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28.10.2008 12:56

Der Mensch im Zentrum: die neuen Projekte im Akademienprogramm

Myriam Hönig Büro Berlin
Union der deutschen Akademien der Wissenschaften

    Im Jahr 2009 werden fünf positiv evaluierte Forschungsprojekte aus Linguistik, Älterer und Neuerer Geschichte, Archäologie und Musikwissenschaft in das Akademienprogramm aufgenommen. Wie die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz (GWK) am 27. Oktober 2008 beschlossen hat, stehen für die neuen Projekte 1,455 Millionen Euro zur Verfügung, der gesamte Haushalt des Akademienprogramms wird 2009 bei 47,3 Millionen Euro liegen. Das entspricht einer Haushaltssteigerung von drei Prozent.

    Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften koordiniert mit nunmehr 157 Vorhaben in 202 Arbeitsstellen das umfassendste deutsche Forschungsprogramm der Geisteswissenschaften. Seit 2005 wird das Akademienprogramm bundesweit ausgeschrieben (weitere Informationen unter www.akademienunion.de). Bei allen Vorhaben handelt es sich um modular gestufte, langfristige Forschungsprojekte von überregionaler Bedeutung.

    Die Themen der neuen Projekte sind:

    "Entwicklung eines korpusbasierten elektronischen Wörterbuchs Deutsche Gebärdensprache (DGS) - Deutsch"

    Obwohl sich die Gebärdensprachen über Jahrhunderte entwickelt haben, waren sie bis ins 20. Jahrhundert als bloßes Gestikulieren verfemt, in Deutschland wurden Gehörlose erst seit etwa zwei Jahrzehnten als Angehörige einer sprachlichen Minderheit anerkannt. Auch die linguistische Grundlagenforschung zu ihrer rein visuell ausgerichteten Sprache fehlte bisher. Nun soll ein allgemeinsprachliches, korpusbasiertes elektronisches Wörterbuch der Deutschen Gebärdensprache (DGS) die Sprache erstmals systematisch ausgehend von den tatsächlich verwendeten Gebärden erfassen. Ein Forscherteam des Instituts für deutsche Gebärdensprache und Kommunikation Gehörloser an der Universität Hamburg nimmt daher bei ca. 250 gehörlosen Informanten bundesweit mehrere hundert Stunden Videomaterial auf und speist es in eine eigens entwickelte Datenbank ein. Der Gebärden-Wortschatz wird in dem elektronischen Wörterbuch mit ca. 6000 Einträgen in bewegten Bildern präsentiert und ins Deutsche übersetzt. Vielfältige Zugriffs-, Such- und Anzeigeoptionen bieten Lernern mit Deutsch als Muttersprache wie etwa Eltern und Lehrer gehörloser Kinder, professionellen Gebärdendolmetschern, gehörlosen Muttersprachlern, Linguisten und Sprachtypologen eine jeweils auf ihre Wünsche und Bedürfnisse zugeschnittene Nutzungsmöglichkeit. Das auf 15 Jahre angelegte Vorhaben ist das erste Langzeitprojekt der Akademie der Wissenschaften in Hamburg. Die Arbeitsstelle ist in Hamburg angesiedelt.

    "Frühneuzeitliche Ärztebriefe"

    Wie neue medizinische Theorien und Praktiken in der Frühen Neuzeit entstanden und sich verbreiteten und wie sich der ärztliche Alltag in der freien Praxis, aber auch am Hof oder in städtischen Diensten gestaltete, erfährt man am besten über Ärztebriefe. Sie sind ein wertvoller Teil unserer kulturellen Überlieferung und erlauben unter anderem detaillierte Einblicke in Erfahrungen, Denkweisen und religiöse Überzeugungen, in das Wirtschaften und den familiären Alltag des zeitgenössischen Bürgertums. Dennoch wurde diese Quellengattung bisher kaum genutzt, da die erhaltenen Briefe über zahlreiche Archive und Institutionen verstreut bzw. nur bruchstückhaft erschlossen sind. Um die Ärztebriefe aus dem deutschsprachigen Raum für Fragestellungen aus der Medizin- und Wissenschaftsgeschichte, aber auch für die Sozial- und Kulturwissenschaften nutzbar zu machen, sollen sie in den kommenden 15 Jahren systematisch in einer Datenbank erfasst, mit Regesten versehen und im Internet bereit gestellt werden. Das Projekt wird von der Bayerischen Akademie der Wissenschaften betreut, die Arbeitsstelle ist in Würzburg angesiedelt.

