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29.12.2000 09:45

Aortenoperationen risikovermindern

Peter Pietschmann Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Ulm

    Aortenoperationen risikovermindern
    Alternative Blutdrucksenker im Schweinetest

    Ein Stipendium der European Society of Anaesthesiology (ESA) von rund 16.000 Euro im Rahmen des ESA Research Grants Programme 2001 bildet das Startkapital einer tierexperimentellen Studie, die dazu beitragen soll, daß Operationen an der Aorta risiko- und belastungsärmer werden. Unterstützt von Dr. Hubert Schelzig aus der Abteilung für Thorax- und Gefäßchirurgie untersucht Dr. Gebhard Fröba, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Sektion anästhesiologische Pathophysiologie und Verfahrensentwicklung (Leiter Prof. Dr. Peter Radermacher), neue Medikamente zur Stabilisierung des Blutdrucks bei Stillegung des Herzkreislaufs.

    Hoher Blutdruck (Hypertonie) und Arterienverkalkung (Arteriosklerose) sind die häufigsten Ursachen der Ausbildung eines Aneurysmas (Ausbuchtung) oder einer Dissektion (Spaltung) der Gefäßwand, die oft zur Minderdurchblutung (Ischämie) von Organen führen. Jeder dritte Patient ist von Spätfolgen betroffen. Wenn ein Aneurysma reißt, entstehen lebensgefährliche Blutungen. Eine akute Spaltung der Hauptschlagader im Brustkorb endet in der Hälfte der Fälle tödlich. Aneurysmen und Dissektionen können operativ behandelt werden. Während des Eingriffs wird unterhalb und oberhalb der defekten Stelle eine Klemme aufgesetzt und der Blutfluß durch das betroffene Gefäßsegment vorübergehend unterbrochen, um das Aneurysma entfernen und eine Prothese einsetzen zu können. Danach wird der Blutstrom wieder freigegeben. Das Vorgehen bei Dissektion ist analog.

    Wird diese Operation an der Aorta in der Brustkorbregion durchgeführt, ist der Patient vor allem durch gravierende Änderungen der hämodynamischen Verhältnisse gefährdet: das Abklemmen der Aorta führt zu einem fulminanten Blutdruckanstieg. Ohne sofortige pharmakologische Blutdrucksenkung nimmt die Auswurfleistung des Herzens schnell um bis zu 40% ab. Eine fortdauernde Überbelastung führt zur Überdehnung der linken Herzkammer mit Minderdurchblutung der innersten Herzmuskelanteile, Funktionsstörungen der Herzklappen und Lungenödem bis zum Kreislaufstillstand im Kammerflimmern. Darüber hinaus sind die Organe der unteren Körperhälfte, also Leber, Milz, Nieren und Darm, sowie insbesondere das

    Rückenmark durch die Unterbrechung der Durchblutung gefährdet. Dies kann zum Verlust der Organfunktion bzw. einer Querschnittslähmung führen. Je länger die Ischämie andauert, desto größer ist das Risiko. Der Anästhesist muß versuchen, diese hämodynamischen Änderungen während der Aortenabklemmung zu kompensieren und die von ihnen ausgelösten zellschädigenden Stoffwechselprozesse in den Herzmuskelzellen zu minimieren oder idealerweise zu verhindern.

    Zellschützer

    Zur raschen Blutdrucksenkung wird routinemäßig Natrium-Nitroprussid (NNP) eingesetzt, das entspannend auf die Gefäßmuskelzellen wirkt. Allerdings sprechen die Patienten unterschiedlich an. In manchen Fällen kann der Blutdruck mit NNP überhaupt nicht ausreichend gesenkt werden. Nach Beendigung der NNP-Infusion kommt es zudem regelmäßig zu einem überschießenden reaktiven Blutdruckanstieg. Gibt es Alternativen? Möglicherweise ja. Mit verschiedenen anderen Substanzen, zum Beispiel Kalziumantagonisten, kann in vergleichbar kurzer Zeit wie bei Verwendung von NNP der Blutdruck ausreichend gesenkt und kontrolliert werden, ohne daß zellschädigende Stoffwechselprozesse auftreten. Auch ein reaktives Überschießen der Durchblutung nach Infusionsende wurde bisher nicht beobachtet. Im Gegenteil wird den Alternativpräparaten sogar eine Schutzwirkung nachgesagt, darunter eine Verbesserung der Nährstoffversorgung des Herzmuskels, Unterstützung der Leberfunktion, Ausgleich des Blutzuckerstoffwechsels und deutlich verminderte Freisetzung entzündungsfördernder Zytokine. In der Transplantationschirurgie hat man mit Kalziumantagonisten bereits gute Erfahrungen gemacht. Doch ob diese positiven Effekte auch unter den Bedingungen einer Aortenabklemmung eintreten, ist noch unklar.

    Die Ulmer Gefäßchirurgen und Anästhesiologen wollen jetzt in OP-Experimenten mit Schweinen exakte Meßdaten über die Wirkungen von Alternativpräparaten erheben. Läßt sich der Blutdruck damit ähnlich gut steuern wie mit Natrium-Nitroprussid? Ist eine von ihnen in ihrem pharmakologischen Profil überlegen? Kann durch die Zellschutzwirkung der Ischämie- und Reperfusionsschaden in den Organen des Bauchraums, in Niere und Rückenmark begrenzt werden? Operieren wollen die Forscher insgesamt vier Gruppen mit jeweils zwölf Tieren, ferner sechs Tiere zur Standardisierung der Methoden. Dabei greifen die Gefäßchirurgen auf umfangreiche Vorarbeiten ihrer anästhesiologischen Kollegen, Auswertungsmethoden der Sektion Chirurgische Forschung (Professor Dr. Uwe Bernd Brückner) und technisches Know-how der Abteilung Neurologie (Prof. Dr. Albert C. Ludolph, Dr. Anne-Dorte Sperfeld) zurück. Sollten sich die Erwartungen der Mediziner im Tierversuch bestätigen, wird eine klinische Studie am Menschen unmittelbar folgen.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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