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10.01.2001 14:23

Ur- und Frühgeschichtler auf den Spuren der "germanischen Vorväter"

Dr. Wolfgang Hirsch Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Jena (10.01.01) Ein herausragendes vorgeschichtliches Gräberfeld im mecklenburgischen Mühlen Eichsen erschließen und analysieren Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena gemeinsam mit dem dortigen Landesamt für Bodendenkmalpflege. "Ungewöhnlich ist, dass es sich um eine zentrale Begräbnisstätte mit etwa 5.000 bis 7.000 Einzelgräbern handelt", erläutert Prof. Dr. Peter Ettel. "So etwas finden wir aus der vorchristlichen Zeit in diesen Dimensionen nur selten in Nordeuropa."

    Die Datierung liegt ziemlich genau zwischen 600 v. Chr. und 100 n. Chr. Rund 2.500 Urnengräber auf dem insgesamt vier Hektar großen Areal haben die Forscher bereits freigelegt; in den nächsten drei Jahren soll das Grabungsprojekt - eines der größten in Deutschland - abgeschlossen sein. Dennoch rechnet Ettel damit, dass der Totenkult der Urgermanen auch dann noch mehr Rätsel aufgeben als Fragen beantworten wird.

    Immerhin handelt es sich um die sterblichen Überreste der Großväter-Generationen jener Langobarden, die 525 nach Ungarn aufbrachen und am Ende der Völkerwanderung bis nach Norditalien vorstießen. "Von germanischen Stämmen sprechen wir allerdings erst seit der Schlacht im Teutoburger Wald im Jahre 9 v. Chr.", beugt Ettel ethnischen Spekulationen vor.

    Schriftliche Zeugnisse aus der vorrömischen Eisenzeit sind nicht überliefert, aber die Gräberstätte verrät mehr über die Lebenden als über die Toten. Die Feuerbestattung war seit dem Neolithikum, also seit etwa 5.000 v. Chr., in Nord- und Mitteleuropa üblich. Der so genannte Leichenbrand, also die Knochenreste aus dem Scheiterhaufen, wurden dann gesammelt und in einfach getöpferten Urnen bestattet.

    Eine ganze Reihe von Gräbern bei Mühlen Eichsen sind mit größeren Decksteinen abgedeckt und auffällig mit kreisförmigen oder rechteckigen Steinpackungen umgeben. Bis zu fünf Meter im Durchmesser sind diese groß. "Die Gründe für diesen Ritus kennen wir nicht", so Ettel. Drei solcher Bereiche haben er und sein Team inzwischen entdeckt. Möglicherweise handelt es sich um Familiengräber, was DNA-Analysen der Knochenfunde noch bestätigen sollen.

    Grabbeigaben sind relativ selten; meist handelt es sich um die Überreste von Kleidungsstücken. Zum Beispiel haben die Wissenschaftler eine ganze Serie von Nadeln, Spangen und Fibeln aus den Gräbern von Mühlen Eichsen geborgen. Kulturhistorisch bedeutsam sind eine Gürtelschnalle und ein aufwändig hergestelltes Kettengehänge, das bei den Grabungen im vergangenen Herbst zu Tage befördert wurde und zur zeit von Experten in der Ur- und Frühgeschichte der Jenaer Universität restauriert und konserviert wird.

    "Einige dieser Grabbeigaben stammen sicher aus der entfernten keltischen Nachbarschaft in Süddeutschland", so Ettel. "Über die Grabfunde versuchen wir auch, die Handelswege zu rekonstruieren." Mühlen Eichsen liegt etwa 20 Kilometer nordwestlich von Schwerin und damit gut auf halbem Wege zwischen Elbe und Ostsee. Eisenverhüttungsplätze aus dieser Zeit liegen rund 100 Kilometer entfernt, in der Nähe von Hagenow.

    Ein größeres Handels- oder auch nur Siedlungszentrum haben die Jenaer Forscher allerdings in der Umgebung von Mühlen Eichsen noch nicht entdeckt. "Damit rechnen wir auch nicht mehr", so Ettel. Aber warum über einen so langen Zeitraum von immerhin rund 700 Jahren so viele Verstorbene aus einem Umkreis von etwa fünf bis zehn Kilometern zentral in Mühlen Eichsen bestattet wurden, ist für ihn noch das größte Rätsel. Aufschlüsse erhofft er sich auch aus dem Vergleich mit ähnlich lange genutzten vorzeitlichen Friedhöfen, zum Beispiel in der Lausitz.

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Peter Ettel
    Bereich Ur- und Frühgeschichte der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Tel.: 03641/944890, Fax: 944892
    E-Mail: P.Ettel@rz.uni-jena.de





    Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Dr. Wolfgang Hirsch
    Referat Öffentlichkeitsarbeit
    Fürstengraben 1
    D-07743 Jena

    Telefon: 03641 · 931030
    Telefax: 03641 · 931032
    E-Mail: roe@uni-jena.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     


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