    "Kulte im Kult. Bedeutung und Funktion des sakralen Mikrokosmos in extraurbanen griechischen Heiligtümern am Bespiel von Didyma (Türkei)"

    Dort, wo der Legende nach Zeus und Leto das Zwillingspaar Apollon und Artemis zeugten, stand einst unweit der antiken Hafenstadt Milet eines der bedeutendsten griechischen Orakel; der im Apollon-Tempel entspringenden Quelle schrieb man ähnlich wie in Delphi prophetische Kraft zu. Heute ist der Großtempel bei Didyma / Osttürkei ein Zentrum deutscher archäologischer Forschung - und in unmittelbarer Nähe dieses Apollon-Heiligtums vermuten Experten auch einen Artemis-Tempel. Diesen zweiten Tempel auszugraben und die Funde nach modernen Kriterien auszuwerten, ist das Ziel des neuen Projektes der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften. Die Archäologen erhoffen sich davon neue Erkenntnisse über kleinere Kultbezirke im Altertum. Denn es ist zwar seit langem bekannt, dass in griechischen Heiligtümern meist nicht nur ein Gott verehrt wurde, sondern sich ein regelrechter Mikrokosmos mit anderen Gottheiten bildete - doch die Funktion und Bedeutung dieser Kulte im Kult konnte noch nicht geklärt werden. Die Arbeitsstelle des auf 12 Jahre angelegten Langzeitvorhabens ist in Bonn angesiedelt.

    "OPERA - Spektrum des europäischen Musiktheaters in Einzeleditionen"

    Nicht das Gesamtwerk eines einzelnen Komponisten steht bei "Opera" im Mittelpunkt, vielmehr geht es bei dem auf 15 Jahre angelegten Forschungsprojekt um eine kritische Edition herausragender Werke des europäischen Musiktheaters und ihrer zum Teil sehr komplexen Überlieferungsgeschichte, Aufführungspraxis und Interpretation. Bearbeitet werden 21 exemplarische Werke vom Barock bis zur Moderne, die unterschiedlichsten Gattungen angehören - von Oper und Operette über Melodram und Ballett bis zu multimedialen Experimenten der Theatermoderne. Erstmals werden außerdem nicht nur die Noten, sondern auch die Libretti ediert. "Opera" wird in einer sogenannten Hybrid-Edition vorliegen: Das heißt, die Partituren erscheinen in traditioneller Buchform, die kritischen Berichte dagegen werden auf einer elektronischen Plattform erstellt und präsentiert. Unter anderem durch diese Präsentationsform hebt sie sich von der bisherigen Editionspraxis musikalischer Bühnenwerke ab. Das Vorhaben wird von der Akademie der Wissenschaften und der Literatur, Mainz betreut, die Arbeitsstelle ist in Bayreuth angesiedelt.

    "SAPERE. Scripta Antiquitatis Posterioris ad Ethicam Religionemque Pertentia (Schriften der späteren Antike zu ethischen und religiösen Fragen)"

    Griechische und lateinische Texte aus der römischen Kaiserzeit wie etwa Plutarchs Dialog "Über die Liebe" gehörten noch in der Neuzeit zum Bildungskanon, heute jedoch geraten die Schriften zu Religion, Ethik und Fragen des Menschseins zunehmend in Vergessenheit. Die Editionsreihe "Sapere" hilft dabei, sie neu zu entdecken und ihre Bedeutung für Religions-, Philosophie- und Kulturgeschichte zu erschließen. Jeder Band, der in den kommenden 14 Jahren erstellt wird, ist einem bestimmten Werk gewidmet. Dieses wird zunächst in einem textkritisch geprüften lateinischen oder griechischen Originaltext sowie in einer gut lesbaren und gleichzeitig möglichst genauen deutschen Übersetzung präsentiert. Ergänzt wird der Text durch Essays und Kommentare von Wissenschaftlern unterschiedlichster Disziplinen. Sie erschließen nicht nur den Fachwissenschaften und Studenten, sondern auch interessierten Bürgern neue Perspektiven auf das jeweilige Werk, machen die antiken Autoren als Gesprächspartner verständlich, die auch zu gegenwärtigen Fragestellungen interessante Antworten geben können und geben einen Einblick in den Stand der Fachdiskussion. Die ergänzenden Aufsätze entstehen jeweils aus einem Kolloquium, das von der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen organisiert wird. Die Arbeitsstelle der Edition ist in Göttingen angesiedelt.

    Ihre Ansprechpartner

    Bärbel Lange, Koordinatorin des Akademienprogramms für die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, Tel. 06131 / 21 85 28-17, E-Mail: baerbel.lange@akademienunion.de

    Myriam Hönig, Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, Tel. 030 / 325 987-370, E-Mail: hoenig@akademienunion-berlin.de

    Die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften ist die Dachorganisation von acht Wissenschaftsakademien, die sich zur Umsetzung gemeinsamer Interessen zusammengeschlossen haben. Unter dem Dach der Union sind mehr als 1600 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen verschiedenster Fachrichtungen vereint, die zu den national und international herausragenden Vertretern ihrer Disziplinen gehören. Die Union koordiniert das "Akademienprogramm", das eines der größten und bedeutendsten geisteswissenschaftlichen Forschungsprogramme der Bundesrepublik Deutschland darstellt. Sie fördert die Kommunikation zwischen den Akademien, betreibt Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und organisiert Veranstaltungen über aktuelle Probleme der Wissenschaft. Die Akademienunion kommuniziert mit Wissenschaftsorganisationen des In- und Auslandes und entsendet Vertreter in nationale und internationale Wissenschaftsorganisationen.


    Weitere Informationen:

    http://www.akademienunion.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Medizin, Musik / Theater, Religion, Sprache / Literatur
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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