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02.01.2001 09:08

Die Maschine dem Menschen anpassen - nicht umgekehrt!

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    Neuere Forschungsergebnisse zur "Mensch-Maschine-Schnittstelle":In einem Überblicksaufsatz für die Fachzeitschrift Automatisierungstechnik Nr. 1/2001 stellt Professor Dr.-Ing. Peter F. Elzer, Institut für Prozeß- und Produktionsleittechnik der Technischen Universität Clausthal, sowohl neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Schnittstelle als auch eigene For-schungsarbeiten der letzten Jahre vor.

    "Menschliches Versagen" wird häufig allzu schnell als Ursache von Unfällen mit techni-schen Systemen genannt, wenn Menschen dessen Warnungen oder Meldungen nicht rechtzeitig oder gar falsch verstehen. Der Grund dafür ist aber oft, daß die von einer Maschine ausgesandten Signale nicht gut genug auf den in Jahrhunderttausenden heraus-entwickelten menschlichen Wahrnehmungsapparat abgestimmt sind. Auf der anderen Seite haben Menschen die Fähigkeit, eigene Fehler zu erkennen und zu korrigieren, bevor diese sich auswirken können, oder sich anbahnende Störungen in einem technischen System "improvisierend" abzufangen. Dadurch wurden möglicherweise schon mehr Unfälle verhindert, als bisher angenommen wurde. Dies sind nur einige wenige Beispiele für Einsichten, die sich aus der Forschung auf dem Gebiet der Mensch-Maschine-Schnittstelle ableiten lassen.

    Wie erkennt z.B. ein Mensch, ob eine Situation möglicherweise gefährlich ist? Aus der Vielzahl der Sinneseindrücke wird einigen die Rolle von "Schlüsselelementen" zugewiesen. Sie werden in übergeordnete Zusammenhänge eingebettet. Aus ihnen werden Trends abgeleitet. Eine zweckmäßige Anordnung komplexer Information im dreidimensionalen Raum hilft, die Komplexität besser zu bewältigen.

    Solche Prinzipien wählten Professor Dr.-Ing. Peter Elzer und seine Mitarbeiter zu ihrem Ausgangspunkt und entwickelten in den letzten Jahren eine Reihe von Mensch-Ma-schi-ne-Schnittstellen, die Menschen dabei helfen, Probleme in einer technischen Anlage schneller und sicherer zu erkennen. Einige Beispiele sind:

    Beratungssysteme für das Bedienpersonal einer technischen Großanlage beruhen auf dem gesammelten Wissen der Entwicklungsingenieure über vergangene Störungen. Sie kommen also nicht mit neuen, unbekannten Symptomen zurecht, die z.B. auftreten, wenn eine Maschine altert. Die Clausthaler Forscher haben zur Behebung dieser Problemlage erfolgreich ein selbstlernendes System entwickelt. Das System unterstützt zu-sätzlich das Kurzzeitgedächtnis des Bedieners während dessen Situationsbeurteilung mit einer von ihm im Dialog mit dem Rechner angelegten "Prozeßnotiz" und hilft bei der Auswahl wichtiger Prozeßgrößen.

    Ein Gemeinschaftsprojekt mit dem Forschungslabor der Asea Brown Boveri in Heidel-berg machte sich die Fähigkeit des Menschen zu nutze, Veränderungen dann schneller zu erkennen und einzuschätzen, wenn sie in graphischen Mustern dargeboten werden. Den Prozeßwerten werden einfache graphische Elemente zugeordnet. Sie ergeben ein Gesamtmuster. Der Bediener erfaßt so qualitative Veränderungen des Gesamtmusters auf einen Blick. Im Fall einer Veränderung des Musters kann er selektiv in die nächst tiefere Informationsebene "springen". Dort sind ihm wieder alle Details, wie z.B. die technischen quantitativen Meßwerte abgelegt. Mit ihnen versteht ein Bediener, welche Si-tuation vorliegt und kann die richtigen Entscheidungen treffen. Das übergeordnete graphische Modell fungiert als ein erstes Frühwarnsystem.

    Aus einer anderen Richtung der Optimierung einer Mensch-Maschine-Schnittstelle kommend, arbeitet die "CAR-Brille". Sie wurde auf der "Interkama" 1999 und in weiter entwickelter Form auf der Hannover-Messe 2000 vorgestellt. "CAR" steht als Abkürzung für "Computer Augmented Reality", computerunterstützte Realität und heißt in diesem Fall konkret: Durch eine halbdurchlässige Videobrille werden einem Monteur bei der Wartung einer Maschine Hinweise zur Reparatur oder Wartung in das von ihm gesehene reale Bild "eingespielt". So wird die Zuordnung von unterstützenden Erklä-rungen zur Realität ungeheuer erleichtert.

    Oft leidet der Nutzen von VR-Techniken darunter, daß die Benutzer schwere "Datenhelme", undurchsichtige Brillen mit eingebauten Displays oder Shutterbrillen tragen müssen. So sind sie in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigt und von ihrer anderen Arbeitsumgebung abgeschottet. Ein derartiges erzwungenes "Eintauchen" in eine virtuelle Welt ist mühsam, es läßt sich so nicht lange arbeiten. Auf einem Bildschirm kann der (notwendige) Eindruck der Dreidimensionalität aber auch erzielt werden, indem über einen Positionssensor am Kopf des Betrachters die Blickrichtung des Betrachters und dessen Kopfbewegungen relativ zum dargestellten Objekt (Bewegungsparallaxe) erfaßt werden. In Abhängigkeit davon ändert die Software sodann in Echtzeit die perspektivische Ausgabe der Daten, wodurch ein unmittelbarer plastischer Einruck z.B. eines mit einem CAD-System entworfenen Maschinenteils entsteht.

    In einer weiteren Dissertation wurde der Frage nachgegangen, wie die Suche in großen Datenbeständen erleichtert werden kann. Dafür wird die Zuordnung zwischen Suchbe-griffen und gesuchten Inhalten für eine erste, explorative Suche graphisch als räumliche Nähe oder Ferne zwischen den Begriffen dargestellt. Die Nutzer des Systems benannten als einen hauptsächlichen Vorteil dieser Suchstrategie, aktive Teilnehmer eines Suchdialoges zu sein. Mit außerordentlich ermutigenden Ergebnissen wurde die "Navigation im Informationsraum" auch für die Analyse von Störungen in einer großtechnischen Anlage erprobt. Zuvor aufgezeichnete Operateurerfahrung wurde dazu benutzt, um - optisch - neu aufgetretene Störungen nach Art und Schwere zu klassifizieren.

    Professor Dr.-Ing. Peter F. Elzer: "Beim Entwurf technischer Anlagen sollten nicht immer versucht werden, den Menschen als schwächstes Glied der Kette gewissermaßen außen vor zu halten. Wenn die Mensch-Maschine-Schnittstelle stärker die Erkenntnisse der Kognitionswissenschaften beachtet, können technische Anlagen in Zukunft noch sicherer betrieben werden."

    Weitere Informationen:
    TU Clausthal
    Institut für Prozeß- und Produktionsleittechnik
    Prof. Dr.-Ing. Peter F. Elzer
    EMail: elzer@ipp.tu-clausthal.de
    Julius-Albert-Straße 6
    D-38678 Clausthal-Zellerfeld, Germany
    Telefon: +49-5323-72-7500
    +49-5323-72-7501
    Telefax: +49-5323-72-7599


    Weitere Informationen:

    http://www.ipp.tu-clausthal.de/


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Maschinenbau
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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