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04.09.2008 18:00

Zell-Stress führt zu Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Susanne Schuck Presse und Kommunikation
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Kieler Wissenschaftler an internationalem Forschungserfolg maßgeblich beteiligt

    Genetisch bedingter Stress im Epithel, jener dünnen Zellschicht, die die Grenze darstellt zwischen der Unmenge an Darmbakterien und unserem Immunsystem, wurde als eine Ursache für die entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa entdeckt. Das amerikanische Wissenschaftsjournal Cell berichtet am 5. September 2008 ausführlich über diese Entdeckung von Professor Arthur Kaser von der Harvard Universität und der Arbeitsgruppe um Professor Stefan Schreiber aus Kiel.

    "Veränderungen im XBP1 Gen führen zu Stress in der Eiweiß-Produktionsstelle der Zelle, dem sog. endoplasmatischen Retikulum. Die Schleimhaut kann dann nicht mehr richtig mit Darmbakterien und entzündlichen Signalen umgehen", erklärt Arthur Kaser, der gemeinsam mit Kollegen aus der Harvard Medical School das Thema bearbeitet hat und es nun in Innsbruck weiter verfolgen wird.

    Um die Rolle von XBP1 zu untersuchen, haben die Wissenschaftler um Kaser im Tierversuch dieses Gen ausgeschaltet. Dies führte zu spontaner Darmentzündung, die genauso wie chronisch-entzündliche Darmerkrankungen beim Menschen aussah. Als Mechanismus dahinter stellte sich die Unfähigkeit des Schleimhautepithels heraus, mit Darmbakterien angemessen umzugehen und vor allem adäquat auf entzündliche Reize zu reagieren.

    Um zu untersuchen, ob XBP1 ein genetischer Risikofaktor für chronisch entzündliche Darmerkrankungen auch beim Menschen sein könnte, wurden zusammen mit der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel über 5.000 Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa und gesunde Personen genetisch analysiert. Dabei konnten die Professoren Kaser aus Innsbruck und Andre Franke aus Kiel spezifische Veränderungen am XBP1 Gen identifizieren, die sich dann in weiteren Untersuchungen als tatsächlich funktionell herausstellten: "Es gab in allen Stichproben eine Assoziation zwischen dem Gen und der Krankheit.", so Franke.

    31 Krankheitsgene, die mit den beiden Darmentzündungskrankheiten in Zusammenhang stehen, waren bereits bekannt. Ein guter Teil davon ist in der Arbeitsgruppe von Schreiber am Institut für Klinische Molekularbiologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Campus Kiel entdeckt worden. "Während die anderen Mutationen in drei große Gruppen fallen, haben wir mit ER Stress nun eine vierte Gruppe von Veränderungen beschrieben ", bewertet Schreiber das neue Ergebnis. "Für die Diagnostik ist zudem die Entdeckung seltener Mutationen wie im XBP1 Gen viel interessanter als die meisten der bereits bekannten Genveränderungen, die auch bei einer Menge gesunder Menschen vorhanden sind."

    "Die therapeutischen Implikationen sind beachtlich, weil das Ergebnis uns zum ersten Mal erlaubt, Medikamente für eine neue Klasse von Molekülen zu entwickeln, von denen wir nun wissen, dass sie ein typischer genetischer Risikofaktor für Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind", ergänzt Professor Richard Blumberg von der Harvard Medical School, Senior-Autor der Studie.

    In Deutschland und Österreich leiden etwa 500.000 Menschen an den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Die Symptome sind anhaltender Durchfall und unerträgliche Bauchschmerzen. Neben genetischen Risikofaktoren spielen letztlich noch unbekannte Umweltfaktoren eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Erkrankung.

    Das internationale Wissenschaftlerteam: Arthur Kaser, Brigham and Women's Hospital/Harvard Medical School, Boston; Ann-Hwee Lee, Harvard School of Public Health, Boston; Andre Franke, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Jonathan Glickman, Brigham and Women's Hospital; Sebastian Zeissig, Brigham and Women's/Harvard Medical School; Herbert Tilg, Medizinische Universität Innsbruck, Österreich; Edward Nieuwenhuis, Sophia Children's Hospital, Rotterdam; Darren Higgins, Harvard Medical School; Stefan Schreiber, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel; Laurie Glimcher, Harvard School of Public Health, und Harvard Medical School; Richard S. Blumberg, Brigham and Women's Hospital und Harvard Medical School.

    Die Studie wurde von dem Exzellenzcluster "Entzündungen an Grenzflächen" der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, der Crohn's and Colitis Foundation of America, den National Institutes of Health, der Ellison Foundation, dem österreichischem FWF und der Max Kade Foundation unterstützt.

    http://www.cell.com

    Zwei Fotos zum Thema stehen zum Download bereit:

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2008/2008-079-1.jpg
    Bildunterschrift: MTA Ilona Urbach am Hochdurchsatz-Präparationsroboter mit dem Laborleiter Prof. Dr. Andre Franke. Der vollautomatisierte Roboter wiegt mehrere 100 kg und kann am Tag aus bis zu 96 Blutproben (10 ml) die DNA isolieren. Im Klartext heißt das: Blut reinstellen und nach einer Stunde Röhrchen mit DNA herausnehmen. Zuvor erfolgte im Labor die DANN-Isolierung aus den Leukozyten mühselig per Hand.
    Copyright: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Foto: Dieter Herrmann

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2008/2008-079-2.jpg
    Bildunterschrift: Auf dem Agarose-Gel werden DNA-Stücke eines Patienten aufgetrennt und nach dem Anfärben mit einem Farbstoff unter UV-Licht sichtbar gemacht. Dabei wird die Qualität der DNA-Aufreinigung aus dem Blut der jeweiligen Person überprüft, bevor die Proben eingelagert werden.
    Copyright: CAU, Foto: Jürgen Haacks

    Kontakt:
    Professor Stefan Schreiber
    Professor Andre Franke
    Institut für Klinische Molekularbiologie
    Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Kiel
    Tel. +49 431 597-1279, 597-4138
    s.schreiber@mucosa.de, a.franke@mucosa.de

    A.Univ.-Prof. Dr. Arthur Kaser
    Universitätsklinik für Innere Medizin II
    Gastroenterologie & Hepatologie
    Medizinische Universität Innsbruck
    Tel +43 699 11614866
    arthur.kaser@i-med.ac.at


    Weitere Informationen:

    http://www.cell.com


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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