Mosaizismus und Psoriasis - Defekte der menschlichen Haut
Gottron-Just-Preis 2000
Am Donnerstag, 7. Dezember 2000, verleihen die Universität und die Stadt Ulm zum neunten Mal den mit DM 15.000 dotierten Gottron-Just-Wissenschaftspreis. Preisträger 2000 sind Dr. med. Arne König (Universitäts-Hautklinik Marburg), der für seine Arbeiten über den kutanen Mosaizismus ausgezeichnet wird, und PD Dr. med. Michael P. Schön (Klinik für Dermatologie und Venerologie der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg), der den Preis in Anerkennung seiner Beiträge zur Aufklärung der Pathogenese der Psoriasis erhält.
Genetisch gestreift
Prinzipiell ist die genetische Information eines Individuums in allen Körperzellen identisch, da ja der Embryo aus einer einzigen befruchteten Zelle, der Zygote, entsteht. Als »Mosaizismus« wird demgegenüber das Phänomen bezeichnet, daß ein Organismus aus verschiedenen Zellpopulationen besteht, die sich genetisch oder genfunktionell unterscheiden und gegebenenfalls in charakteristischen Haut-Mustern (Mosaiken) manifestieren.
Genetischer Mosaizismus beruht auf einem Mutationsereignis in einer frühen Phase der Embryonalentwicklung, in dessen Folge zwei genetisch unterschiedliche Tochterzellen entstehen. Aus ihnen entwickeln sich zwei verschiedene Zellklone, die sich in charakteristischen Hautmustern ausbreiten. Deren häufigstes sind die sogenannten Blaschko-Linien, band- oder wirbelförmige Areale auf der Haut. Bei autosomal dominant vererbten Hautkrankheiten finden sich manchmal entlang der Blaschko-Linien ungewöhnlich schwer geschädigte streifenförmige Areale. Dafür hat Dr. König in Analogie zu einem bekannten Mechanismus der Tumorentstehung ein neues Erklärungsmodell entwickelt, das vom Verlust der Heterozygotie ausgeht: Auf einem Chromosom, beispielsweise einem väterlichen, liegt an einem bestimmten Genort die Mutation, auf dem dazugehörigen Chromosom der Mutter ist das Gen normal. Geht dieses gesunde Allel in der frühen Embryogenese (zum Beispiel durch Mutation oder somatische Rekombination) verloren, so entsteht ein Zellklon, der kein normales Allel an diesem Genort mehr aufweist. Während der Embryo heranwächst, breiten sich diese defekten Zellen entlang der Blaschko-Linien aus.
X-Choromosomal vererbte (geschlechtsgebundene) Erkrankungen sind für Mosaikforscher besonders aufschlußreich. Trägt eine Frau auf einem ihrer beiden X-Chromosomen eine Mutation, so kann es geschehen, daß sich auf ihrer Haut ein sichtbares Mosaik entwickelt. Schuld ist die sogenannte Lyonisierung: während der Embryonalentwicklung wird eines der beiden X-Chromosomen inaktiviert - welches in welcher Zelle, hängt vom Zufall ab. Diese Inaktivierung wird lebenslang in allen Tochterzellen beibehalten. So ist in dem einen Zellklon das mutierte X-Chromosom aktiv, und in dem anderen (normalen) ist es inaktiviert. Es gibt X-chromosomale Erkrankungen, die für männliche Embryonen tödlich sind. In diesem Fall können betroffene Mütter (betroffene) Töchter zur Welt bringen, jedoch keine Söhne; diese sterben bereits im Mutterleib ab. Ein Beispiel ist das CHILD-Syndrom, dessen molekulargenetische Grundlage ebenso wie die verschiedener mosaikartig auftretender Hautkrankheiten in Marburg aufgeklärt werden konnte.
Dysregulierte T-Zellen verursachen Psoriasis
Von der Psoriasis, auch Schuppenflechte genannt, weiß man schon länger, daß sie eine multifaktoriell begründete Erkrankung darstellt, das heißt sowohl genetische als auch Umwelteinflüsse zu ihrer Entstehung beitragen. Einzelne Aspekte des komplexen Krankheitsbildes waren im Tiermodell schon früher untersucht worden. Den Nachweis aber, daß das ganze komplexe Spektrum der Merkmale dieser Autoimmunkrankheit durch fehlregulierte T-Lymphozyten ausgelöst wird, vermochte erst Dr. Michael P. Schön zu erbringen. Der immunologisch arbeitende Dermatologe, der übrigens an der Universität Ulm studiert hat, entwickelte eine differenzierte, auf der SCID-Maus gründende Versuchsanordnung, mit deren Hilfe die Pathogenese der Psoriasis entscheidend erhellt werden konnte.
Sogenannte naive oder auch »jungfräuliche« T-Helferzellen, die noch mit keinem Antigen in Berührung gekommen sind, führen bei der Empfängermaus selbst dann zu Darmerkrankungen, wenn vollkommene Immunkompatibilität zwischen T-Zellen und Tiermodell vorliegt. Dr. Schön übertrug nun T-Zellen, deren hauptsächliche Histokompatiblitätsmerkmale identisch waren mit denjenigen der SCID-Mäuse, die aber in den untergeordneten, den sogenannten Minor-Histokompatibiltätsfaktoren abwichen. Unter diesen Umständen entwickelten die Tiere nicht nur die bereits bekannten Darmerkrankungen, sondern auch Psoriasis. Damit war klar, daß dysregulierte, also autoimmunologisch fehlorientierte T-Lymphozyten Verursacher der Schuppenflechte sind. Zugleich ging Schön der Frage nach, welche Moleküle die Invasion der Lymphozyten in die Epidermis vermitteln, die dann schließlich zur Manifestation der Erkrankung führt. Er untersuchte die Vorgänge sowohl in Hinsicht auf die Anteile der T-Zellen selbst als auch der epidermalen Zellen an dem Prozeß. Es ist zu erwarten, daß auf der Grundlage dieser Arbeiten und ihrer Ergebnisse neue Ansatzpunkte für kausale Therapien der Psoriasis gefunden werden.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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