Beim Menschen sind normalerweise alle Chromosomen doppelt vorhanden. Schon kleine Abweichungen von dieser Regel können sich gravierend auf die Gesundheit und die Lebensfähigkeit auswirken. Gibt es zum Beispiel das Chromosom Nummer 21 drei- statt zweimal, führt das zum Down-Syndrom. Zusätzliche Kopien anderer Chromosomen oder sogar nur von Chromosomenstücken sind überhaupt nicht mit dem Leben vereinbar; die Embryonen sterben dann schon im Mutterleib.
Was für den Menschen gilt, trifft auf Säugetiere generell zu: Liegen in den Zellen zu viele Chromosomen vor, kommt der Organismus damit nicht zurecht. Anders sieht das bei Fischen, Fröschen oder Reptilien aus. Dort sind bei vielen Arten sogar sämtliche Chromosomen in drei- statt nur zweifacher Ausfertigung vorhanden - und die Tiere haben damit überhaupt kein Problem, sondern sind voll lebens- und fortpflanzungsfähig.
Warum das so ist, haben Wissenschaftler von den Universitäten Würzburg und Lissabon am Beispiel des Fischs Squalius alburnoides herausgefunden. "Der gehört zur Familie der Karpfen; er wird maximal zehn Zentimeter groß. Er kommt in Spanien und Portugal in Flüssen vor und hat einen dreifachen Satz von Chromosomen", erklärt Professor Manfred Schartl vom Würzburger Biozentrum.
Von jedem Chromosom also drei statt zwei Exemplare: Das bedeutet, dass auch jedes Gen einmal zuviel vorhanden ist. Folglich wäre zu erwarten, dass alle Moleküle, die nach dem Bauplan der Gene produziert werden, in einer zu hohen Konzentration vorliegen. Das aber ist nicht der Fall, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Magazins Current Biology schreiben. "Unsere Daten zeigen erstmals, dass es in den Fischen einen Mechanismus geben muss, über den jeweils eine der drei Kopien eines Gens stillgelegt wird", so Schartl. Diese Möglichkeit der Fehlerkorrektur scheine bei Säugern und dem Menschen im Lauf der Evolution verlorengegangen zu sein - ansonsten könnte sich ein zusätzlich vorhandenes Chromosom nicht so gravierend auswirken wie beispielsweise beim Down-Syndrom.
Als nächstes wollen die Forscher den molekularen Mechanismus aufklären, mit dem die Fische ihre überzähligen Gene zum Schweigen bringen. "Denn möglicherweise können wir daraus etwas lernen, was sich später für die Behandlung von Krankheiten nutzen lässt", sagt der Würzburger Wissenschaftler. Er wird auf diesem Gebiet auch weiterhin mit Professorin Maria M. Coelho und Doktorandin Irene Pala von der Universität Lissabon kooperieren. Irene Pala ist die Erstautorin der in Current Biology veröffentlichten Arbeit. Sie hat abwechselnd in Würzburg und Lissabon gearbeitet, Schartl und Coelho betreuen sie gemeinsam.
"Dosage Compensation by Gene-Copy Silencing in a Triploid Hybrid Fish". Irene Pala, Maria M. Coelho, Manfred Schartl. Current Biology (2008), DOI 10.1016/j.cub.2008.07.096
Hinweis für Redaktionen/Journalisten: Die Originalarbeit erhalten Sie auf Anfrage bei der Pressestelle der Universität Würzburg als pdf-Datei, presse@zv.uni-wuerzburg.de Weitere Informationen fachlicher Art bekommen Sie bei Prof. Dr. Manfred Schartl, Lehrstuhl für Physiologische Chemie I, T (0931) 888-4149, phch1@biozentrum.uni-wuerzburg.de
Der Fisch Squalius alburnoides und seine Chromosomen, hier rot angefärbt.
Bild: Manfred Schartl
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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