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07.11.2008 11:59

Kampf gegen das Erinnern - Psychische Gesundheit für Herzinfarkt-Patienten überlebenswichtig

Michael van den Heuvel Kommunikation
Helmholtz Zentrum München - Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt

    Herzinfarkt-Überlebende mit posttraumatischen Belastungsstörungen tragen ein deutlich erhöhtes Risiko früher zu sterben als unbelastete Patienten. Dies ist das Ergebnis einer aktuellen Studie an rund 150 Patienten, die nach einem Herzinfarkt oder Herzstillstand einen Defibrillator erhalten hatten. Die Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München, der TU München sowie des Deutschen Herzzentrums fordern, den psychischen Symptomen weitaus größere Aufmerksamkeit zu widmen, als dies in der Vergangenheit der Fall war.

    Unter Leitung von Prof. Karl-Heinz Ladwig hat ein Team von Wissenschaftlern aus dem Helmholtz Zentrum München, der Technischen Universität sowie dem Deutschen Herzzentrum nachgewiesen, dass Herzinfarkt-Patienten mit posttraumatischer Belastungsstörung ein dreieinhalbfach erhöhtes Risiko tragen, früher zu sterben als Patienten ohne diese Diagnose. Dies berichten die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe der weltweit renommiertesten psychiatrischen Fachzeitschrift Archives of General Psychiatry.

    Die Wissenschaftler hatten in ihrer Studie 147 Patienten über einen Zeitraum von fünf Jahren nachverfolgt. Die Patienten hatten einen schweren Herzinfarkt oder einen plötzlichen Herzstillstand überlebt und zur Vorbeugung eines erneuten Herzstillstandes einen schrittmachergroßen, automatisch funktionierenden Defibrillator implantiert bekommen.

    "Zu Beginn der Untersuchung befragten wir die Patienten eingehend danach, wie sie den dramatischen Beginn ihrer Erkrankung seelisch verkraftet hatten", beschreibt Karl-Heinz Ladwig vom Helmholtz Zentrum München das Studiendesign. Dabei fragten die Wissenschaftler insbesondere nach Symptomen, die typischerweise bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auftreten: Angstvolle, sich aufdrängende bohrende "intrusive" Erinnerungen an das lebensbedrohliche Geschehen, Vermeiden von Verhaltensweisen, die an das Ereignis erinnerten sowie eine nach dem Erstereignis aufgetretene gesteigerte nervöse Unruhe oder Überwachheit (Hypervigilanz).

    Ein Teil der Patienten litt in gesteigerter Weise an diesen posttraumatischen Symptomen. Ihr Leben war durch immer wiederkehrende bedrohliche Erinnerungen an ihre Erkrankung bestimmt. Sie lebten in einem dauerhaft angstvoll-angespannten Zustand. Diese Menschen wiesen ein 3,5fach erhöhtes Risiko (Hazard Ratio: 3.45; 95-prozentiges Konfidezintervall, 1.57-7.60; Signifikanzniveau:0.002) auf, früher als diejenigen Patienten zu sterben, die nicht an solchen Symptomen litten und sich mit ihrer Erkrankung hatten arrangieren können.

    Weitere Berechnungen ergaben zudem, dass andere Faktoren, die ebenfalls Einfluss auf die Überlebensfähigkeit dieser Patienten haben, in keinem Zusammenhang mit dem Risiko der posttraumatischen Symptomatik stehen. Zu solchen Risikofaktoren zählen unter anderem das Alter, die Auswurffraktion des Herzens als Maß für die verbliebene Herzmuskelkraft oder Diabetes. Überraschenderweise fand sich auch keine Verbindung mit dem komorbiden Vorhandensein von Depression und Angst. "Dies bedeutet", so Studienleiter Ladwig, "dass das PTBS-Risiko unabhängig von den genannten weiteren Risikofaktoren besteht und keineswegs durch sie erklärt werden kann."

    Wie dramatisch erhöht das Mortalitätsrisiko der betroffenen Patientengruppe ist, zeigte auch die Berechnung der absoluten Risiken: Verglichen mit unauffälligen Patienten, bei denen mit 55 Todesfällen pro 1000 Patientenlebensjahren gerechnet werden muss, lag das Risiko der PTBS Patienten bei 80 Ereignissen pro 1000-Patientenjahren.

    Als Konsequenz aus diesen deutlichen Studienergebnissen fordern Ladwig und sein Team, bei Herzinfarkt-Patienten den Symptomen einer PTBS - insbesondere den intrusiven Symptomen - in Zukunft weitaus größere Aufmerksamkeit zu widmen. Spezielle Hilfsangebote, bei Bedarf auch eine psychotherapeutische Begleitung, müssen rasch entwickelt und auf ihre Wirksamkeit getestet werden. Zum anderen bedarf es weiterer Forschung nach den Mechanismen, die dazu führen, dass die PTSD-Symptomatik einen solch fatalen Einfluss auf den Krankheitsverlauf bei Patienten mit Defibrillatoren ausübt.

    Originalpublikation:

    Ladwig KH, Baumert J, Marten-Mittag B, Kolb C, Zrenner B, Schmitt C, Posttraumatic stress symptoms predict mortality in patients with Implantable Cardioverter Defibrillators (ICD). Results from the prospective Living with an Implantable Cardioverter Defibrillator (LICAD) Study. Arch Gen Psychiatry (2008) 65: 1324-1330

    Kontakt:
    Prof. Dr. Karl-Heinz Ladwig
    Helmholtz Zentrum München -
    Deutsches Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt,
    Institut für Epidemiologie
    Ingolstädter Landstr. 1
    85764 Neuherberg, Germany
    Phone ++49-89-3187-3623
    Fax ++49-89-3187-3667
    ladwig@helmholtz-muenchen.de

    Pressekontakt

    Heinz-Jörg Haury
    Kommunikation - Helmholtz Zentrum München
    Ingolstädter Landstraße 1
    85764 Neuherberg
    Tel.: 089 3187 2460
    Fax: 089 3187 3324
    E-Mail: presse@helmholtz-muenchen.de
    Neuherberg, 7. November 2008


    Weitere Informationen:

    http://www.helmholtz-muenchen.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen-20...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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