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30.12.1997 00:00

Boris-Jelzin-Preisträger an der TU Clausthal

Jochen Brinkmann Kontaktstelle Schule - Universität
Technische Universität Clausthal

    Mit 22 Jahren im Chemie-Examen

    Oleg Moisseev kam im Oktober für seine Diplomarbeit, die er bei Professor Dr. Jürgen Fuhrmann und Dr. Jörg Adams im Institut für Physikalische Chemie anfertigt, aus der Millionenstadt Kazan, der Hauptstadt der russischen muslimischen Republik Tatarstan, ausgezeichnet mit einem der jährlich sechzig Stipendien des russischen Staates, dem Boris-Jelzin-Preis, an die TU Clausthal. Der russische Staat zahlt den Aufenthalt an der Hochschule, die für das Forschungsthema in Frage kommt, und investiert mit der Nachwuchsförderung in die Zukunft des Landes.

    In Moisseevs Diplomarbeit geht es kurzgefaßt darum, während der Herstellung von nur zehntausenstel Millimeter großen Polymerpartikeln in diese Partikel "hineinzuschauen". Dafür werden von ihm zwei verschiedene Farbstoffmoleküle (Fluoreszenzsonden) in die Polymerketten eingebaut. Mittels Fluoreszenzspektroskopie lassen sich so die Verteilung und Beweglichkeit der Polymerketten in den Teilchen während der Polymerisation bestimmen. Oleg Moisseev ist 22 Jahre alt. Mit 17 Abitur, anschließend fünf straff organisierte Studienjahre.

    Zur Zeit arbeitet Oleg Moiessev sich in die Fluoreszenzspektroskopie ein. Die entscheidenden Lehrbücher gibt es nur im englischen Original. Nach vierzehn Jahren Deutsch-Unterricht spricht er nahezu perfekt deutsch. Englisch lernt er seit anderthalb Jahren. "Ich kam nach Deutschland und muß Englisch lernen". Und lacht leise und fröhlich in sich hinein. "Die apparativen Möglichkeiten hier sind um ein Vielfaches besser und ich wurde sehr herzlich in der Arbeitsgruppe aufgenommen. Die Theorie konnte ich bereits in Kazan studieren. Weil die Lage bei uns sehr instabil ist, nicht sicher ist, wo wir als Chemiker einmal arbeiten werden, ist die Ausbildung breit gefächert. " Neben den Fachvorlesungen hörte er Vorlesungen zur Philosophie, besuchte Kurse zur Logik, zum Management , zum Marketing. Ihre Philosophiedozentin lehrte sie: Ihr könnt eine andere Auffassung haben als ich, das schadet nicht. Ihr müßt sie nur gut begründen.

    Sein Vater ist Maler und Bildhauer, die Mutter Wasserbauingenieurin. Früher entwarf der Vater Denkmäler zur Erinnerung an die gefallenen Soldaten, heute entwirft er die Innendekoration von Restaurants. Früher konstruierte die Mutter Staudämme, Kazan liegt nahe an einem großen Fluß und See, heute muß sie Käufer finden für die Produkte der Unternehmen, welche ihre Rechnungen nicht bezahlen. Das Ganze nennt sich russischen Sinne "Marketing". Der Gläubiger muß dem Schuldner helfen, Geld zu verdienen, oder er kommt nicht zu seinem Geld.

    "Eine sehr gute Wirtschaftsstudentin meiner Universität hatte sich gleichfalls um das Boris-Jelzin Stipendium beworben und eine abschlägige Antwort aus dem Bildungsministerium erhalten. Die westliche Wirtschaftsform sei so anders, dort könne sie nichts für ihr Land Nützliches lernen. "

    Die Gesetze für Polymere aber gelten hier wie dort. Tatarstan ist reich an Erdöl und Erdgas. Die einheimischen Chemischen Werke verkaufen Polyethylen nach China. Sie stellen Kunstleder und Zellulosederivate her. Die deutsche und insbesondere die amerikanische chemische Industrie ist mit Vertretungen in Kazan präsent. Sie kooperieren nicht mit der einheimischen Chemischen Industrie und sind auf dem russischen Markt eine scharfe Konkurrenz, berichtet Oleg Moisseev.

    " Der Zusammenbruch der kommunistischen Werte hat eine geistige Armut hinterlassen. Es zählt nur noch das Geld." 1991 trat im staatseigenen (noch KPDSU-) Kulturpalast Kazans eine baptistischer Prediger aus Weißrußland auf. Eine Bibelschule entstand. Oleg Moisseev und seine Mutter ließen sich taufen und sind Mitglieder der neuentstandenen baptistischen Gemeinde. "Die Deutschen sind religiös erzogen und verlieren den Zugang zur Religion. Bei uns ist es genau umgekehrt", vergleicht Oleg Moisseev. Eine Deutsche, die seit vier Jahren in der christlichen Mission in Rußland und Tatarstan tätig ist, verglich die heutige Lage Rußlands mit der Lage Deutschlands nach dem Krieg. Verzweiflung und Not. Ein Unterschied: Die Deutschen hätten ihre Schuld auf sich genommen. Nicht "die Nazis" allein waren schuldig geworden. Das russische Volk ertrage Unerträgliches mit Geduld, aber keiner übernehme Verantwortung. Oleg Moisseev: "Diese Beschreibung war eine Entdeckung für mich. Als Christ müssen wir lernen, frei zu denken und Verantwortung zu übernehmen."


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