AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN 42-2000
Privatdozent Horst Laube, Oberarzt der "Klinik für Kardiovaskuläre Chirurgie" der Charitè, hat die weltweit erste Serie von 14 Patienten vorgestellt, die im Rahmen einer Bypassoperation mit Gefäßprothesen aus Kunststoff versorgt wurden, die zuvor mit patienteneigenen Zellen beschichtet worden waren ("The Journal of Thoracic and Cardiovascular Surgery" 120 [2000] 134-144).
Die Verengung von Herzkranzgefäßen kann durch die Einpflanzung zusätzlicher Gefäße überbrückt werden. Für diese Bypass-Operationen werden gewöhnlich Teile aus Beinvenen des Patienten, aus Arterien seines Brustkorbs oder - selten - auch des Unterarms verwendet. Indessen lassen sich bei etwa einem Fünftel der Patienten keine geeigneten Gefäße finden, etwa weil sie durch Entzündungen oder massive Erweiterung (Varikosis) krankhaft verändert sind. Seit einigen Jahren wird deshalb von der Industrie Gefäßmaterial aus Kunststoff mit dem chemischen Namen Poly-Tetra-Fluor-Ethylen, PTFE , angeboten. Es findet auch in der Bekleidungsindustrie, etwa als Goretex, Verwendung. Die Kunststoffgefäße haben aber den Nachteil, daß sie sich innerhalb relativ kurzer Zeit nach ihrer Einpflanzung als Bypass von innen verschließen. So sind 40 % solcher Bypässe nach einem Jahr bereits nicht mehr durchgängig. Um die Gefäßprothese langfristig offen zu halten, hat die Arbeitsgruppe um den Herzchirurgen Laube vor etwa vier Jahren damit begonnen, die Kunststoffröhrchen mit patienteneigenen Zellen zu besiedeln. Zwar werden derartig beschichtete Gortextröhrchen auch schon für die Überbrückung verschlossener Venen am Bein verwendet. Dort sind sie aber mit 6 mm im Durchmesser von größerem Kaliber als die nur 4 mm starken, die als Brücke bei Herzkranzgefäßverengungen benötigt werden. Verwendet hat die Arbeitsgruppe um Laube Endothelzellen aus Hautvenen. Diese Zellen bilden natürlicherweise die glatte, innere Oberfläche der Blutgefäße des Menschen.
Etwa zwei Monate vor der in Ausicht genommenen Bypass-Operation wurden dem jeweiligen Patienten Stücke einer Hautvene entnommen, sowie 200 ml Blut, aus dem 100 ml Serum gewonnen wurde. Im Labor löste man die Endothelzellen von den Venenstückchen ab und vermehrte sie in einer mit Patientenserum angereicherten Kulturmedium über die Dauer von 4 bis 6 Wochen. Danach wurden die Kunststoffröhrchen mit einem Zwei- Komponenten (Fibrin)Kleber präpariert, der sowohl die Anheftung von Endothelzellen begünstigt als auch das Wachstum und die Ausbreitung der Zellen anregt. Anschließend wurden die Röhrchen unter Kulturbedingungen den gezüchteten Endothelzellen ausgesetzt. Diese hefteten sich auf die innere und äußere Oberfläche des Prothesematerials, das nach speziellen Reinigungsschritten noch 8 bis 10 Tage in verdünntem Patientenserum im Brutschrank aufbewahrt wurde. Bei der Bypass-Operation konnte es dann auf die passende Länge zugeschnitten und aufgenäht werden.
Seit September 1995 sind 14 Patienten im Alter zwischen 61 und 79 Jahren mit zum Teil mehreren (insgesamt 21) Bypässen aus endothelzellbeschichteten Kunststoffröhrchen versorgt worden. Ein Kranker ist inzwischen (unabhängig von der Operation) an einer Lungenentzündung gestorben. Bei den übrigen sind nach 7,5 Monaten bis vier Jahren noch 90,5 % der Kunstoff-Bypässe offen. Die Tatsache, dass auch nach 4 Jahren ihre innere Oberfläche noch glatt ist, läßt auch für die Zukunft hoffen, dass die neuen Gefäßbrücken den bisher verwendeten zumindest gleichwertig sein werden. Dies kann jedoch erst im Abstand von 10 Jahren beurteilt werden.
Der Vorteil der beschichteten Kunststoffprothesen liegt auch darin, daß die Patienten nach der Bypassoperation ohne gerinnungshemmende Arzneimittel, abgesehen von 100 mg Aspirin täglich, auskommen. Wegen der langwierigen Zellbeschichtung sind die besiedelten PTFE-Röhrchen allerdings für Notfalloperationen nicht geeignet.
Silvia Schattenfroh
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
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