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29.11.2000 14:24

Ethische Fragen in der Notfall- und Intensivmedizin

Rudolf-Werner Dreier Hochschul- und Wissenschaftskommunikation
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

    Kolloquium des Zentrums für Ethik und Recht in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg

    Welche Chancen hat ein Patient, durch eine Herz-Lungen-Wiederbelebung nicht nur unmittelbar vor dem drohenden Tod gerettet zu werden, sondern danach auch ein befriedigendes Leben zu führen? Woran können sich Rettungssanitäter, Ärzte und andere Helfer orientieren, wenn sie vor der Frage stehen: Wie weit sollen wir gehen? Kann diesem Menschen noch geholfen werden? Bedeutet "voller Einsatz" vielleicht ein Leben mit erheblichen Leiden und Behinderungen für das Unfallopfer? Was will der Mensch, den wir vor uns haben, selbst? Fast täglich werden Ärzte, Rettungssanitäter und Pflegekräfte in der Notfall- und Intensivmedizin mit diesen oder ähnlichen ethischen Fragen und Problemen konfrontiert. Immer wieder müssen unter oft schwierigen physischen und psychischen Bedingungen Antworten auf komplexe Probleme gegeben werden. Das Thema "Ethische Fragen in der Notfall- und Intensivmedizin" steht daher im Mittelpunkt eines Kolloquiums, das das Zentrum für Ethik und Recht in der Medizin (ZERM) am Freiburger Universitätsklinikum unter der Leitung seines Sprechers, Professor Dr. Dr. h.c. Hanjörg Just am Mittwoch, den 29.11.2000, im Haus "Zur Lieben Hand", der Albert-Ludwigs-Universität veranstaltet.

    Bei vielen medizinischen, ethischen und psychologischen Fragen steht die präklinische Notfallmedizin genauso außen vor wie die Intensivmedizin innerhalb des Krankenhauses. Der Dialog zwischen beiden Seiten ist jedoch im deutschsprachigen Raum noch wenig entwickelt: Eine praxisorientierte klinisch-ethische Forschung und Beratung existiert bisher nur an wenigen Zentren. Das Kolloquium des Zentrums für Ethik und Recht in der Medizin will zu diesen Fragen einen interdisziplinären Beitrag leisten, indem Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus einer engen Verbindung zwischen Klinik, Ethik und Psychologie zur Patientenbetreuung in Grenzsituationen vorgestellt werden.

    In einem ersten Themenschwerpunkt, in den der Göttinger Anaesthesiolge Professor Dr. Dietrich Kettler einführt, geht es um die Notfallmedizin mit ihren charakteristischen Fragen der Entscheidungsfindung unter Zeitdruck in oft unübersichtlichen Unfallsituationen, in denen auch Information über den Patienten selbst fehlen. Eine Autorengruppe, zu der Dr. Christian Hick vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universität Köln, der Freiburger Rehabilitationspsychologe Professor Dr. Dr. Jürgen Bengel vom Psychologischen Institut der Albert-Ludwigs-Universität sowie Privatdozent Dr. Michael Mohr von der Anaesthesiologischen Universitätsklinik Göttingen und die Forschungsreferentin des ZERM, Privatdozentin Dr. Stella Reiter-Theil, gehören, hat hierzu eine Übersicht erarbeitet, die in Kürze als Buch erscheinen wird. Einige Ergebnisse aus dieser Publikation werden auch bei der Freiburger Tagung zur Diskussion gestellt.

    Den zweiten Teil des Programms bilden Referate zur Intensivmedizin. Nach einer Einführung in eine laufende klinisch-ethische Studie des ZERM zur Intensivmedizin im Freiburger Universitätsklinikum werden anhand einer Patientengeschichte ethische Fragen des Behandlungsverlaufs aus verschiedenen Blickwinkeln kommentiert und mit dem Publikum diskutiert. Dabei wird die häufig kontroverse Einschätzung von Patientenverfügungen für Entscheidungen über lebenserhaltende Maßnahmen berührt. Mit dieser offenen Diskussion soll gezeigt werden, dass es nicht genügt, "vom Schreibtisch her" an der klinisch-ethischen Diskussion mitzuwirken, sondern dass es notwendig ist, die Zusammenhänge realitätsnah zu dokumentieren und zusätzlich einer weitergehenden systematischen Untersuchung zugänglich zu machen, wie dies in dem Freiburger Forschungsprogramm zur Klinischen Ethik in methodisch innovativer Weise geschieht.

