Wie viel braucht der Mensch zur Sicherung des Existenzminimums? Diese Frage wird mit Blick auf den Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV-Regelsatz derzeit wieder kontrovers diskutiert. Wie sieht nun aber der Lebensstandard von Hartz-IV-Empfängern in der Praxis aus? Mit der ersten Befragungswelle des 'Panel Arbeitsmarkt und soziale Sicherung' (PASS) legt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erstmals Daten darüber vor, welche Einbußen Leistungsempfänger beim Lebensstandard hinnehmen müssen. Bernhard Christoph vom IAB hat die Studie ausgewertet und seine Ergebnisse in einem Artikel im Informationsdienst Soziale Indikatoren des Zentrums für Sozialindikatorenforschung von GESIS veröffentlicht. Seine Analysen zeigen, dass die elementare Grundversorgung zwar gesichert ist, darüber hinaus jedoch eine starke Benachteiligung der Hartz-IV-Empfänger im Vergleich zur übrigen Bevölkerung zu beobachten ist.
Wohnung höchste Priorität
Die jährliche Wiederholungsbefragung umfasst rund 19.000 Personen in 12.800 Haushalten und erlaubt detaillierte Analysen und Vergleiche, weil sie sowohl eine repräsentative Bevölkerungsstichprobe als auch eine reine Leistungsempfängerstichprobe enthält. Anhand einer Liste von 26 Gütern wurde erfragt, was den Menschen besonders wichtig ist und was sie sich tatsächlich leisten können. Besonders wichtig sind neben Nahrung und Kleidung der Zustand und die Ausstattung der Wohnung sowie die pünktliche Bezahlung von Miete und Nebenkosten. Von mittlerer Wichtigkeit sind Auto und Fernsehen sowie Geld für unerwartete Ausgaben und medizinische Zusatzleistungen. Als weniger wichtig bezeichnen die Befragten Urlaub, Restaurantbesuche und kulturelle Aktivitäten wie Kino, Konzert und Theater.
Elementare Versorgung bei eingeschränkter Lebensqualität
Die wichtigsten Bedürfnisse an Nahrung, Kleidung und Wohnung werden durch das Arbeitslosengeld II abgedeckt, so dass es hier nur geringe Versorgungsdefizite gibt. Allerdings fehlen den Leistungsempfängern selbst in diesem Bereich einige Güter deutlich häufiger als der übrigen Bevölkerung. So können sich z.B. sechs Prozent keine warme Mahlzeit und 17 Prozent keine ausreichende Winterkleidung leisten. Blickt man jedoch über diese elementaren Bereiche hinaus, ist das Versorgungsniveau bei Hartz-IV-Empfängern deutlich geringer als in der übrigen Bevölkerung. Besonders hoch sind die Einschränkungen im Bereich der sozialen und kulturellen Teilhabe. Fast die Hälfte (46%) der Leistungsempfänger kann es sich nicht leisten, einmal im Monat Freunde zum Essen einzuladen. Und der Besuch kultureller Veranstaltungen wie Kino, Konzert oder Theater ist mehr als der Hälfte (61%) von ihnen nicht möglich. Deutlich häufiger haben Leistungsempfänger auch keinen Computer mit Internetanschluss (41%) und kein Auto (47%) und können sich auch keine neue Kleidung kaufen (49%). Zudem ist der Großteil der Hartz-IV-Empfänger nicht in der Lage, ungeplante Ausgaben zu schultern (55%) oder einen monatlichen Betrag zu sparen (78%). Besonders häufig müssen Leistungsempfänger auch auf kostspielige Aktivitäten wie einen monatlichen Restaurantbesuch (76%) oder eine einwöchige Urlaubsreise (82%) verzichten, die allerdings auch nicht unbedingt in den Aufgabenbereich einer als Grundsicherung konzipierten Sozialleistung gehören. Insgesamt gesehen decken die Leistungen des Arbeitslosengeldes II also den Grundbedarf ab, jedoch ist der Lebensstandard der meisten Leistungsempfänger stark eingeschränkt.
Niedriggebildete und Alleinerziehende besonders benachteiligt
Die Versorgungsdefizite sind nicht bei allen Hartz-IV-Empfängern gleich groß. Während Arbeitslose mit höherem Bildungsniveau sich auch einen höheren Lebensstandard leisten können, sind Alleinerziehende hingegen oft besonders stark benachteiligt. Zwar wurde Hartz IV darauf ausgelegt, den Wiedereintritt der Leistungsempfänger in den Arbeitsmarkt zu beschleunigen, doch leiden gerade diejenigen Gruppen besonders unter den materiellen Einschränkungen, für die eine Arbeit besonders schwierig zu finden ist.
Kontakt:
Christoph, Bernhard (2008): Was fehlt bei Hartz IV? Zum Lebensstandard der Empfänger von Leistungen nach SGB II. In: Informationsdienst Soziale Indikatoren, Heft 40, S. 7-10.
Bernhard Christoph
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung
Tel.: 0911/179-3507
bernhard.christoph@iab.de
http://www.gesis.org/Publikationen/Zeitschriften/ISI/pdf-files/isi-40.pdf)
Wichtigkeit verschiedener Güter für den Lebensstandard
None
Unterversorgung mit relevanten Gütern
None
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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