuen hochauflösenden Technik ist es jetzt möglich, versteckte kleine chromosomale Verluste oder Gewinne im Genom von Tumorzellen bei Patienten mit Myelodysplastischem Syndrom (MDS) aufzudecken. In einer vorangegangenen Studie unserer Arbeitsgruppe an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, konnten wir zahlreiche genomische Imbalancen bei klassisch-zytogenetisch als normal diagnostizierten Patienten nachweisen. Welche dieser Imbalancen zur Erkrankung beitragen und einen prognostischen Wert oder eine therapeutische Bedeutung für die Patienten haben, ist momentan noch ungeklärt. In dem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt sollen alle mit dieser Methode gefundenen Chromosomenanomalien bei einem weiteren Patientenkollektiv auf ihre Häufigkeit untersucht werden. Ein wichtiges Ziel ist dabei die Identifizierung von Genen in den veränderten Regionen des Genoms und die Analyse welchen Einfluss diese auf den Krankheitsverlauf der Patienten haben. Außerdem könnte die Aufdeckung spezifischer genetischer Veränderung zur Etablierung neuer gezielter Therapieansätze beitragen.
    Der Begriff Myelodysplastische Syndrome (MDS) umschreibt eine Gruppe von Leukämie-ähnlichen Erkrankungen, die überwiegend bei über 60-Jährigen auftreten. Die Blutbildung im Knochenmark läuft hier gestört ab, es kommt zur Vermehrung von funktionslosen Blutvorläuferzellen, wodurch gesunde Zellen verdrängt werden. Klinisch werden die MDS in Untergruppen eingeteilt, die sich in der Behandlung und im Überleben der Patienten zwischen 10 und über 50 Monaten unterschieden. 25% der Patienten zeigen eine rapide Verschlechterung des Verlaufs, in diesen Fällen hat sich eine Akute Myeloische Leukämie (AML) entwickelt und dies geht mit einer extrem verkürzten Lebenserwartung einher. Die Erkrankungsursache für das MDS ist unbekannt. Auch kennt man derzeit die Gründe für den Übergang in eine AML nicht. Neben klinischen Kriterien, wie Zellmorphologie, -quantität und -funktion, hat sich in den letzten Jahren herausgestellt, dass der Zustand des Chromosomensatzes in den betroffenen Zellen einen großen Einfluss auf den Erkrankungsverlauf hat. Häufig gehen ganze Chromosomen, oder auch nur Teile in bösartigen Zellen des blutbildenden Systems verloren oder liegen mehrfach vor. Diese genomischen Veränderungen haben einen entscheidenden Einfluss auf die Prognose des Patienten. Bei 50% der MDS-Patienten findet man solche Veränderungen des Genoms mit Hilfe der klassischen Zytogenetik. Diese werden in bestehende Klassifizierungs- und Prognosesysteme einbezogen und dienen als Krankheitsmarker bzw. zum Nachweis des Therapiensprechens. Eine Verschlechterung der Erkrankung geht häufig auch mit einer Vermehrung des bösartigen Zellklons mit den bekannten genomischen Veränderungen einher. Es können jedoch auch im Krankheitsverlauf neue Chromosomenumbauten auftreten. Bei einer erfolgreichen Therapie hingegen, werden die chromosomal auffälligen Zellklone nur noch reduziert oder gar nicht mehr beobachtet.
    Die andere Hälfte der Patienten, bei denen mit der klassischen Zytogenetik keine genomischen Imbalancen detektiert werden können, fällt in eine prognostisch günstigere Gruppe, trotzdem kommen hier auch Erkrankungsprogresse vor. Folgende Hypothese führte zu den Vorstudien des hier geförderten Projektes. Bei diesen Patienten könnten ebenfalls Veränderungen im Genom vorliegen, die jedoch nur mit einer neuen sensitiven Technik (Oligonukleotid aCGH), mit der auch noch sehr kleinste genomische Imbalancen detektiert werden können, nachweisbar sind. Diese Annahme bestätigte sich in unserer Studie, warf aber auch gleichzeitig eine Reihe von weiteren Fragen auf. Zum einen konnten viele verschiedene solcher Imbalancen aufgefunden werden, zum anderen waren diese bisher keiner MDS-Untergruppe zu zu ordnen. Um statistisch signifikante Korrelationen mit klinischen Daten zu erhalten, muss eine große Anzahl an Patientenproben untersuchen werden, was mit den oben genannten Versuchsansatz (aCGH) sehr teuer und aufwändig ist. Weiterhin hat sich durch die hochauflösende aCGH-Technik herausgestellt, dass auch der gesunde Mensch eine große Vielfalt an genomischen Varianten in sich trägt. Die meisten haben eher keinen Krankheitswert allerdings ist dies bisher noch nicht für alle bewiesen worden. Deshalb ist derzeit auch noch nicht klar, ob die zahlreichen von uns gefunden Imbalancen im Genom von MDS-Patientenproben auf eine generelle genomische Instabilität zurückzuführen sind und welche davon bereits im normalen Genom dieser Patienten vorliegen.

    In diesem von der Wilhelm Sander-Stiftung geförderten Projekt wollen wir eine neue Technik nutzen, die es ermöglicht zum einen die zuvor gefunden Imbalancen an einer größeren Zahl von Patientenproben zu untersuchen und zum anderen einen noch detaillierteren Einblick in die Veränderung des Genoms zulässt. Damit erwarten wir wichtige Erkenntnisse für die Entstehung der Erkrankung und der Entwicklung der akuten Leukämie zu erhalten.

    Kontakt: Prof. Dr. B. Royer-Pokora, Institut für Humangenetik und Anthropologie
    Heinrich Heine Universität Düsseldorf und Universitätsklinikum
    Tel.: +49 (211) 81-12350 Fax: +49 (211) 81-112538
    e-mail: Royer@uni-duesseldorf.de

    Die Wilhelm Sander-Stiftung fördert dieses Forschungsprojekt mit über 185.000 €.
    Stiftungszweck der Stiftung ist die medizinische Forschung, insbesondere Projekte im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden dabei insgesamt über 160 Mio. Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz bewilligt. Die Stiftung geht aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

    Weitere Informationen: www.wilhelm-sander-stiftung.de


    Bilder

    Darstellung einer chromosomalen Imbalance auf dem menschlichen Chromosom Nr.3.
    Darstellung einer chromosomalen Imbalance auf dem menschlichen Chromosom Nr.3.
    Quelle: A. Pölnitz und B. Royer-Pokora, Universität Düsseldorf
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    Mit Hilfe von spezifischen genomische Sonden kann der Verlust der grünen Probe auf einem der beiden Chromosomen Nr. 3 nachgewiesen werden, dieses ist mit einem weißen Kreis markiert.
    Mit Hilfe von spezifischen genomische Sonden kann der Verlust der grünen Probe auf einem der beiden ...
    Quelle: A. Pölnitz und B. Royer-Pokora, Universität Düsseldorf
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Darstellung einer chromosomalen Imbalance auf dem menschlichen Chromosom Nr.3.


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    Mit Hilfe von spezifischen genomische Sonden kann der Verlust der grünen Probe auf einem der beiden Chromosomen Nr. 3 nachgewiesen werden, dieses ist mit einem weißen Kreis markiert.


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