    Für die Entwicklung der klinischen Ethik stellt die Verbindung zwischen empirischer Fundierung durch Forschung einerseits sowie die Anwendung und Überprüfung in der Praxis andererseits eine wichtige Voraussetzung dar. Wie lassen sich ethische und rechtliche Konzepte in der alltäglichen Behandlungsroutine umsetzen? Was ist notwendig, um im Kontext der High-tech-Medizin ein Sterben in Würde zu erreichen? Kann die Intensivmedizin zugleich Palliativbetreuung leisten?

    Neben der Forschung ist auch die Entwicklung einer professionellen klinisch-ethischen Beratung ein "Markenzeichen" des Freiburger ZERM, das in Deutschland nach wie vor die einzige Einrichtung seiner Art ist, die in ein Universitätsklinikum integriert ist: Das Ethik-Konsil arbeitet auf Anfrage in flexiblen Settings. Angesichts der in Deutschland noch neuen Entwicklung spielt hier der Austausch zwischen verschiedenen Arbeitsgruppen eine große Rolle. Ein Erfahrungsbericht zum Ethik-Konsil aus den Krankenanstalten Gilead in Bielefeld und ein Referat über Fragen der rechtlichen Verbindlichkeit der Ethik-Beratung des Baseler Rechtsmediziners Professor Dr. Volker Dittmann zeigen auf, in welchem Rahmen der Diskurs zur Zeit stattfindet: Anfang des Jahres konnten Mitglieder des ZERM mit diesen Kollegen eine überregionale Arbeitsgemeinschaft für Klinische Ethik-Konsultation (AG KEK) gründen, die sich zum Ziel setzt, hier Methoden- und Qualitätsentwicklung zu leisten.

    Abgeschlossen wird diese Tagung mit einem Festvortrag des renommierten Münsteraner Philosophen Professor Dr. Ludwig Siep, der die Bemühungen der klinischen Ethik aus der Distanz beobachten und aus dieser Perspektive "Ethische Fragen in der Intensivmedizin" formulieren kann.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Dr. h.c. Hanjörg Just,
    Sprecher des ZERM
    Elsässer Str. 2m, 1A
    79110 Freiburg
    Tel. 0761/270-7261, Fax 0761/270-7263

    PD Dr. Stella Reiter-Theil
    Leiterin der Forschungsgruppe am ZERM,
    Tel. 0761/270 7267, Fax 0761/270-7268

    Literaturhinweise zum Thema:

    Hick C, Bengel J, Mohr M, Reiter-Theil S (2000/im Druck) Ethik in der präklinischen Notfallversorgung. Schriftenreihe zum Rettungswesen, Verlags- und Vertriebsges., DRK-Landesverband Westfalen- Lippe, Notthulm

    Mohr M 81997) Ethische Konflikte während der Anaesthesie. "Do not resuscitate"-Verfügungen im Operationssaal. Anaesthesist 46, 4: 267-274

    Reiter-Theil S (1999) Ethik in der Klinik-Theorie für die Praxis: Ziele, Aufgaben und Möglichkeiten des Ethik-Konsils. Ethik in der Medizin 11, 4: 222-232

    Reiter-Theil S, Lenz G (1999) Probleme der Behandlungsbegrenzung im Kontext einer internistischen Intensivstation. Zeitschrift für Medizinische Ethik 45, 3: 205-216

    Wünsch A (1999) Medizinethische und psychologische Probleme bei der Betreuung Sterbender. Unveröff. Diplomarbeit, Psychologie, Universität Freiburg


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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