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06.12.2000 08:22

Innovative Beschäftigungspolitik - Wege aus der Strukturkrise

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit ist nach wie vor eines der dringlichsten Probleme, die es in Deutschland zu lösen gilt. Wissenschaftler von der Universität Würzburg wollen vor diesem Hintergrund die aktive Arbeitsmarktpolitik kritisch überprüfen und Reformen vorschlagen.

    Ihr Forschungsprojekt trägt den Namen "Innovative Beschäftigungspolitik - Wege aus der Strukturkrise". Es läuft am Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, Wirtschaftsordnung und Sozialpolitik unter der Leitung von Prof. Dr. Norbert Berthold und wird von der Herbert-Quandt-Stiftung der ALTANA AG (Bad Homburg) gefördert.

    Noch immer sind rund sechs Millionen Menschen in Deutschland offen oder in einer Reihe staatlicher Beschäftigungsprogramme "versteckt" arbeitslos. Durch die verschiedensten Maßnahmen einer aktiven Arbeitsmarktpolitik will der Staat den Arbeitslosen eine Brücke zurück in Brot und Arbeit bauen: Erstens versucht er, offene Stellen und Arbeitssuchende zueinanderzuführen. Zweitens sollen die Chancen der Arbeitslosen durch geeignete Qualifizierungsmaßnahmen verbessert werden. Drittens strebt der Staat danach, die Beschäftigung durch Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder durch Lohnsubventionen direkt zu steigern. Begründet werden derartige Maßnahmen in der Regel damit, dass es doch besser sei, Arbeit zu finanzieren statt Arbeitslosigkeit.

    "In der Tat ist es richtig, dass ein bloßes Finanzieren und Verwalten von Arbeitslosigkeit nicht sinnvoll sein kann, sondern die Wiedereingliederung der Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt das oberste Ziel aller Bemühungen sein muss", so Prof. Berthold. Ob allerdings die Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Deutschland von Art und Umfang her diesem Anspruch gerecht werden, sei mehr als fraglich: So würden nicht zuletzt die Erfahrungen anderer, beschäftigungspolitisch wesentlich erfolgreicherer Länder zeigen, dass ein Mehr an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen keinesfalls auch ein Mehr an Beschäftigung bedeute. Vielmehr könne eine unbedachte aktive Arbeitsmarktpolitik die Beschäftigungssituation insgesamt eher verschlechtern als verbessern.

    Eng mit den Maßnahmen zur Wiedereingliederung von Arbeitslosen in ein Beschäftigungsverhältnis verbunden sind die Transferzahlungen, die den Betroffenen zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes zustehen. Die jeweilige Ausgestaltung dieser Leistungen - namentlich Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe - beeinflusst laut Prof. Berthold das Verhalten der Akteure auf dem Arbeitsmarkt ganz entscheidend und spielt eine wichtige Rolle beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit.

    Umfassende Reformen auch in diesem Bereich seien unerlässlich: Eine Arbeitslosenversicherung müsse eine differenzierte Berücksichtigung unterschiedlicher Risiken zulassen, und es seien alle relevanten Gruppen - auch die Gewerkschaften - an der Finanzierung zu beteiligen. Die über Steuern finanzierte Arbeitslosenhilfe gaukle einen Versicherungscharakter lediglich vor und gehöre abgeschafft, so der Würzburger Wissenschaftler.

    Auch die Sozialhilfe als "letztes Netz" der sozialen Sicherung bedürfe einer konsequenteren Ausrichtung: Grundsätzlich Arbeitsfähige benötigen verstärkt Anreize, sich wieder um eine reguläre Beschäftigung zu bemühen, den wirklich Bedürftigen könnte dadurch in stärkerem Maße geholfen werden.

    Bei all diesen Überlegungen soll im Rahmen des Forschungsprojektes der Rolle der Kommunen besondere Aufmerksamkeit zuteil werden: Immer mehr Menschen sind in Zeiten hoher Langzeitarbeitslosigkeit auf Sozialhilfe angewiesen, die von den Kommunen aufzubringen ist. Nicht zuletzt deshalb gehen die Kommunen verstärkt dazu über, eine eigene Beschäftigungspolitik zu betreiben.

    Prof. Berthold: "Wir stellen uns im Rahmen dieses Projekts die Frage, wie die verschiedensten kommunalen Beschäftigungsaktivitäten gesamtwirtschaftlich zu bewerten sind." Leider sei es oft so, dass die Kommunen lediglich aus einer "Notwehrsituation" heraus aktiv werden mit dem Ziel, "die Arbeitslosen schnellstmöglich wieder vor der Türe der Arbeitsverwaltung ablegen" zu können. Dabei würden etwaige negative Rückwirkungen auf die reguläre Beschäftigung nur unzureichend berücksichtigt.

    Es sei zweifelsohne sinnvoll, Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik möglichst weit zu dezentralisieren, um den unterschiedlichen Gegebenheiten vor Ort gerecht werden zu können. Allerdings seien dafür klar zugeteilte Verantwortlichkeiten bei den beteiligten Institutionen und anreizkompatible Finanzierungsstrukturen nötig, um das Potenzial der kommunalen Ebene tatsächlich nutzen zu können.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Norbert Berthold, T (0931) 31-2925, Fax (0931) 31-2774, E-Mail:
    norbert.berthold@mail.uni-wuerzburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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